Carlos Tavares wollte Stellantis zum E-Konzern umbauen, steht jetzt aber unter massivem Druck: Zum Kollaps des E-Marktes kommen rebellische Händler, ein Streik in den USA und mögliche Milliardenstrafen. Garniert wird das alles von politischen Intrigen um Meloni und Macron.
Wie fest sitzt Stellantis-Chef Carlos Tavares noch im Sattel? Bisher ist es vor allem die deutsche Autoindustrie, die in Europa als Sorgenkind gilt. Doch auch der Stellantis-Konzern, zu dem Fiat-Chrysler, Peugeot, Citroën und Opel gehören, hat seine Probleme. In den letzten Monaten scheint sich immer mehr herauszukristallisieren: Möglicherweise ist Tavares selbst eines davon.
Tavares hatte in der Vergangenheit vor allem als Verfechter des Klimaschutzes und Gegner des Verbrennungsmotors aufgetrumpft. Er stemmte sich gegen eine Aufweichung der von der EU beschlossenen CO₂-Grenzwerte. „Stellantis muss bis 2038 klimaneutral werden“, kündigte er an. „Meine Autos sind bereit, meine Leute sind bereit und unsere Fabriken sind bereit. Warum also zögern? Ist die globale Erwärmung kein Problem mehr? Im Moment brennt die Hälfte Portugals.“ Damit bezog sich Tavares auf die Waldbrände in seinem Heimatland.
Nicht nur in dieser Hinsicht übt sich der 66-Jährige in Opportunismus. Er soll Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron davon überzeugt haben, sich für EU-weite Strafzölle gegen chinesische E-Autos einzusetzen. Frankreichs Autoindustrie sei besonders durch die chinesische Konkurrenz gefährdet. Binnenmarktkommissar Thierry Breton, Macrons Flankenreiter in Brüssel, setzte bald eine Untersuchung an. So berichtet es Capital.
Die Episode zeigt Einfluss wie „Pragmatismus“ eines mächtigen Konzernchefs, dem nachgesagt wird, europäische Automarken wie Opel mit drastischen Maßnahmen gerettet zu haben, dessen Poker mit E-Fahrzeugen jedoch ein Nachspiel haben könnte. Dass der Stern des Portugiesen im Sinken begriffen ist, zeigt die vor zwei Wochen getroffene Entscheidung, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. Tavares scheidet demnach im Januar 2026 aus. Der Aufsichtsrat sieht sich bereits nach einem Nachfolger um.
Das muss verblüffen, sieht man die von Tavares und Stellantis selbst zelebrierte Erfolgsbilanz an. Der Aufsichtsratsvorsitzende John Elkann soll insbesondere aufgrund des schlechten Geschäfts in Nordamerika und den dort schwächelnden Marken unzufrieden sein. Der Einbruch des E-Auto-Marktes kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Tavares schlichtweg „verzockt“ hat.
Es ist ein rebellischer Akt, der zeigt, wie angeschlagen der Auto-Boss ist. Er wird implizit genannt: Den Unterzeichnern des Briefs sei bewusst, dass sie sich mit dem Brief „konträr zu dem Hersteller, den wir repräsentieren“ positionieren. „Aber aus unserer Sicht ist es völlig klar, dass die Industrie noch nicht darauf vorbereitet ist, die nötige Zahl an Elektroautos zu verkaufen.“ Die „zunehmende Divergenz zwischen den Zielen der Regulierungsbehörden, der Marktreife und den Erwartungen der Hersteller“ sei ein Anlass zur Sorge.
Allein im September sei der Absatz elektrischer Neuwagen in Europa mit einem Minus von rund 44 Prozent kollabiert. Der Absatz von Autos mit Verbrennungsmotor sei dagegen stabil geblieben. „Als tägliche Anlaufstelle der Kunden nehmen wir eine zunehmende Zurückhaltung der Autokäufer gegenüber Elektroautos wahr“, vor allem gebe es Bedenken bezüglich „der Preise, der Reichweite und der Verfügbarkeit“. Die angebotenen Modelle seien zu teuer, die Infrastruktur zu schlecht ausgebaut. Die Vorbehalte seien groß, so die Urheber des offenen Briefes.
Das hat Taveres in der Vergangenheit begrüßt, als es gut mit seiner E-Strategie aussah. Nun könnte die Richtlinie seinem eigenen Konzern Milliardenschäden zufügen. „Wenn die Elektrofahrzeuge auf dem heutigen Niveau bleiben, muss die europäische Industrie nach unseren Berechnungen möglicherweise 15 Milliarden Euro an Strafen zahlen oder aber sie muss die Produktion von mehr als 2,5 Millionen Fahrzeugen aufgeben“, sagt Renault-Chef Luca de Meo. Die Händler prophezeien eine „instabile wirtschaftliche Situation für den gesamten Sektor“.
