Die AfD geht nicht weg – weil die Gründe für ihren Aufstieg bleiben

Der renommierte Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt liefert eine Analyse sowohl der AfD und ihres Umfelds, als auch des Zustands unserer parlamentarischen Demokratie. Dem „Umfeld“ herrschender Parteien fallen allerdings nur Verbotsforderungen ein.

Man hat den Eindruck, dass die üblichen Politiker jeden Abend mit dem Stoßgebet zu Bette gehen: „Herr, mach dass die AfD verschwindet“. Aber siehe da, auch am nächsten Morgen ist sie noch da und an den allermeisten Morgen mit Umfrage- oder Wählerdaten hat sie zugelegt. Die AfD wird zu einem „politischen Notausgang“ für von der Politik frustrierte Wähler, schreibt selbst der sonst stramm auf Linie dröhnende Sender n-tv.

Was man sich wegwünscht, wird stärker. Es ist ein blaues Wunder. Ein solches erlebt man bei einer bösen Überraschung, einem unerwünschten Ereignis oder einer geplatzten Illusion. Das widerfuhr den etablierten Parteien und Medien sowie dem linksliberalen Bürgertum beim Aufkommen der AfD vor über zehn Jahren und wiederholt sich seither jeden Morgen. Unterdessen wurde aus der EU-kritischen Professorenpartei eine bundesweit erfolgreiche rechtspopulistische Bewegung.

Der Aufstieg des Rechtspopulismus ist eine europaweite Erscheinung, von der Deutschland viele Jahre verschont blieb. Das änderte sich, als die bürgerlichen Parteien sich immer weiter nach links bewegten, woraufhin rechts von der CDU und CSU eine immer größer werdende Repräsentationslücke zu klaffen begann. Viele Konservative und Rechte fanden sich nicht mehr parlamentarisch vertreten und suchten nach einer Alternative.

Interview mit Prof. Werner Patzelt
AfD überholt CDU – Werner Patzelt über die politische Revolution
Die AfD hat sich mehrfach gehäutet und wurde stärker. Weil sich die Politik nicht verändert hat. Mittlerweile sieht man ihr Fehler nach, weil die Fehler der Regierungsparteien in jeweils unterschiedlicher Konstellation jeden Tag dramatischer sichtbar werden. Auch da helfen keine Gebete, sondern Handeln. Das ausbleibt.

Nun sollte Politik bekanntlich mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnen. Und die besagt, dass viele Bürger unzufrieden sind mit Entscheidungen, die unter Merkel ihren Anfang genommen haben, von der Ampel verschärft und der Regierung Klingbeil/Merz noch einmal bestätigt wurden.

Die Energiekrise nach der Energiewende wuchert sich zur Desindustrialisierungskrise aus. Die Migrationskrise hat buchstäblich gesellschaftsverändernde, möglicherweise gesellschaftszerstörende Folgen. Die Liste läßt sich verlängern. Heizungsgesetz und Gleichstellungsgesetz sind Instrumente einer großen gesellschaftlichen Transformation, die die Mehrheit nicht will.

All das ist bekannt. Es ist das nahrhafte Futter für jede Opposition, und das ist zum gegebenen Zeitpunkt die AfD.

Der renommierte Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt liefert eine Analyse sowohl der AfD und ihres Umfelds, als auch des Zustands unserer parlamentarischen Demokratie. Darüber hinaus plädiert er für einen neuen Umgang mit der AfD, denn es schadet unserem freiheitlichen Staatswesen, wenn auf Dauer nur noch Mitte-links-Regierungen ins Amt kommen oder „rechte“ Regierungen sich dem linken Koalitionspartner unterwerfen, während die Bevölkerung mehrheitlich Parteien der Mitte oder der Rechten wählt.

»Die Brandmauer muss weg!«
Wegweiser zu einem rationalen Umgang mit der AfD
So lange das so ist, kann die CDU nicht mehr wie früher „rechte Ränder“ absorbieren, wie einst die „Deutsche Partei“ oder die „Republikaner“. Heute hingegen überlassen sie diese Wähler der AfD – und damit einer Kraft, die von der Mitte nur noch schwer einholbar sei, so Patzelt. Das „blaue Wunder“ sei daher nicht nur eine Überraschung bei Wahlen, sondern eine strukturelle Verschiebung im Parteiensystem, wobei diese Verschiebung die Reaktion auf die Verschiebung der Standpunkt nach links ist.

