Starke Aktien-Woche trotz Zinsverwirrung

Da funkte James Bullard, Präsident der Fedederal Reserve Bank von St. Louis und Mitglied des Offenmarktausschusses der US-Notenbank, ohne Vorwarnung gehörig dazwischen. Eine erste Zinserhöhung könne angesichts der hohen US-Inflation schon Ende 2022 notwendig werden. Prompt verlor der Dow Jones rund 500 Punkte binnen eines Handelstags.

© Getty Images

Nur zwei Tage zuvor hatte Fed-Chef Jerome Powell die Märkte auf zwei Zinserhöhungen Ende 2023 eingestimmt. Was war das also — eine Außenseitermeinung oder gar ein Versuchsballon der Fed? Powell ließ sich in der jüngsten Kongressanhörung nicht aus der Reserve locken. Anhaltende Inflation, wie sie die USA etwa in den 70er-Jahren gesehen haben, sehe er nicht. Zugleich räumte er ein: Bislang habe die Notenbank den Preisauftrieb unterschätzt und jener könne langwieriger sein als erwartet. Angesichts dieser Lage jedoch böte es sich durchaus an, die Marktreaktion auf raschere Zinserhöhungen einmal zu testen. Das Experiment, wenn es denn eins war, förderte zutage: Der Dow ist offenbar sensibler als gedacht (auch der zyklische DAX reagierte verschnupft). Die Techs aber zeigten sich überraschend widerstandsfähig, die Nasdaq markierte in der Folge gar ein neues Allzeithoch. ​

Die Standardwerte-Indizes an der Wall Street bauten dann auch am Freitag ihre jüngsten Gewinne aus. Der den breiten Markt abbildende S&P 500 erreichte sogar ein weiteres Rekordhoch und profitierte dabei unter andrem von einem rasanten Kursanstieg bei den Aktien von Nike. Der Sportartikelhersteller hatte überraschend starke Quartalszahlen vorgelegt. Positiv wirkten zudem weiterhin die zuletzt im Ringen um groß angelegte Investitionen in die amerikanische Infrastruktur erzielten Fortschritte, die als Anzeichen für eine anziehende Konjunktur in den USA gewertet wurden.

Der S&P 500 legte um 0,3 Prozent auf 4.280 Punkte zu. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial stieg um 0,7 Prozent auf 34.434 Punkte. Auf Wochensicht ergab sich damit ein Plus von 3,4 Prozent.

Für den technologielastigen NASDAQ 100 ging es nach der neuen Bestmarke vom Vortag um 0,1 Prozent auf 14.345 Punkte nach unten.

Nike profitierte kräftig vom Ende vieler Corona-Beschränkungen in den USA. Nachdem der Sportartikelhersteller das vergangene Quartal unerwartet stark abgeschlossen hatte, gibt sich die Konzernspitze auch mittelfristig optimistisch. Die Anteilscheine schnellten auf ein Rekordhoch und zogen am Ende als unangefochtener Favorit im Dow um 15,5 Prozent an.

Dagegen sackten die Papiere von FedEx als Schlusslicht im S&P 500 um fast vier Prozent ab. Für die von dem Logistiker vorgelegten Zahlen zum vierten Geschäftsquartal gab es zwar positives Feedback, als Belastung empfanden Händler aber den Ausblick auf das neue Geschäftsjahr, der laut einem Börsianer die Erwartungen wegen höherer Lohnkosten und einer niedriger als gedachten Produktivität verfehlte.

Die Tesla-Aktien büßten anfängliche Gewinne ein und gaben am Ende um gut ein Prozent nach. Der japanische Elektronikkonzern Panasonic hatte sein milliardenschweres Aktienpaket am Elektroautobauer und Batteriepartner zu Geld gemacht. Die Partnerschaft mit Tesla bleibt aber bestehen. Die Firmen betreiben zusammen Teslas Batterie-Gigafabrik im US-Bundesstaat Nevada.

Um knapp 39 Prozent schossen die Papiere von Virgin Galactic nach oben. Wie das Raumfahrtunternehmen berichtete, hat die US-Luftfahrtbehörde dessen Frachtlizenz für die kommerzielle Raumfahrt aktualisiert. Dies ermögliche es Virgin Galactic, Kunden ins All zu fliegen.

Der deutsche Aktienmarkt hatte sich zuvor kaum von der Stelle bewegt. Der deutsche Leitindex DAX schloss 0,1 Prozent im Plus bei 15.608 Punkten.

Auf Unternehmensseite standen insbesondere die Sportartikelhersteller im Fokus. Die positiven Zahlen von Nikeen der gesamten Sportartikel-Branche einen Auftrieb. Die Anteilsscheine des deutschen Konkurrenten Adidas stiegen in der Spitze um sechs Prozent auf 310,15 Euro und Puma kletterte um rund 3,8 Prozent.

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hellt sich derweil weiter auf. So stieg der Ifo-Geschäftsklimaindex im Juni auf 101,8 Punkte, nach 99,2 Punkten im Mai. Die Unternehmen bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage, aber auch die Aussichten fürs zweite Halbjahr als zufriedenstellend. Und auch der Einkaufsmanagerindex für den Juni kletterte von 56,2 auf 60,4 Punkte. Besonders auffällig ist, dass sich die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe trotz des ohnehin schon hohen Niveaus im Mai mit 64,5 Punkten nochmals um einen halben Punkt verbessert hat.

