Der Spuk bleibt wohl länger, als anfangs von Optimisten erhofft

Für Aktienanleger bleibt die künftige Gewinnentwicklung der Unternehmen entscheidend. Und deren Schätzungen für 2020 werden weiter gesenkt. Damit bleiben die Börsen schwankungsanfällig. Die gute Nachricht: Die Kursausschläge nehmen ab.​

imago images / UPI Photo

Die Kursschwäche am vergangenen Mittwoch infolge des Crashs am Ölmarkt hat dem DAX nun den schlechtesten Tag seit fünf Wochen eingebracht, die Erholungsrally hat damit einen empfindlichen Rückschlag erfahren, auch wenn sich die Kurse am Donnerstag und Freitag wieder stabilisierten. Die US-Börsen konnten zumindest am Freitag nach einem schwerfälligen Start im späten Handel kräftig zulegen. Selbst der enttäuschende Ausblick des Chipgiganten Intel geriet in den Hintergrund und wurde letztlich ignoriert. Insgesamt sei der Tag nach dieser sehr turbulenten Woche recht ruhig verlaufen, hieß es. Der Leitindex Dow Jones Industrial ging mit einem Plus von 1,1 Prozent auf 23.775 Punkten ins Wochenende, nachdem er im frühen Geschäft kaum über seinen Vortagesschluss hinausgekommen war. Im Wochenverlauf steht damit dennoch ein Verlust von knapp zwei Prozent zu Buche. Der marktbreite S&P 500 rückte am Freitag um 1,4 Prozent auf 2.837 Zähler vor. Der NASDAQ 100 stieg um 1,7 Prozent auf 8.787 Punkte.

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Der Dax schloss bei 10.336 Punkte und verbuchte auf Wochensicht ein Minus von 2,7 Prozent. Börsianer führten die Verluste unter anderem auf eine sich abzeichnenden Erfolglosigkeit des Medikaments Remdesivir des Pharmakonzerns Gilead Sciences im Einsatz gegen Covid-19 zurück. Daneben begründeten Marktteilnehmer die Vorsicht von Anlegern mit der fortdauernden Ungewissheit, wie sehr die Corona-Krise in den kommenden Quartalen auf die Ergebnisse der Unternehmen durchschlägt. Rund ein Drittel der 30 Dax-Konzerne veröffentlicht in der kommenden Woche Quartalsberichte. Investoren dürften vor allem darauf schauen, ob die Unternehmen angesichts der Corona-Krise überhaupt Aussagen für die kommenden Monate wagen – und wie diese ausfallen. Viel Optimismus ist wohl bei den meisten nicht zu erwarten. Für den MDAX der mittelgroßen Werte ging es am Freitag um 1,2 Prozent auf 22.241 Punkte nach unten.

Allmählich sickert die Erkenntnis ins kollektive Bewusstsein, dass der Spuk wohl länger bleibt, als anfangs von Optimisten erhofft. In Deutschland wird die Maske vielerorts Pflicht, ein Medikament oder gar Impfstoff gegen Corona ist noch nicht in Sicht – obwohl erste klinische Tests hierzulande soeben gestartet wurden. Für Aktienanleger bleibt jedoch die künftige Gewinnentwicklung der Unternehmen entscheidend. Noch aber werden die Schätzungen für 2020 weiter gesenkt. Damit bleiben die Börsen schwankungsanfällig. Die gute Nachricht: Die Kursausschläge nehmen, trotz des DAX-Rücksetzers, ab.​

Der ZEW-Index gilt als schwankungsanfälliger Konjunkturindikator, werden doch Finanzprofis abgefragt, deren Stimmung sich stärker zwischen Überschwang und Depression bewegt als die Einschätzungen der Manager in der Realwirtschaft. Seinem Ruf wurde der ZEW vergangene Woche eindrucksvoll gerecht. So schoss das Barometer der Erwartungen für die nächsten sechs Monate im April um 77,7 auf plus 28,2 Punkte, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung mitteilte. „Die Finanzmarktexperten sehen Licht am Ende eines sehr langen Tunnels“, so ZEW-Präsident Achim Wambach. Ab der zweiten Jahreshälfte rechneten die Profis wieder mit einem Wachstum. Die Finanzmarktanalysten setzten dabei auf die Rettungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank und der EU-Staaten. Die Lage hatten die Börsianer im April noch deutlich schlechter bewertet: Damals brach das Barometer um 45,4 auf minus 93,9 Zähler ein.

