Die Börsen-Party geht in der Lockdown-Verlängerung weiter

Es herrscht Party an den Märkten. Die großen Börsenindizes der Wall Street erreichten Mitte der Woche allesamt neue Spitzenstände. Auch der DAX markierte ein neues Allzeithoch.

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Es gibt viele gute Gründe, weshalb der deutsche Leitindex weiter steigen kann. Gleichwohl sei ein kritischer Blick auf das beliebteste Börsenbarometer der Deutschen erlaubt. Denn der DAX ist ganz anders als Dow Jones Industrial, S & P 500 oder Nasdaq 100 konstruiert. Er ist ein Performance-Index, in dessen Höhe die Dividendenzahlungen mit einfließen. Das korrekte Äquivalent zu den bekannten US-Barometern ist nicht der DAX, sondern der DAX-Kursindex. Dieser notiert mit etwa 6.040 Punkten noch deutlich unter seinem historischen Hoch von 6.426 Punkten von Anfang 2018. Was man daraus ablesen kann? Zunächst, dass sich die Wertentwicklung eines Investments in den DAX zu großen Teilen aus der Dividende speist. Und, dass der Leitindex im Gegensatz zu den US-Indizes nur wenige reinrassige Wachstumswerte enthält. Das wird sich übrigens auch durch die Indexumstellung im Herbst nicht ändern. Denn unter den heißesten Anwärtern sind zwar Wachstumstitel wie Hellofresh oder Zalando, aber auch konservative Werte wie Hannover Rück.

Nach dem Rekordhoch zum Wochenbeginn verlor der Aufwärtsdrang des DAX zuletzt etwas an Schwung. Sorgen vor einer anziehenden Inflation und steigenden Zinsen hielten Anleger zusätzlich zurück. „Es fehlen einfach frische Impulse und damit auch trotz neuer Rekordkurse die Überzeugung der Anleger, weiter in den Aktienmarkt einzusteigen“, kommentierte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Marktes. Gleichwohl ging der DAX am Freitag 0,1 Prozent fester bei 14.050 Punkten ins Wochenende.

Derweil ermunterte die Aussicht auf eine italienische Regierung unter Führung des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi Anleger zum Kauf italienischer Staatsanleihen. Die Mitglieder der 5-Sterne-Bewegung, die die größte Fraktion im Parlament stellt, hatten sich für eine Unterstützung Draghis ausgesprochen. Weitere Parteien hatten sich zuvor bereits ähnlich geäußert.

Als stärkster DAX-Wert ging Fresenius Medical Care ins Wochenende, gefolgt von den Aktien der Deutschen Bank und Infineon. Aktien aus der konjunktursensiblen Automobilbranche rutschten dagegen ans DAX-Ende. Am stärksten büßte das Papier von Volkswagen ein.

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Auch der Dow Jones gönnte sich am Freitag eine Auszeit und schloss kaum verändert. Der breiter gefasste S&P 500 wie auch der technologielastige NASDAQ 100 legten leicht zu. Die Anleger hätten sich vor dem langen Wochenende nicht allzuweit aus dem Fenster gelehnt, hieß es. Am kommenden Montag wird in New York anlässlich des „George Washington Day“ nicht gehandelt.

Der Dow Jones Industrial, der tags zuvor noch ein weiteres Rekordhoch von 31.543 Punkten erklommen hatte, schloss am Freitag 0,1 Prozent höher bei 31.458 Zählern. Daraus resultierte für den US-Leitindex ein Wochengewinn von rund einem Prozent. Der S&P 500 endete 0,5 Prozent im Plus bei 3.935 Punkten. Der NASDAQ 100 gewann 0,5 Prozent auf 13.808 Zähler.

Allgemein machten zuletzt die in den USA nachlassenden Corona-Infektionszahlen und das anziehende Impftempo Hoffnung. „Damit werden wirtschaftliche Lockerungen wahrscheinlicher“, schrieb Ökonomin Claudia Windt von der Helaba. Zur Förderung der Impfkampagne hat die US-Regierung mit den Herstellern Moderna und Pfizer einen Vertrag über jeweils 100 Millionen zusätzliche Corona-Impfdosen unterschrieben. Moderna-Aktien legten um 0,2 Prozent zu, Pfizer-Papiere stiegen um 0,8 Prozent.

Die Aktien von Walt Disney büßten nach den Quartalszahlen 1,7 Prozent ein und waren damit Schlusslicht im Dow. Die Pandemie belastet den Unterhaltungskonzern zwar weiter stark, wegen des boomenden Streaming-Geschäfts kehrte er im ersten Geschäftsquartal aber in die schwarzen Zahlen zurück und übertraf dabei die Erwartungen.