Hatte Taveres noch vor nicht allzu langer Zeit auf Volkswagen wegen der dortigen Krise herabgeblickt, so schwächelt auch Stellantis seit ein paar Wochen merklich. Bereits seit Mai kennt die Aktie nur noch eine Richtung: nach unten. Für das zweite Quartal 2024 verzeichnete der Konzern einen Gewinneinbruch von 48 Prozent. Tavares’ Reaktion: „Wir können uns keine Marken leisten, die kein Geld einbringen.“ Die Gerüchteküche brodelt, dass Tavares noch eine unpopuläre „Markenbereinigung“ – vulgo: Firmenabwicklungen, Schließungen, Arbeitsplatzabbau – am Ende seiner Amtszeit durchführen darf, um einem Nachfolger keine Altlasten aufzubürden.
Das Verhältnis des Agnelli-Clans zum Italienischen Königreich bzw. zur Italienischen Republik ist ein höchst kompliziertes und nicht immer spannungsfreies. Auch die Fusion Fiat-Chryslers zum 14-Marken-Konzern Stellantis hat daran wenig geändert. Die Agnelli-Familie hält über Exor 14 Prozent der Anteile an Stellantis und ist damit größter Einzelanteilseigner. Die globale Ausrichtung eines der größten Unternehmen der italienischen Industrie hat man in Rom schon länger skeptisch beäugt. Dass Stellantis nach seiner Gründung maßgeblich Arbeitsplätze in Italien, nicht aber in Frankreich abgebaut hat, ist insbesondere der Regierung von Giorgia Meloni ein Dorn im Auge.
Seit dem Amtsantritt der nationalkonservativen Regierung hat Stellantis daher zusätzlich einen politischen Gegner. Um es deutlich zu machen: die Fratelli d’Italia sehen in der französisch-italienischen Fusion einen Ausverkauf italienischer Industrie. Geschichten wie die über Tavares, Macron und die EU-Zölle sind dabei nur ein Mosaikstein. 7 Prozent der Anteile an Stellantis befinden sich im Besitz der Familie Peugeot. Weitere 6 Prozent hält die Banque publique d’investissement France – und damit der französische Staat.
Der Streit zwischen Stellantis und der italienischen Regierung eskalierte, als Tavares sich beklagte, dass Rom nicht genügend für die E-Auto-Förderung tue. Das erkannte Meloni als Drohung: Entweder würde Stellantis subventioniert, oder der Konzern setzte seinen Abbau in Italien fort. Insbesondere Infrastrukturminister Matteo Salvini ist dafür bekannt, ein Gegner des EU-Verbrennerverbots zu sein, und das ist auch – im Gegensatz zur Stellantis – die Regierungslinie. Wirtschaftsminister Adolfo Urso griff Tavares frontal an: „Das Problem liegt nicht bei der Regierung, sondern bei der Gruppe. Es ist ein Problem des Unternehmens, das offensichtlich seine Marketingpolitik und seine Modelle überdenken muss – und das sollte es auch tun!“
Das war im Februar 2024. Schon damals waren die Turbulenzen auf dem E-Markt offensichtlich. Die Offensive von Tavares, die italienische Regierung um Subventionsgelder zu erpressen, um die eigenen Fehlentscheidungen zu kaschieren, zog ein Nachspiel nach sich. Neuerlich kündigte Stellantis mögliche Verlegungen aus Italien an. Rom hat mittlerweile darauf reagiert, indem es wie Ungarn darauf setzt, mögliche chinesische Hersteller einzuladen, sich in Italien niederzulassen. Seitdem zeigt sich Tavares wieder kompromissbereit. Auch diesen Machtkampf hat der Portugiese verloren.
Tavares unter Beschuss an allen Fronten – und kein Ende in Sicht. Denn nun droht auch noch die US-Gewerkschaft UAW mit einem Streik in Stellantis-Werken, weil der Konzern seine Investitionszusagen nicht eingehalten hätte. Bei einer so unübersichtlichen Lage mag es ein Vertrauensbeweis sein, dass Taveres offenbar in die Auswahl seines eigenen Nachfolgers einbezogen wird. Angesichts der sich überschlagenden Probleme, verlorenen Kämpfe, Fehlentscheidungen und der unberechenbaren Zukunft auf dem E-Markt ist es jedoch fraglicher denn je, ob dieser Nachfolger erst im Januar 2026 ins Spiel kommt.
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Zum INGENIEUR, u. dessen Kommentar vor einem Monat, der da lautete:
„Das sehen sie falsch. Die Verflechtungen sind vielfältiger:Die Dacia für den europäischen Markt werden in Rumänien gebaut (nicht in Italien). Dacia gehört zu Renault und beide wiederum genauso wie Citroen zu Stellantis.“ Das, geehrter Hr. Ingenieur, ist im Falle Dacia richtig, der Rest jedoch total falsch: Dacia gehört zur Renault-Gruppe, zu der auch Mitsubishi und Lada zählen, auch Nissan ist involviert. Zu Stellantis gehört die Renault-Gruppe me. Wissens absolut (noch) NICHT!
