DAX mit Verlustwoche, Wachstumsindikatoren widersprüchlich

Zehnter Jahrestag der Finanzkrise nähert sich, weiterer Auftragsrückgang in Deutschland, Zuspitzung im Handelskonflikt zwischen den USA und China, Italiens Wirtschaftsminister drängt auf Neuverschuldung von unter 2 Prozent

© Getty Images

Der zehnte Jahrestag des Lehman-Crashs rückt näher. Kann die Diskussion über ein gespenstisches Ereignis in der Vergangenheit die Aktienkurse der Gegenwart belasten? Durchaus möglich. Die Erinnerung an eine große Krise verdeutlicht die Risiken des Aktienmarkts, die viele Anleger infolge der — nach historischen Maßstäben langen — Rallye vermutlich verdrängt haben. Und natürlich gibt es da immer noch die Diskussion um die Neuorganisation des Welthandels, die US-Präsident Donald Trump mit der Verhängung von Zöllen erzwingen will. Sollte es bis zu einer Einigung länger dauern, bedeutete das für die exportstarke deutsche Wirtschaft eine deutliche Belastung.

Vor diesem Hintergrund ging am Freitag eine verlustreiche Woche zu Ende. Der Dax konnte im späten Handelsverlauf seinen Tagesverlust zwar fast ausbügeln. Der deutsche Leitindex blieb aber mit 11.960 Punkten unter der psychologisch wichtigen Marke von 12.000 Punkten, unter die er am Vortag erstmals seit April gefallen war. Experten halten deshalb einen weiteren Rückfall für möglich. Für die zurückliegende Woche summiert sich der Kursverlust im Dax auf mehr als drei Prozent.
Auch die Währungsbewegungen machen dem DAX das Leben derzeit schwer: Nach Berechnung der Unternehmensberatung EY sind den Indexmitgliedern im zweiten Quartal durch den erstarkten Euro fast zehn Milliarden Euro an Umsatz entgangen.

Anlass zur Sorge gab auch der Auftragseingang. Die deutsche Industrie hat im Juli zum zweiten Mal in Folge weniger Aufträge erhalten. Das Minus betrug 0,9 Prozent — Vorabschätzungen gingen von einem Anstieg um 1,8 Prozent aus. Gleichzeitig hob aber das Ifo-Institut seine Konjunkturprognose für 2018 und 2019. In beiden Jahren rechnet es nun mit 1,9 Prozent Wirtschaftswachstum, für 2020 mit 1,7 Prozent Wachstum. „Wir haben es derzeit mit einer starken Konjunktur in Deutschland zu tun. Sie wird in diesem und im kommenden Jahr maßgeblich vom privaten Konsum getragen, der von einer steigenden Beschäftigung
und kräftigen Einkommenszuwächsen profitiert“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Ifo-Konjunkturforschung. Das wiederum gibt Anlass zur Hoffnung, dass sich auch die Kurse demnächst erholen werden.

Die Aussicht auf eine weitere Eskalation im Handelskonflikt zwischen den USA und China hat auch die US-Börsen mit Verlusten in das Wochenende gehen lassen. Die Abgaben waren jedoch überschaubar: Der Dow Jones Industrial verlor am Freitag 0,3 Prozent auf 25.917 Punkte. Auf Wochensicht bedeutete dies ein kleines Minus von 0,2 Prozent.
Während sich der Handelskrieg zuspitzt, läuft die US-Konjunktur weiter auf Hochtouren. Die Beschäftigung stieg im August stärker als erwartet. Auch der Anstieg der Löhne und Gehälter übertraf die Annahmen von Volkswirten. Das dürfte den privaten Konsum, die bei weitem wichtigste Stütze der US-Wirtschaft, weiter antreiben. Beobachter merkten allerdings an, dass die US-Notenbank Fed die Zinsschraube nun stärker anziehen könnte als bislang erwartet.

Der S&P 500 sank um 0,2 Prozent auf 2.872 Zähler. Der NASDAQ 100 gab um 0,3 Prozent auf 7.430 Zähler nach. Der Technologie-Index hatte in den vergangenen drei Tagen kontinuierlich verloren. Seit Wochenbeginn beläuft sich das Minus auf knapp drei Prozent.

