Der Untergang der Auto-Industrie ist abgesagt – aber es stimmt etwas nicht

Die Autoindustrie ist wieder auf Wachstumskurs. Doch es bleibt ein großer Schatten: Das politische Umfeld für die Branche stimmt nicht. Für Deutschland kommt es darauf an, technologieoffen zu bleiben und nicht alles auf Elektroantriebe zu setzen.

IMAGO / Jochen Tack

Wo viel Licht ist, gibt es bekanntlich auch viel Schatten. Die automobile Gegenwart belegt das einmal mehr.

Zum einen: Das wirtschaftliche Umfeld für die Autoindustrie stimmt. Die Weltwirtschaft ist auf den alten Wachstumskurs vor der Corona-Krise zurückgekehrt. Die Automobilnachfrage boomt und liegt weit über den Produktionsmöglichkeiten der Weltautomobilindustrie. Plötzlich sind unverzichtbare Zulieferteile knapp und bremsen die Produktion, werden Engpässe bei wichtigen Rohstoffen und Gefahr der Rückkehr der Inflation zum Thema.in den internationalen Medien. Alles wie schon mal dagewesen!! 

Die wirtschaftliche Erholung schreitet voran und wird sich weiter verstärken – wenn Corona Mutante D beziehungsweise die Gegenmaßnahmen diese nicht abermals einbremst. Das IWK rechnet damit, dass die deutsche Wirtschaft das BIP-Vorkrisenniveau bis Ende 2021 erreicht haben wird. Die Anzahl der gemeldeten offenen Stellen steigt, die Arbeitslosenzahlen sind rückläufig und nähern sich an die Werte von 2019 an. Auffällig sind weiterhin die Preissteigerungen der letzten Monate, wobei Nahrungsmittel, Energie und Rohstoffe knappheitsbedingt die wesentlichen Preistreiber war. Die Erzeugerpreise steigen deutlich stärker als die Verbraucherpreise. 

Von einer hausgemachten Inflation kann aber bislang keine Rede sein. Mit ein Grund dafür,  dass die Zentralbanken die Geldschleusen weiter geöffnet halten.

In China, dessen Volkswirtschaft als erste den Aufschwung gezündet hat, beginnt sich das Wachstumstempo auf altem Pfad zu normalisieren, von Abbruch kann keine Rede

Zum andern: Das politische Umfeld für die Branche stimmt nicht. Es scheint, als ob die hochsommerlichen Temperaturen nicht nur die Felder der europäischen Bauern sondern auch die Flure der Brüsseler Beamten in Mitleidenschaft gezogen hätte. Von sommerlicher Entspannung kann, trotz der Temperaturen, beim Verband der Automobilindustrie (VDA) in diesen Tagen keine Rede sein. VDA Präsidentin Hildegard Müller klagt: “Die jüngst bekannt gewordenen Überlegungen der EU-Kommission, die Flottengrenzwerte für Neufahrzeuge ab 2035 auf Null zu senken, würde die europäische Automobilindustrie dazu zwingen, nur noch rein batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Das wäre nicht nur das Ende des Verbrennungsmotors, sondern auch das Ende der Plug-In Hybride und bedeutete das exakte Gegenteil von Technologieoffenheit, zu welcher sich die Kommission und ihr Vizepräsident Timmermans immer bekannt haben. Auch die damit verbundene Erhöhung der Flottengrenze ohne eine entsprechende Ladeinfrastruktur zeugt von einer Politik ohne ausreichende Folgenabschätzung.“ 

Für die deutsche Autoindustrie, die zunehmend bei der Elektrifizierungswelle auf Plug-In-Hybride setzt, wäre es faktisch der Untergang. Eine dirigistische Beschränkung der Antriebs-Technologien innerhalb eines so kurzen Zeitraums auf eine einzige Antriebsoption, ohne auf die Interessen der Kunden wie der Autohersteller Rücksicht zu nehmen, ist bar jeglicher marktwirtschaftlicher Spielregeln, wenn es alternative Antriebslösungen gibt. 

Und die gibt es! So bestehen bei ernsthaften Menschen, z.B. dem Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger, ernsthafte Zweifel am langfristigen Erfolg von batterieelektrischen Automobilen. Dulger hält andere Technologien für besser. “Ich habe Zweifel daran, dass die Technik von immer wieder aufzuladenden Fahrzeugen die Technik der Zukunft ist… E-Mobilität ist nur ein Übergang…“ Dulger setzt langfristig auf Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Er betont, dass es für Deutschland als Industrienation wichtig sei, technologieoffen zu bleiben und nicht alles auf die Karte Elektromobilität zu setzen. Besser hätte Frau Müller (VDA) das auch nicht formulieren können.

