Maybrit Illner: Musterschüler und glühende Europäer

Nein, damit sind nicht die Polen gemeint, die Ungarn oder die Franzosen. Die Migranten bereichern den alten Kontinent auf vielfältigste Weise. Befand die Illner-Runde neben Kontingent- und Obergrenzen-Talk.

Wie haben die Trüffelschweine vom ZDF nur diesen Firas Al Habbal ausgebuddelt? Ein Syrer, wie er im Integrationsbuche steht! Adrett, sympathisch, arbeitet in der Flüchtlingshilfe zu Bautzen, will so schnell es geht hier sein Medizintechnik-Studium fortsetzen, und danach Deutschland etwas zurück geben, für all die Unterstützung, die er erfahren hat.

Der Mann war eine Bereicherung für Maybritt Illner und ist eine Bereicherung für dieses Land, und wenn man Malu Dreyer, der SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz glauben mag, dann ist er nicht einmal eine Ausnahme. „Die Leute wollen lernen, lernen, lernen“, schwärmt sie von den Flüchtlingen in ihrem Bundesland. Schon in der Erstaufnahme in RP würden „die ersten deutschen Sätze gelehrt“. Der zynische Volksmund wird den Satz so kolportieren: „Da unten geht’s zur Kasse.“

Elias Bierdel, hauptberuflicher Flüchtlings-Aktivist, hat das letzte halbe Jahr auf Lesbos zugebracht und festgestellt, dass „die Flüchtlinge glühende Europäer sind, und wenn wir die zulassen, werden wir was gewinnen“.

Mit Carsten Linnemann, Vorsitzender der CDU Mittelstandsvereinigung und Ulrich Reitz, Chefredakteur vom „Focus“, saßen auch Realisten am Tisch. Letzterer machte sehr früh deutlich, dass man unterscheiden müsse zwischen den Migranten, die bleiben dürfen und denen, die kein Recht auf Asyl haben. Das würde dem Thema Aufnahme-Obergrenze schnell die Schärfe nehmen.

Wenn man denn mit der Rückführung Ernst macht. Aber schon die rotgrüne Landesregierung von NRW zeigt, dass da für Hoffnung wenig Anlass besteht. (Hinzu kommt, dass laut Linnemann „300.000 Ausreisepflichtige einfach im Lande verschwunden sind.“)

Bürgermeister und Landräte werden es den bunten Träumern danken. Denn es herrschte eine gewisse Einigkeit am Illner-Tisch: Die Kapazitätsgrenzen sind erreicht, Bürokratie und freiwillige Helfer überfordert. Sogar SPD-Frau Dreyer täte sich eine Pause von einem Jahr wünschen, bevor die nächste Welle ante portas steht. Nun, man kann nicht alles haben.

Über eine Kontingentlösung wollte Maybrit Illner reden, und Carsten Linnemann beschied, dass Kontingente eine Europa-Lösung seien, die nur funktioniert, wenn die Außengrenzen funktionieren und die europäischen Partner ebenfalls Kontingente übernehmen würden. Aber das tun die natürlich nicht. Die Osteuropäer nicht, die Briten nicht und auch die Franzosen sagen „non“. Und Uli Reitz, der charmant mit seinem direkten Draht zur Kanzlerin kokettiert, meldet schon mal, wo Merkels Reise eigentlich hinführen soll: Sie will Dublin erhalten und Schengen soll bleiben. Dazu will sie in Hotspots an den EU-Grenzen investieren. Danke für ein wenig Licht im Tunnel! Aber, leider, auch Merkel-Vertrauter Reitz ist pessimistisch, dass die Kanzlerin die EU überzeugen kann. „Wir haben eine Spaltung in Europa.“ EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigt schon mal die Stimmung an: „Manche sagen, die Flüchtlingswelle ist zu groß, um sie zu stoppen. Ich sage, die Flüchtlingswelle ist zu groß, um sie nicht zu stoppen.“

Also zurück zur Obergrenze. Carsten Linnemann setzt auf den nächsten CDU-Parteitag: Sachsen-Anhalt will eine, Niedersachsen will eine. „Da wird Frau Merkel deutliche Worte hören“, verspricht der nette Herr L.. Zunächst wird wohl Wolfgang Schäuble die Zahlungsanweisung für ein paar Milliarden an Herrn Erdogan hören.

Reitz fühlt sich mit dem Autokraten in Ankara nicht ganz wohl, Malu Dreyer schon. Sie hat Angst, dass der sonst noch mal zwei Millionen rüber schickt. Dass sie so dann auch eine Art Obergrenze hinkriegen würde, dürfte ihr nicht einmal aufgefallen sein.

Wenn der Leser bislang grünen Pathos vermisst haben mag, soll er gerne nachgereicht werden. Kübra Gümüsay, 27, vorgestellt als Journalistin und Bloggerin, forderte, adrett in ein kleidsames Kopftuch gehüllt, „wir müssen Deutsch sein über unsere Werte definieren.“ Und „dass wir die Flüchtlinge als Gestalter, Unternehmer und Arbeiter mitgestalten lassen müssen.“

Für das Über-Idealistische fand sich kein Kommentator. Der Blick des Rezensenten fiel unterdes auf die Studiodekoration: Im Hintergrund prangte in großen Lettern INTEGRATION mit einigen bunten Puzzleteilchen. Und die Gedanken schweiften zu Frau Nahles, die die berufliche Integrationsfähigkeit 90 Prozent der Migranten abgesprochen hatte.

Ein Großteil der Deutschen wird alle Hoffnung in unsere Problemlösungselite fahren gelassen haben, eher abgestoßen sein von verwirrendem Kleinklein, die Migranten aber hören ganz genau hin. Per Handy werden die neuesten Entwicklungen ausgetauscht. In Großbritannien, weiß auch unser pfiffiger Syrer, ziehen sich die Asylverfahren noch länger hin, und es gibt Probleme mit dem Familiennachzug. Frankreich überprüft die Registrierungen der Fingerabdrücke in Ungarn. Deutschland kommt dem Paradies am nächsten. Noch? Schon sollen Einzelbefragungen der Migranten durchgeführt werden.
Bislang konnte jeder Afrikaner, Albaner oder Pakistani auf einem DIN A4 Blatt ankreuzen: Herkunftsland Syrien. Fertig war der Lack. Man mag so etwas gar nicht glauben.

Es ist ein wenig wie mit Griechenland und dem Euro. Im Monatstakt werden Milliarden überwiesen, regelmäßig medial Forderungen und Beschimpfungen hin und hergeschickt, jede Olivenernte als wirtschaftlicher Aufschwung gefeiert, aber nur ganz Dumme ahnen nicht, dass sie schwer verschaukelt werden.

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