Die Märkte für Hochzinsanleihen haben eines der schlechtesten Quartale aller Zeiten verzeichnet. Knapp 14  Prozent verloren globale High-Yield-Fonds in den ersten drei Monaten 2020 im Schnitt. Doch die Historie hat auch tröstliches parat. So erkennt Michael Gollits, Vorstand der Vermögensverwaltung von der Heydt & Co. AG und Fondsmanager des OVID Infrastructure HY Income, in den vergangenen Krisen ein Muster. „Die Notenbanken senken massiv die Zinsen, der Dollar neigt in solchen Phasen zur Schwäche, und die Regierungen reagieren mit fiskalischen Maßnahmen. Das alles wiederholt sich auch jetzt.“ Daraus resultieren gerade bei High-Yield-Anleihen große Investitionschancen — vor allem in Europa und Asien, wo die Kreditwürdigkeit der Unternehmen höher als in den USA ist. „Die dramatische Ausweitung der Spreads bietet zurzeit einzigartige Einstiegschancen mit wahrscheinlich historisch hohen Renditen in den kommenden zwei, drei Jahren.“ Zugekauft hat Gollits etwa im Bereich erneuerbare Energien. Etwas zurückhaltender äußert sich Thomas Hanson, Leiter High Yield Fixed Income bei Kames Capital. „Trotz attraktiver Titelbewertungen sollten Investoren bedenken, dass diese Krise ganz anders ist als alles, was der Markt bisher erlebt hat. Wir befinden uns in Bezug auf die wirtschaftlichen Auswirkungen einfach auf unbekanntem Terrain.“

Nicht nur Rohöl, auch die konjunktursensiblen Industriemetalle wie Aluminium oder Kupfer waren zuletzt unter Druck. Einzig die für die Bergbaubranche wichtigen Eisenerznotierungenhielten sich stabil. Denn auf der einen Seite drosseln immer mehr Minenkonzerne ihre Förderung infolge der Corona-Krise. Gleichzeitig stieg zuletzt die Nachfrage aus China wieder, dem größten Stahlproduzenten der Welt. Somit hält sich der Preis für das Erz bei rund 80 US-Dollar je Tonne. Das ist ein gutes Geschäft für die Top-Produzenten Vale, Rio Tinto und BHP Billiton, die das Erz für rund 14 Dollar aus der Erde holen. Aber auch die Minenwerte mussten zuletzt Federn lassen. Denn die Stahlproduktion außerhalb Chinas könnte in diesem Jahr wegen der Corona-Krise im zweistelligen Prozentbereich einbrechen.


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Kommentare ( 15 )

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Wolfgang M
3 Jahre her

Nehmen wir die DAX-Zahlen: 02.01.19 10.580 Jahresanfang 2019 02.01.20 13.386 Jahresanfang 2020 19.02.20 13.780 Jahreshoch 2020 18.03.20 8.442 Jahrestief 2020 28.04.20 10.881 heute Gegenüber Jahresanfang 2019 liegt der DAX heute praktisch auf derselben Höhe. Woher kommt diese Aufregung? Wo ist der Crash? Von 19.02.20 bis 18.03.20 gab es einen rasanten Absturz: -39%, in einem Monat! Inzwischen gibt es schon wieder eine Erholung: +29% Wie es weitergeht, weiß niemand. Die Gurus (Analysten) lesen auch nur aus dem Kaffeesatz. In der Vergangenheit haben sie schon so häufig Unsinn vorausgesagt. Wer mal etwas richtig vorausgesagt hat, hat nur Glück gehabt. Hat etwa einer… Mehr

WandererX
3 Jahre her

Unsinn, es ist Merkels spießbürgerliche Bigotterie, und sie ist weder links noch liberal, sondern besteht aus bürgerlich- weiblicher Furcht.

WandererX
3 Jahre her

Grossteile der Wirtschaft werden NICHT mehr sehr lange leiden, schon weil wir uns ein Hinhalten auf Niedrigniveau in den meisten Branchen gar nicht lange leisten können und das auch keinen Sinn macht- und dauch die Anchfrage aus dem Ausland bald wieder anziehen wird. Die Industrie wird bald wieder zu 90% arbeiten, nur Gastgewerbe und Tourismus bleibt teils heftig unten. Es ist völlig unsinnig, jetzt in allen Branchen uninvestiert zu bleiben, ein Halbeinstieg macht auf jeden Fall Sinn. Meist täuschen sich bei einem Tief die Analysten sehr sehr lange und predigen Alarmismus, und drehen sich dann sehr spät erst, das kenne… Mehr

Besserwisser
3 Jahre her

… was nicht geht.

alf1
3 Jahre her

Letzter Absatz ist das Dilemma auf den Punkt gebracht – gefällt mir.