Vom Allzeithoch bei 116 Euro (Mai 1998) ist der Deutsche-Bank-Kurs mit knapp elf Euro weit entfernt. Aber wer bei gut fünf Euro zu Beginn der Corona-Krise einstieg, hat seinen Einsatz bereits verdoppelt. Das Beispiel Deutsche Bank ist für einen Teil des aktuellen Marktsentiments typisch, wie die Analyse des Analysten-Meinungsklimas von Media Tenor International zeigt. Die Einschätzungen der Experten zu Banken, die in Medien wie der „Financial Times“ zitiert werden, verbesserten sich gegenüber Pandemiebeginn stark: Betrug der Sentiment Score zu Banken im zweiten Quartal 2020 noch minus 28,9, so lag er im (angefangenen) zweiten Quartal dieses Jahres bei plus 13,3. „Die niedrigen Buchwerte zahlreicher europäischer Banken scheinen sich angesichts stabilisierender Erträge und ausbleibender Katastrophen bei den Kreditbücher ist in Kaufgelegenheiten zu transformieren“, erklärt -Matthias Vollbracht, Leiter Research beim Zürcher Medienanalyseinstitut.

Ein ähnliches Phänomen zeigt sich bei den etablierten Autoherstellern. Während sich das Meinungsklima zu Tesla zuletzt abkühlte, gibt es für Titel wie Volkswagen viel Zustimmung. „Neben spezifischen Fragen von Tesla — zum Beispiel zur Rolle von Emissionszertifikaten oder Bitcoin-Spekulationen als Profittreiber statt einer soliden Marge im Autovertrieb — scheint auch bei den etablierten Herstellern eine Art ‚Fundamentalwertanalyse‘ wieder verbreiteter“, so Vollbracht. Derzeit scheint wieder einmal die Stunde der Value-Analyse zu schlagen. Insgesamt wurden über 76 000 Aussagen ausgewertet.

Ein 25-Jahre-Rückblick zur Wertentwicklung von Investmentfonds mit dem Fokus deutsche Aktien zeigt, dass die aktiven Portfoliomanager sich nicht vor ihren Benchmarks verstecken müssen. Auf Platz 1 der Rangliste landete der DWS German Equities Typ O. Mit einer jährlichen Durchschnittsrendite von 8,7 Prozent ließ er nicht nur die Konkurrenz hinter sich. Er setzte er sich zudem vor seine Schwesterfonds DWS Deutschland und DWS ESG Investa, die größer und prominenter sind. Allerdings lagen diese beiden DWS-Fonds mit jährlichen Renditen von 8,2 und 7,6 Prozent ebenfalls vor dem DAX-Index, der im Zeitraum vom 1. Juni 1996 bis 31. Mai 2021 „nur“ ein jährliches Plus von 6,7 Prozent schaffte. Zudem lagen der Fondak, der Concentra sowie der Allianz Thesaurus von Allianz Global Investors in den vergangenen 25 Jahren vor dem DAX–Index. Bei Union Investment gelang dies zudem dem UniDeutschland sowie dem UniFonds.


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Kommentare ( 3 )

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Rafael
2 Jahre her

Der Goldpreis ist regelrecht eingebrochen, schlimmer als im März 2020. Mit Vernunft hat das nichts zu tun. Es ist lächerlich, dass die Ansage, irgendwann mal Ende 2022 den Zinssatz auf 0.25% zu heben zu solchen Verwerfungen führt, denn das ändert nichts substantielles an der Zinspolitik.

Außerdem kann die FED und auch die EZB die Zinsen nicht anheben, wenn sie nicht wollen, dass die US-Regierung, Italien und zahlreiche Unternehmen sofort zahlungsunfähig werden.

Die Zinsen werden nicht mehr steigen, nicht 2022 und auch nicht später. Man wird der Inflation hilflos beim Steigen zusehen und allen Akteuren noch mehr Geld hinterherwerfen.

Thorsten
2 Jahre her

Ein Großteil des Trading erfolgt heutzutage durch Programme. Sobald die andere Eingabedaten bekommen werfen ihre Modelle auch andere Ergebnisse raus. So kommt es schnell zu Verwerfungen.
Andere Indizies haben in den letzten Jahrzehnten besser abgeschnitten, siehe es S&P 500 oder Hang Seng Index.
Wegen der EZB-Schuldenpolitik ist eine globale Diversifikation überlebenswichtig, dazu gehören auch Rohstoffe und Gold (auch Minenaktien).

Rafael
2 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Gold ist aber nach dieser Nachricht stark gefallen, und die Minenaktien gleich mit. Weltweite Diversifikation ist kaum möglich, auch sogenannte Welt-ETFs sind meist mit über 50% in den USA investiert.
Außerdem fahren Europa, USA, Japan die gleiche Geldpolitik. Die Blase ist jetzt überall. Vielleicht wird sie deswegen nicht platzen.