Bislang war die Reaktion darauf: In Deutschland darf längst nicht mehr offen diskutiert werden, es wird nur noch dekretiert und propagiert. Widerspruch ist nicht nur zwecklos, sondern wird auch noch bestraft. Wenn Wähler (oder die Bevölkerung) nicht mehr gehört werden, reagieren sie mit Widerspruch, und wenn der nicht funktioniert, mit Abwendung und Abwanderung. Immer mehr Deutsche wenden sich von den Altparteien ab, und viele wandern gleich aus.

Nun reagiert man mit Parteienverbot; in vielen Städten und Kommunen wird die AfD schon von Wahlen ausgeschlossen. Das verschärft aber nur die Krise. Lange galt die AfD in bürgerlichen Kreisen als unwählbar, nun immer häufiger als letzte Rettung.

Wer einen weiteren Aufstieg der AfD nicht nur kritisieren oder beklagen will, sollte durch Politikwechsel die wichtigsten Ursachen anhaltender AfD-Erfolge abstellen – und obendrein versuchen, diese Partei durch konditionierte Kooperationsangebote aus der Radikalisierungsfalle zu holen, empfiehlt Patzelt. An der Wirklichkeit reibt sich manche Kante ab.

Ein lesenswertes Buch, das viele Informationen über die AfD enthält. Möge es viele Leser finden. Dass es in den Führungsetagen nicht gelesen wird bestätigt die Thesen Patzelts.

Werner J. Patzelt, Deutschlands blaues Wunder. Die AfD und der Populismus. LMV, Klappenbroschur, 320 Seiten, 26,00 €


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Kommentare ( 20 )

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Manfred_Hbg
1 Monat her

Zitat; „Der Aufstieg des Rechtspopulismus ist eine europaweite Erscheinung“ > Warum wird hier, wenn politische rechtskonservative oder rechte Parteien auch EU-weit am aufsteigen sind, immer wieder nur von „Rechtspopulismus“ gesprochen? Warum gibt es anscheinend nicht mal EINE Partei die einfach nur eine rechtskonservative oder rechte Partei ist? Was muß also geschehen, dass auch hier einfach nur von rechtskonservativen oder von rechten Parteien gesprochen wird? _ _ _ _ _ Zitat(e) 2: „Wer einen weiteren Aufstieg der AfD nicht nur kritisieren oder beklagen will, sollte durch Politikwechsel die wichtigsten Ursachen anhaltender AfD-Erfolge abstellen – und obendrein versuchen, diese Partei durch konditionierte… Mehr

Peter Gramm
2 Monate her

Politik gegen die Interessen der Bürger zu machen kannte man nur aus der DDR wo Frau Merkel sozialisiert wurde. Dies wurde durch sie in der BRD installiert. Folge davon die AfD. Täter Opfer Umkehr?

Dundee
2 Monate her

„Nun sollte Politik bekanntlich mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnen. Und die besagt, dass viele Bürger unzufrieden sind mit Entscheidungen, die unter Merkel ihren Anfang genommen haben, von der Ampel verschärft und der Regierung Klingbeil/Merz noch einmal bestätigt wurden.“ Vor Merkel wechselte sich immer wenn ein neuer Kanzler gewählt wurde auch die Politik. Sogar Schröder (SPD) ergriff mit dem vielfach kritisierten „Hartz IV“ unbequeme Maßnahmen, die dem Land zugute kamen. Seit Merkel ging die Politik stets in die gleiche Richtung. 16 Jahre lang. Auch nach Merkel geht seit zwei Legislaturen die Politik genau so weiter wie unter ihrer Kanzlerschaft. Es… Mehr