Peter Pascht
3 Jahre her

„Der Spuk bleibt wohl länger, als anfangs von Optimisten erhofft“ So kommt es wenn unwissendes aber auch ungebildete Menschen die Macht über „die vollziehende Macht“ des GG erhalten. Wie auch im Umgang mit der Epidemie, so auch im Umgang mit der Wirtschaft zeigt sich nur ein unverstandenes willkürliches und chaotisches Handeln, ohne Ursache und Begründung. Man meint zuerst dies und dann das und danach jenes. Zur Rechtfertigung seiner eigenen unwissenden persönlichen fanatischen Überzeugung sucht man sich dann einen „Experten“ welcher der gleichen unbelegten Meinung ist, denn „Experten“ gibt es in Krisenzeiten wie Sand am Meer, man kann sich immer den… Mehr

Manfred Gimmler
3 Jahre her

Was bitteschön mag denn die Börse nach dem „Blitz-Crash“ vorwegnehmen?

Ganz einfach: Die Zentralbanken werden Geld drucken – ein letztes Mal.

HGV
3 Jahre her

Die zentrale Frage in Deutschland wird sein, wie die Industrie angefahren wird. Wird man damit beginnen, Industrieproduktion so hoch zu fahren, wie vor der Krise, z.B. mit der klassischen Automobilindustrie, Benzin und Diesel, ggf. gefördert oder setzt man direkt auf ökologischen Wandel? Die letzten Kommentare aus der Politik, den Medien, dem ÖRR und den FFF lassen da nicht viel Positives vermuten. Solange die Politik in Europa die Rahmenbedingungen nicht sauber definiert, wird es daher immer wieder Schwankungen geben. Wie wird die USA aus der Krise kommen? Wird Trump eine zweite Amtszeit bekommen und wie wird die EU mit China als… Mehr

TH-Kartoffel
3 Jahre her
Antworten an  HGV

Selbst in der Industrie gibt es nur noch kurzfristiges Subventionsdenken. Die Industrie setzt also weiter auf Selbstvernichtung. Siehe hier:
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Viele-Firmen-fordern-ehrgeizige-Klimapolitik-article21741294.html

Peter Pascht
3 Jahre her
Antworten an  TH-Kartoffel

„Die Industrie setzt also weiter auf Selbstvernichtung“
Falsch 😉 , sie setzt auf Selbsterhalt durch Subventionen und Begünstigungen, welche sie schon seit Jahren von er deutschen Politik erhält, bis hin zu Betrug („Abgasskandal“). Es ist also die Politik welche den Managern den Weg bereitet um dann Hand in Hand durch Betrug das große Geld zu machen.
Dass dieser Weg der falsche ist, fällt erst dann auf, wenn am Ende des Weges die Katastrophe zugeschlagen hat.

Silverager
3 Jahre her
Antworten an  Peter Pascht

Also hat die TH-Kartoffel am Ende doch recht: die Industrie setzt auf Selbstvernichtung

BOESMENSCH
3 Jahre her

Solange das Problem der extremen Überbevölkerung, der extremen Bevölkerungsdichten und der anhaltenden Bevölkerungsexplosion nicht gelöstvwird, solange wird der Spuk sich noch steigern.

Aber kaum einer wird das merken, da der Spuk ständig seinen Namen ändert.
Mal heißt er Blitz-Pandemie, dann wieder Klimawandel, Artensterben oder Massenmigration,……

#BirthControlForFuture

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

Und dann die ganzen neuen Allzeithochs. Amazon z.B. Oder Zoom Video Communications. Veeva Systems.
Viele kleine und kleinste Unternehmen sind tot, Zombies sind noch zombiefizierter und haben Staat, was viel schlimmer ist als Corona. Die gesunden Unternehmen laufen wie verrückt. Thermo Fisher Scientific. Abott Labs, Allzeithochs wohin man schaut. Microsoft, Alphabet, Facebook sind die nächsten. Die Payment Aktien bereiten sich auf den Sprung vor, Mastercard, Visa, PayPal, Square. Man kann noch ein paar „Langweiler“ und Nachzügler einsammeln, aber der große Sonderausverkauf ist vorbei.

Besserwisser
3 Jahre her

Nettes Portfolio. Alles Amerikaner. Den zeigen wir jetzt, wie es geht. (Satire ab)

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Besserwisser

Ja, wenn es mal meins wäre… Ist es aber leider nur zum Teil. Immerhin sind AMZN, TMO, GOOGL, VEEV, TTD, MA, SQ, FB bei mir drin. Und ECL, DHR, DIS, WM, CTAS, TTD, AYX, ZS, DOCU, ILMN. Alphabet heute vorbörslich +8%, Facebook +4%. Gestern ging es schon mit Ecolab kräftig aufwärts. Danaher ist auch schon längst wieder auf Allzeithoch. Ich sammle noch ein bissl bei WM, ILMN und DIS, der Rest muss erstmal wieder korrigieren. Hoffe sehr, dass Amazon und Thermo Fisher noch mal zurückkommen. Ja, ich weiß natürlich, dass Amerika steht am Abgrund steht. Seit zwanzig Jahren tut es… Mehr