Noch im Dezember bezeichnete Elon Musk Bitcoin als „Bullshit“, nun investiert Musks Konzern Tesla 1,5 Milliarden US-Dollar in die Webwährung und akzeptiert diese als Zahlungsmittel. Und auch Kreditkartenanbieter Mastercard will in diesem Jahr mit der Öffnung seines globalen Netzwerks Kryptowährungen unterstützen. Doch wie stehen die Chancen, dass Bitcoin zu einer Währung wie viele andere wird? Eher schlecht, meint Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck: „Bitcoin gewinnt dadurch zwar etwas an Bedeutung, wird aber aus unserer Sicht weiterhin nicht zu einer echten Art Währung werden. Allein die enorme Volatilität zeigt, dass Bitcoin in dieser Form auch nicht auf dem Weg zu einer echten Anlageklasse ist“, meint Greil. „Weitere Konzerne könnten zwar Tesla folgen — jedoch erwarte ich, dass die Zukunft eher bei regulierten Digital- bzw. Kryptowährungen liegen dürfte.“ Ähnlich kritisch ist Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank: „Tesla-Chef Musk hat eine Anleihe bei Pippi Langstrumpf genommen: Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Er weiß genau, dass er dem Bitcoin mit seiner Aktion Auftrieb verleiht. Aber was ist mit der dramatischen, oft völlig intransparenten Schwankungsbreite, die auch auf anonyme Besitzer gigantischer Bitcoin-Vermögen zurückgeht?“

Die Analyse der Analystenzitate in internationalen Leitmedien wie dem „Wall Street Journal“ oder der „Financial Times“ durch das Züricher Inhaltsanalyseinstitut Media Tenor International zeigt, dass sich das Expertensentiment in den ersten Wochen des neuen Jahres für Autobauer, den Bau, den Immobiliensektor und den Technologiesektor gegenüber dem vierten Quartal verbessert hat. Auch bei den Versorgern sind die Einschätzungen der Analysten deutlich zuversichtlicher als zuvor. Und wo sehen die Experten Risiken? Der verlängerte Lockdown vielerorts hat das Sentiment für den Bereich zyklischer Konsum/Reise weiter einbrechen lassen. Auch im Rohstoffbereich und in der Chemie sind die Einschätzungen zuletzt deutlich weniger euphorisch als noch im vierten Quartal. Und auch für die Pharmabranche ist die Stimmung der Analysten deutlich rückläufig. Offenbar machen die Lieferprobleme mancher Hersteller den Finanzexperten Sorgen. Insgesamt wurden 16.135 Aussagen ausgewertet.

Ölkonzerne galten lange als Giganten der Börse und Dividendenstars für Anleger. Inzwischen werden sie von vielen angesichts des weltweiten Trends zur nachhaltigen Energieversorgung eher als Dinosaurier bezeichnet, die dem Untergang geweiht sind. Zuvor dürfte sich die bedrohte Branche aber noch das eine oder andere Mal im Überlebenskampf lautstark bemerkbar machen. So rechnet Allianz Research angesichts der angespannten finanziellen Verhältnisse der Konzerne auch infolge der Corona-Pandemie mit einer Fusionswelle innerhalb des Sektors. Schon machen sich Gerüchte breit über einen Megadeal zwischen den US-Giganten ExxonMobil und Chevron. Aber auch Spin-offs grüner Geschäftsbereiche und Joint Ventures dürften in naher Zukunft zunehmen.


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Kommentare ( 4 )

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Loewe
3 Jahre her

Solange die Zinsen bei Null sind und die Zentralbanken den Markt weiter mit Geld fluten geht dieses Geld in die Assets, da muß man kein Börsenexperte sein für diese Prognose. Daß Musk Bitcoin kauft bedeutet doch, daß der schonmal kein Vertrauen mehr in das Fiat-Geld hat.

StefanB
3 Jahre her

Die Börsenparty wird solange weitergehen, bis das Smartmoney seine überbewerteten Aktien großteils an das Dumpmoney verkauft hat. Das nennt sich Distributionsphase. Dann purzeln die Kurse, denn wesentliche Indikatoren stehen schon jetzt voll im roten Bereich. Zu nennen sind insbesondere das Price-Earnings-Ratio und die Margin-Debt. Nahezu gleiche Werte wie aktuell wurden zuletzt im Jahr 2000 und 2007 erreicht. Schaun mer mal…

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  StefanB

Nicht zu vergessen der Buffett Indikator (Marktkapitalisierung gegen BIP), die Put-Call Ratio…
ABER: Märkte können länger irren als man Geld hat dagegenzuwetten.
Und jetzt mit voller Feuerkraft der Notenbanken im Rücken.
Solange die Musik spielt, werde ich auf der Titanic tanzen.

Iso
3 Jahre her

Wenn Autohersteller mit der Spekulation in Bitcoin mehr Geld verdient, als mit dem Verkauf seiner Fahrzeuge, kann man getrost von einer Blase sprechen.