Zinsen: Fed handelt, EZB wartet ab

Neue Kursrekorde in New York nach der Ankündigung von Unternehmenssteuer-Senkungen. Dollar-Zinsen sollen steigen, während in Europa die Zentralbank weiterhin Nullzinsen setzt. Das macht Deutschland zur Wirtschaftslokomotive.

© Drew Angerer/Getty Images

Die Aussicht auf eine endgültige Verabschiedung der Steuerreform hat am Freitag alle wichtigen US-Aktienindizes auf Rekordhöhen gehievt. Die Anleger griffen insbesondere bei den konjunktursensiblen Technologiewerten zu. Für Erleichterung sorgte, dass sowohl der republikanische Senator Marco Rubio, als auch sein Kollege Bob Corker nun für das Vorhaben stimmen wollen. Zuvor standen die beiden dem Vorhaben kritisch gegenüber.

Die US-Steuerreform sieht unter anderem eine Senkung der Körperschaftssteuer von derzeit 35 auf 20 Prozent vor. Unternehmen würden dadurch erheblich entlastet – und die Gewinne und Ausschüttungen am Ende steigen. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial stieg um 0,58 Prozent auf 24.652 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 gewann 0,90 Prozent auf 2.676 Punkte, nachdem er zuvor bei fast 2.680 Punkten den bislang höchsten Stand seiner Geschichte erreicht hatte. Für den Technologiewerte-Index NASDAQ 100 ging es um 1,20 Prozent auf 6.466 Punkte nach oben.

In dem positiven Umfeld hatten Technologiewerte im Dow die Nase vorn. So stiegen Intel-Aktien (Intel) an der Index-Spitze um rund 3 Prozent. Dahinter folgten die Anteilsscheine von Microsoft mit einem Gewinn von rund 2,5 Prozent. Die Software-Hersteller Adobe und Oracle sorgten derweil auch mit ihren jüngsten Quartalszahlen für Gesprächsstoff. So konnte Oracle am Donnerstag nach Börsenschluss ein Plus beim Umsatz und Gewinn vorweisen – laut einem Analysten der Baader Bank aber belastete der Ausblick auf das dritte Geschäftsquartal. Die Aktien knickten um fast vier Prozent ein. Weitaus besser wurden die neuen Quartalsergebnisse von Adobe aufgefasst, die ein Barclays-Analyst als „stark“ beschrieb. Die Papiere stiegen um mehr als ein Prozent.

Grund zur Freude hatten auch die Aktionäre von Under Armour: Der Sportartikelhersteller hatte eine Partnerschaft mit dem Kanadischen Olympischen Komitee verkündet. Zudem empfahl das Analysehaus Stifel die Anteilsscheine zum Kauf. Dies reichte, um die Papiere des Rivalen adidas um gut neun Prozent in die Höhe schnellen zu lassen.

Es gibt unendlich viele Faktoren, die Einfluss auf die Aktienmärkte haben. Zu den leichter einschätzbaren zählt die Zinsentwicklung. Steigende Zinsen erhöhen die Rendite eher risikoarmer Anlagen wie Festgeld, was die Kurse riskanterer Investments wie Aktien tendenziell dämpft. Steigende Leitzinsen werden eines der wichtigsten Themen für Börsianer im kommenden Jahr. Die scheidende Fed-Präsidentin Janet Yellen kündigte soeben eine weitere Steigerung an, die Europäische Zentralbank wartet ab. Längerfristig führt diese Konstellation auf der Währungseite dem Trend nach dazu, dass der Dollar zum Euro aufwertet — was eine positive Konstellation etwa für DAX-Konzerne ergibt, die viel außerhalb des Euroraums verkaufen. Tatsächlich wertet gerade der Euro gegenüber dem Dollar auf — ein Grund, weshalb der Leit-Index in den vergangenen Tagen teilweise unter Druck geriet. Es dürfte sich indes um eine kurzfristige Bewegung handeln, die auch mit der jüngsten politischen Schlappe von US-Präsident Trump zu tun hat: dem unerwarteten Gewinn eines Sitzes im US-Senat durch einen Demokraten. Langfristig stehen die Zeichen eher auf Euroschwäche — und so gesehen auf eine relative DAX-Stärke.

Enttäuschende Konjunkturdaten für Deutschland sind zuletzt selten geworden. Wie etwa der ZEW-Index, der sich im Dezember eine Ruhepause gönnt. Denn die Konjunkturerwartungen der vom ZEW befragten Finanzmarktexperten sind leicht zurückgegangen. Das derzeit noch unklare Ergebnis der Regierungsbildung in Deutschland habe die Erwartungen nicht signifikant beeinflusst, so ZEW-Präsident Achim Wambach. „Die Finanzmarktexperten sehen jedoch einen negativen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Brexit–Verhandlungen sowie anstehende Reformen der EU.“ Dennoch dürfte Deutschlands Wirtschaft weiter Fahrt aufnehmen. So hat das Ifo-Institut seine Konjunkturprognose gerade von 2,0 Prozent auf 2,6 Prozent Wachstum korrigiert, den höchsten Wert seit 2011.