Internationalen Automobilmärkte – Schlagzeilen
  • Europäischer Pkw-Markt legt im Mai zweistellig zu
  • US-Markt deutlich im Plus –China mit erstem Minus seit Langem –Indien und Brasilien auf Wachstumskurs

Die internationalen Automobilmärkte werden weiterhin vom Verlauf der Corona-Pandemie geprägt. Auf den tiefen Fall im Vorjahr folgt die boomartige Lösung des aufgestauten Nachholbedarfs in 2021.

Da im Frühsommer 2020 in vielen Ländern bereits die strengsten Corona-Maßnahmen wieder gelockert wurden und die Märkte sich langsam normalisierten, fallen die Zuwachsraten für den vergangenen Monat weiterhin extrem hoch aus.

  • In Europa legte der Absatz um knapp drei Viertel zu, 
  • in den USA um mehr als ein Drittel. 
  • Der chinesische Markt gab leicht nach. 
  • Die Schwellenländer wuchsen jeweils dreistellig.

Besonders stark entwickelte sich im vergangenen Monat der europäische Markt. Hier erhöhte sich das Neuzulassungsniveau im Mai auf 1,1 Mio. Pkw –ein Anstieg um 74 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. 

  • Die fünf größten Einzelmärkte entwickelten sich durchweg positiv, wobei Deutschland  mit einem Zuwachs von „nur“ 37 Prozent den geringsten Zuwachs verzeichnete.
  • In Italien (+43 Prozent) und Frankreich (+46 Prozent) erhöhte sich der Absatz jeweils um knapp die Hälfte. 
  • Der spanische Markt hat sich nahezu verdreifacht (+178 Prozent). 
  • Das Vereinigte Königreich führt im Mai mit +674 Prozent das Wachstumsranking an. 

Bis einschließlich Mai wurden in Europa 5,2 Mio. Fahrzeuge neu angemeldet, 31 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

In den USA erhöhten sich im abgelaufenen Monat die Light-Vehicle-Verkäufe (Pkw und Light Trucks) auf 1,6 Mio. Fahrzeuge (+41 Prozent). Dabei stieg der Absatz im Pkw-Segment um 48 Prozent, im Light-Truck-Segment betrug das Wachstum 39 Prozent. Nach den ersten fünf Monaten liegt der US-Markt mit 7,0 Mio. mit einem Drittel (+32 Prozent) im Plus.

Nach zwölf aufeinanderfolgenden Wachstumsmonaten musste der chinesische Markt im Mai einen Rückgang verbuchen. Mit 1,6 Mio. abgesetzten Neufahrzeugen lagen die Pkw-Verkäufe um 2 Prozent unter dem Vorjahresniveau, dass schon stark durch Aufholkäufe geprägt war. nach. Jetzt kehrt Normalität ein. In den ersten fünf Monaten 2021 erreichte das Marktvolumen 8,3 Mio. Neufahrzeuge, ein Zuwachs  von gut 38 Prozent.

Die Pkw-Verkäufe in Japan sind im Mai um die Hälfte auf 261.500 Einheiten gestiegen. Nach fünf Monaten und insgesamt 1,7 Mio. abgesetzten Neufahrzeugen liegt der japanische Markt aktuell mit 13 Prozent im Plus.

In Indien wurden im vergangenen Monat 88.000 Pkw abgesetzt. Hier machen sich nun die Auswirkungen der zweiten Corona-Welle bemerkbar: Gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich das Absatzniveau zwar um 162 Prozent erhöht, verglichen mit dem Mai 2019 ist der Markt jedoch um 67 Prozent eingebrochen. Im bisherigen Jahresverlauf wurden in Indien insgesamt 1,2 Mio. Neufahr-zeuge abgesetzt, 83 Prozent mehr als im Vorjahr. 

Der brasilianische Markt konnte  im Mai das dritte Wachstum in diesem Jahr vermelden. Mit 175.600 verkauften Einheiten hat sich das Absatzniveau mehr als verdreifacht (+210 Prozent). In den ersten fünf Monaten wurden in Brasilien insgesamt 838.200 Light Vehicles verkauft, 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum (Schaubild).

 

Internationale Pkw Produktion

War es Corona-bedingt die fehlende Nachfrage, die die Produktion zum Erliegen brachte, so überwiegen 2021 vor allem fehlende Speicherchips, Mangel an Kapazitäten und knappe Rohstoffe als Bremsfaktoren. Der Trend ist zwar in allen Ländern nach oben gerichtet, in den letzten Monaten bremsen jedoch Versorgungsengpässe

Letzteres gilt vor allem für die PKW-Produktion in Deutschland.

Internationale Pkw Produktion

War es Corona-bedingt die fehlende Nachfrage, die die Produktion zum Erliegen brachte, so überwiegen 2021 vor allem fehlende Speicherchips, Mangel an Kapazitäten und knappe Rohstoffe als Bremsfaktoren. Der Trend ist zwar in allen Ländern nach oben gerichtet, in den letzten Monaten bremsen jedoch Versorgungsengpässe.

Falls neuerliche Corona Restriktionen ausbleiben, dürfte 2021 ein Produktionsvolumen von über 4 Millionen wieder erreicht werden. Die notwenigen Personalkapazitäten werden zur Zeit aufgestockt.