Die Sorgen um Italiens Finanzpolitik haben vergangene Woche wieder ein wenig abgenommen. In der Hoffnung auf einen italienischen Staatshaushalt im Rahmen der EU-Vorgaben griffen Anleger bei Anleihen der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone wieder zu. Experten zufolge drängt Wirtschaftsminister Giovanni Tria die Koalitionsparteien in Rom, die Neuverschuldung im Etat für 2019 unter zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu halten. Zudem gibt es einige mildernde Faktoren, die einem aktuellen Anleihecrash Italiens entgegenwirken: „Italien hat — vor Zinszahlungen — einen Haushaltsüberschuss und einen Leistungsbilanzüberschuss. Damit ist das Land nicht von ausländischen Investoren abhängig, um sich über Wasser zu halten“, meint Jon Day, Global Bond Portfolio Manager bei Newton IM. Italienische Anleger hätten in der Regel einen großen Teil ihrer Ersparnisse in italienische Staatspapiere investiert.

Die norwegische Regierung will bei ihren Anlagen stärker auf Umweltschutz und die Wahrung der Menschenrechte achten. So soll der eine Billion Dollar schwere Staatsfonds des Landes nur noch in Unternehmen investieren, die streng nachhaltig wirtschaften. Aber nicht bei allen Großinvestoren ist nachhaltiges Investieren so populär, so das Ergebnis der „Schroders Institutional Investor Study 2018“, an der 650 institutionelle Investoren mit einem Anlagevermögen von rund 24 Billionen US-Dollar teilgenommen haben. Demnach ist Nachhaltigkeit für institutionelle Anleger immer noch ein vergleichsweise nachrangiger Faktor. Annähernd ein Drittel der Befragten gab an, dass Überlegungen zur Nachhaltigkeit der Kapitalanlage wenig bis gar keinen Einfluss auf ihren Investment-Entscheidungsprozess habe. Ausschlaggebend seien dagegen Faktoren wie strategische Vermögensallokation, Erfolgsbilanz des Fondsmanagers, erwartete Rendite und die Risikotoleranz. Über drei Viertel der Investoren räumten ein, dass ihnen nachhaltiges Investieren Schwierigkeiten bereite.​

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Kommentare ( 3 )

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Old-Man
5 Jahre her

Ein alter „Freund“,schon lange tot hatte mir in seinem Buch geraten nur Dinge zu kaufen,die jeder braucht,also zum Leben braucht.Dieser Rat war vor 25Jahren gut,und ist es auch heute noch. André Kostolany sagte einst: „Das Verhältnis von Wirtschaft zur Börse ist wie das eines Mannes auf einem Spaziergang mit seinem Hund.“ Wer also auf den schnellen Euro aus ist,der sollte lieber Poker spielen,für eine solide Anlagetaktik braucht man langen Atem,und besonders Geld,auf das man in den nächsten Jahren nicht unbedingt angewiesen ist,sonst wird das nichts. Wer überlegt anlegt,wer sich nicht von den Latrinenparolen der Politik und der EZB verückt machen… Mehr

Goldenmichel
5 Jahre her

Aber bis dato hatten wir eine wundervolle -Wirtschaftserholung-, nicht zuletzt Dank der mutigen Entlassungen bei Telekom, Siemens, Deutsche Bank, Krupp und Co.
Das hat alles natürlich nichts mit Herrn Drahgi’s Bazooka zu tun.

Thorsten
5 Jahre her

Die Krise ist noch nicht beendet, geschweige denn abgerechnet oder gar abbezahlt. Die Notenbanken weltweit sind immer noch im Krisenmodus, die Schulden sind in irgendwelchen „Vehikeln“ wie ESM oder Target-2 versteckt. Dazu kommen Staatsschulden ohne Ende.

Das ganze Fiat-Money System ist ein Kartenhaus, und wer ohne Sachwerte-Besitz ist, könnte eines Tages sehr dumm aus der Wäsche schauen. Schulden zu haben ist, heutzutage sicherer….