Last edited 2 Monate her by Dundee
November Man
2 Monate her

Wenn die Zahl derer, die sich vorstellen können, bei der nächsten Bundestagswahl für die AfD zu stimmen, von einer auf die andere Woche um zwei Prozentpunkte zunimmt, dann ist das auch eine Botschaft des Volkes, der Bürger und der Wähler an das Kartell. Mehr als jeder Dritte, immerhin satte 34 Prozent, kann sich derzeit vorstellen oder hat es bereits fest vor, bei der nächsten Bundestagswahl die liberal-demokratische AfD zu wählen. Wenn man dann noch weiß, dass die AfD im Osten Deutschlands deutlich stärker ist, verwundern auch starke fast 40 Prozent in Sachsen-Anhalt nicht wirklich. Jetzt sind die Linksextremisten gezwungen, nicht… Mehr

Siggi
2 Monate her

Dem Buch ist wohl kaum etwas hinzuzufügen. Leider erreichte es nicht diejenigen, die es dringend lesen sollten. Diese ganze Verbotsdiskussion verkennt zwei Dinge. Erstens ist ein Verbotsverfahren an Bedingungen geknüpft und dauert Jahre, die die linke Mischpoke nicht mehr hat. Und zweitens dauert es nur wenige Tage, bis man einer bestehenden Struktur und der verbundenen Wählerschaft einen neuen Namen gegeben hat. Dieses Katze und Maus Spiel ist reiner Aktionismus zur Stimmungsmache. Klingt ja auch schön, aber ein Verbotsverfahren gegen die Grünen hätte zumindest im Volk eine stärkere Zustimmung. Auch die SPD steht zur Disposition. Unter 10 % kann sie noch… Mehr

Christa Born
2 Monate her

Es ist doch so einfach: die Menschen wählen AFD weil sie eine Alternative zur rot-grünen Misswirtschaft ist.

Siggi
2 Monate her
Antworten an  Christa Born

Und eine Alternative zu diesem kollektiven Lügen und Ausnehmen zu Gunsten Unberechtigter.

Boehm
2 Monate her

Keine der „sog. demokratischen Parteien“ fragt nach den Ursachen des Aufstiegs der AfD. Die Ursachen werden ignoriert und es weiter so regiert. Herr Merz ignoriert seine Wahlversprechen und wundert sich, dass er die AfD nicht halbiert habe.

Lupo A
2 Monate her

Hm. Die letzten Zeilen – die etablierte Politik möge einen Politikwechsel vornehmen, um der AfD den Boden wegzuziehen – erstaunen mich. Meine Güte, wenn ich z.B. gesund lebe, dann tue ich das auch nicht, um meinem Arzt eins auszuwischen, sondern weil es in meinem eigenen Interesse ist. Ebenso sollte es doch auch im Eigeninteresse eines Politikers liegen, die bestmögliche Politik erfolgreich zu machen. Und wenn ich den derzeitigen Machthabern unterstelle, dass sie dieses nach eigenem Selbstverständnis auch tun, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass sie entweder verrückt oder kriminell oder beides sind. Auf jeden Fall nicht wählbar. Selbst dann,… Mehr

Aegnor
2 Monate her

„Lange galt die AfD in bürgerlichen Kreisen als unwählbar“ Was aber vor allem daran lag, dass diese Kreise hauptsächlich Mainstreammedien konsumierten, wobei sie deren linksgrüne Unterwanderung nicht erkannten oder nicht wahr haben wollten, während die MSM gegen die AfD – und jede andere Bewegung die ihre Meinungshoheit bedrohte – Lügen und Propaganda verbreiteten. Dazu gehört zudem die Wahrheit, dass heute selbst „bürgerliche Kreise“, die vom Lebensstil her klar bürgerlich sind, durch die Dauerberieselung der linksradikalen MSM deren Ansichten Ansichten zumindest teilweise angenommen haben, wie etwa dass es kein Deutsches Volk gäbe, dass Patriotismus schlecht aka „Nazi“ sei, Kapitalismus desgleichen usw..… Mehr

Deutscher
2 Monate her

Die Grünen haben seit ihrem Einzug ganze 7 Jahre lang mitregiert. Und die Union?

Außerdem: Man hatte 20 Jahre lang Gelegenheit, Merkel und Merz die Stimme zu verweigern. Warum hat man nicht?

Die Union ist seit 2005 die maßgebliche Kraft beim Umbau der BRD zur Neo-DDR. Alle anderen sind Komparsen, Handlanger, höchstens noch Stichwortgeber.

Last edited 2 Monate her by Deutscher