Große Stücke hält der US-Ökonom Joseph E. Stiglitz auf Deutschland als Wirtschaftslokomotive innerhalb der EU, wie der 74-Jährige vergangene Woche der Wirtschaftszeitung „€uro am Sonntag“ verriet. „Was Deutschland ab 2018 braucht, ist eine stabile Regierung, sodass sich die immensen Ressourcen das Landes für die deutsche Volkswirtschaftvoll entfalten können, auch, um das Wachstum in Europa anzukurbeln.“ Für seine Heimat ist Stiglitz, der im Jahr 2001 den Wirtschaftsnobelpreis für Forschungsarbeiten über das Verhältnis von Märkten und Informationen erhielt, weniger zuversichtlich, insbesondere was Aktien anbelangt. „Die Anleger überschätzen die Steuerreformpläne der Trump-Regierung und sie unterschätzen die Gefahr weiterer Zinsanhebungen durch die US-Notenbank für den Aktienmarkt. Denn in den USA herrscht praktisch Vollbeschäftigung“, meint Stiglitz. Deshalb: „Ich wäre überrascht, wenn die Rally des Dow-Jones-Index im kommenden Jahr wie bisher weiterginge.“ Auch an einen weiteren Anstieg des Ölpreises glaubt der ehemalige Chefvolkswirt der Weltbank nicht. Der Verfall der Kosten für erneuerbare Energieträger, elektrische und selbstfahrende Fahrzeuge sowie der rasante Aufstieg energieeffizienter Lösungen für private Haushalte und Industrien würden die Ölnotierungen „in Schach halten“, so Stiglitz.

Es ist erneut ein Rekordjahr für die ETF-Branche. Bis Ende November 2017 waren knapp 4,7 Billionen US-Dollar in ETFsgebunden. Die Zuflüsse lagen bis November bei 576 Milliarden US-Dollar weltweit, im Gesamtvorjahr waren es gerade mal 380 Milliarden. Bei aller Euphorie wirft eine aktuelle Untersuchung des Analysehauses TrackInsight einen Schatten auf die ETF-Erfolgsgeschichte. Denn eines der wichtigsten Verkaufsargumente, dass ETFs den jeweiligen Index eins zu eins abbilden, stimmt nur bedingt. So warf der schlechteste MSCI-World-ETF in den vergangenen drei Jahren 0,9 Prozentpunkte weniger ab als der Index. Immerhin: Der beste ETF übertrifft denselben Index im gleichen Zeitraum um rund 0,7 Prozentpunkte. Ähnliche Differenzen gibt es auch bei anderen Leitindizes wie dem S & P 500 oder dem Euro Stoxx 50. Soll heißen: Anleger sollten nicht nur auf die Kosten des ETFs, sondern auch auf seine Performance in der Vergangenheit achten.


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Kommentare ( 3 )

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Hermann
6 Jahre her

Große Stücke hält der US-Ökonom Joseph E. Stiglitz auf Deutschland als Wirtschaftslokomotive innerhalb der EU, – wovon träumt dieser Mensch?

Jetzt wird auch noch ein deutscher Name benutz, Stiglitz.

Mehr Glaube gibt es nicht.

Deutsche werden nie mehr geben, was gegeben wird ist jetzt ohne Wert, und Worte sind sinnlose Geschenke. Ich bin ein Indianer

Wir werden erst jetzt …

Hermann
6 Jahre her

Wer glaubt so einen Schwachsinn?
Deutschland mit unter 20-Millionen produktiven Menschen kann sich selber nicht erhalten.
Glauben an Deutschland gab es zu DM-Zeiten, als Japan und USA gestützt wurden. Der Euro ist eine Nullwährung. Mario, entschuldige bitte, Du bist bestimmt ein lieber Mensch, aber, als etwas anderes als Lira und Goldman Sachs kennst Du nicht. Folglich kannst Du nicht anders handeln.
Jetzt steht etwas anderes auf dem Plan: Das Reich der ZinsesZins-Politik findet keine Fische Meehr.

Charlotte
6 Jahre her

Ich verstehe nicht, wie Deutschland zur Wirtschaftslokomotive werden sollte, weil Amerika die Unternehmenssteuern senkt. So ein Quark.
Ich arbeite freiberuflich seit ca 30 Jahren und seit ca. 15 Jahren nur noch für Tochterunternehmen amerikanischer Firmen in Deutschland. Ich würde lieber für deutsche Firmen arbeiten aber die geben mir keinen Job.
Wirtschaftslokomotive – einfach lächerlich.