Halb Portugal soll „brennen“, gebrannt haben, zu einem gewissen Zeitpunkt? Welch infame Lüge, was für ein Lügner. Ich freue mich, daß dieser unfähige Mann, endlich gehen muß, wie heute auf tichy berichtet. Er fällt ja leider sehr weich, auch eine widersinnige Art inkompetente Chefs zu „belohnen“. Das verschlimmert das Ganze zusätzlich. Im Falle des Falles. Wer ein Produkt lanciert, welches der Kunde nicht will, und wirtschaftliche Zusammenhänge nicht versteht, dem sollte niemals eine solche Verantwortung übertragen werden. Entweder korrigiert das Unternehmen seine Einstellung zum Verbrennermotor jetzt, oder es muß dieses später tun, wenn es nicht pleite gehen will. Was schade… Mehr
Das kommt dabei heraus wenn man immer „lieb Kind“ sein will, vor allem bei denen die im Moment politisch das Sagen haben und man selbst finanziell abgesichert ist.
Die Automobilindustrie hätte sich den Weg zur totalen Elektromobilität von der Politik nicht aufzwingen lassen müssen.
Es gehören eben immer zwei dazu..
Tavares ist genau so ein Träumer und Versager wie Diess. Beide Konzerne bezahlen bitterlich am Stümpern ihrer Chefs. Unfassbar wie die grüne Spinnerei auch solche höchst Verdiener erfasst hat.
Das sehen sie falsch. Die Verflechtungen sind vielfältiger:
Die Dacia für den europäischen Markt werden in Rumänien gebaut (nicht in Italien). Dacia gehört zu Renault und beide wiederum genauso wie Citroen zu Stellantis.
Citroen-Werke gibt es auch nicht nur in Frankreich. Einige Modelle für den europäischen Markt werden z.B. in Tschechien und Spanien gebaut.
Zu Stellantis gehören auch noch die Marken Abarth, Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, DS, FIAT, Jeep, Lancia, Maserati, Opel/Vauxhall, Peugeot und RAM.
Zitat: „… Dacia gehört zu Renault und beide wiederum genauso wie Citroen zu Stellantis.“ Das, geehrter Hr. Ingenieur, ist im Falle Dacia richtig, der Rest jedoch total falsch: Dacia gehört zur Renault-Gruppe, zu der auch Mitsubishi und Lada zählen, auch Nissan ist involviert. Zu Stellantis gehört die Renault-Gruppe me. Wissens absolut (noch) NICHT!
Subventionen gleichen Drogen: sie machen abhängig, verändern nachhaltig und auf schädliche Weise das Bewusstsein und führen in die Beschaffungskriminalität (Korruption). Was nur mit fetten Subventionen verkauft werden kann, ist nicht marktfähig. Mehr braucht man zu Elektroautos nicht zu wissen.
Dieser Pseudo-Topmanager sollte sein Augenmerk mehr auf Produktion von Fahrzeugen lenken, die auch gekauft werden und weniger den Retter des Weltklimas spielen. Da wo in Konzernspitzen Politphrasen gedroschen werden, um sich dem potenziellen Subventionszahler anzudienen, wird es früher oder später mit den Unternehmen bergab gehen, denn die Politphrasen können sich sehr schnell ändern. Wer den Zeitgeist heiratet, kann sehr bald verwitwet sein.
Fiat war schon immer (auch) das Auto für den kleinen Geldbeutel. Ich z. B. liebe die leistungsfähigen Motoren von Fiat. Das Problem sitzt in Brüssel und ist hausgemacht. Klar verdient man gutes Geld mit sehr teuren Autos nur ist da der Kundenkreis (Europaweit) schnell abgedeckt, dann geht es nur über Masse.
Auch ein Jünger der grünen Glaubenssekte und ein vermutlich schlechter Verwalter dazu, denn wer auf dem Schlachtfeld des Wettbewerbes ständig seinen Kurs ändert, geht mit dem Geld der Eigner nicht gerade sorgsam um und die Mitarbeiter werden ebenso Bauernopfer werden und so sind sie halt die Unverbindlichen von heute und das ist kein Einzelfall. Ein Glück für all jene, wo der Eigner mit Sachverstand im eigenen Interesse noch operativ mitmischt, bis seine Erben erscheinen, die faul und unfähig sind und nur Cash sehen wollen, und so geht ein Gewerke nach dem anderen unter, denn schlechte Einflüsse, egal von welcher Seite… Mehr