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Kommentare ( 9 )

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Klaus H. Richardt
2 Jahre her

Zur Zeit deutet leider alles darauf hin, dass der Niedergang der deutschen Autoindustrie in vollem Gange ist. Seit 2016 ging die Produktion schon 2019 um 19% zurück, 2020 teilweise coronabedingt, um 38%. Und 2021 beträgt die Jan-Mai 2021 nur 63% der Jahre vor Corona, das wird sich auch nach den Werksferien nicht ändern, weil sich niemand mehr traut, Verbrennerautos zu kaufen und kaum einer die E-Autos will. Meine Prognose: 3,57 Mio 2021 gegenüber 3,53 in 2020. Erhärtet wird das auch noch durch die schwachen Zulassungszahlen in Deutschland für E-Autos und Plug-In Hybride: 836 530 Stück insgesamt seit Einführung der E-Fahrzeuge,… Mehr

Heinrich Wolter
2 Jahre her

Die deutsche Autoindustrie lässt sich prima sofort totschlagen mit dem Lieferkettengesetz: In welchem Batteriepack ist nicht das kongolesische Kind drin, das unter unmenschlichen Bedingungen Kobalt aus der Erde gräbt. Damit dürfen die deutschen Hersteller keine Autos mit Batterien verkaufen. Damit können sie nicht mehr auf die von Brüssel vorgeschriebenen Flottenverbräuche kommen. Also: Fabrik dicht. Gilt übrigens genau so für alles, wo ein Akku drin ist: Handys, Laptops …

HRR
2 Jahre her

 Wer eine EU mit Zentralregierung, ähnlich dem untergegangenen Politbüro der Sowjetunion, beklatscht, wird mit den Konsequenzen die sich in einem autoritären Staatengefüge mit Planwirtschaft ausbilden, abfinden müssen.

RMPetersen
2 Jahre her

„Technologieoffen“ wäre schön, aber da wir seit einiger Zeit eine Staatsplanungswirtschaft haben (- „wir“ = von Brüssels Gnaden), ist diese Idee eine von vorgestern.
EU, Paris und Berlin haben sich auf Batterieautos festgelegt, und obwohl imemrhin die Kanzlerin „schon“ gestern gemerkt hat, dass „wir“ eine Stromgedarf-Studie benötigen, wird der Fokus auf E-Auto, E-Heizen, E-Wirtschaft nicht geändert werden.
Wenn dieser Weg in den Black-Out nicht Absicht ist, dann ist er eine Folge von Dämlichkeit und Kurzsichtigkeit. Leute, bereitet Euch auf finstere Zeiten vor.

Protestwaehler
2 Jahre her

Jetzt dreht Baerbock völlig durch, auf dem Treffen des BDI ruft Baerboch dazu auf, Deutschland „zum ersten wirtschaftsneutralen Raum auf der Welt zu machen“ hahaha… und die Deppen der Wirtschaft klatschen dazu auch noch Beifall.
https://www.youtube.com/watch?v=r0JJOllFtX8

BOESMENSCH
2 Jahre her

Wachsen, wachsen, wachsen,….

8 Milliarden Menschen
1,5 Milliarden Autos

Weiter wachsen
Wäre doch gelacht, wenn wir die Erde nicht kaputt kriegen würden…..

RMPetersen
2 Jahre her
Antworten an  BOESMENSCH

Autos in armen Ländern bedeuten: Zugang zu Märkten, Transport von Nahrung und Waren, Zugang zu offeneren Arbeitsmärkten und Bildungseinrichtungen. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, Erkrankte schnell zum Arzt zu bringen.
„Auto“ ist nicht gleich Auto. Dass man solche Vorschriften machen kann, dass Pkw schon jetzt nicht mehr als 2 Liter Kraftstoff je 100 km verbrauchen und max 120 fahren, das versuche ich seit 30 JAhren zu vermitteln – aber stattdessen haben sich die Regierungen auf die Batterieauto-Schiene geworfen: Noch schwerer als ohnehin schon die Pkw. Jetzt wiegt ein Auto der Golf-Grösse fast 2 Tonnen. Absurd!!!

Thomas Holzer
2 Jahre her

„technologieoffen“ heißt in D und A offen für e-bikes, Windräder, e-Autos und Lastenfahrräder, natürlich auch Photovoltaik, alles andere muss verboten werden ??????

Ingolf
2 Jahre her
Antworten an  Thomas Holzer

In einer YT-Diskussionsrunde erzählte Dirk Spaniel von einem Grünen „Kollegen“ im Verkehrsausschuss, der doch tatsächlich der Ansicht war, dass selbst die Betonmisch-Fahrzeuge von Lastenfahrrädern abgelöst werden könnten.
Bei derartigen Aussagen weiß man, dass Realität und Fantasie in gewissen Kreisen ziemlich weit auseinanderliegen.