Tichys Einblick
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Schafft Sprache Wirklichkeit und wird es die von Robert Habeck sein?

Robert Habeck legte 2018 ein Büchlein mit dem Titel „Wer wir sein könnten“ vor und darin seine politische Grundüberzeugung dar. Ein Beitrag von Jochen Heistermann analysiert Habecks Thesen.

imago images / Future Image

Die EU-Wahl hat gezeigt, dass sich die politische Landschaft in Deutschland dramatisch und schnell verändert. Das Thema „Migration“ wurde von der „Klimadebatte“ verdrängt und es gab eine erdrutschartige Verschiebung innerhalb des linken Wahllagers weg von SPD und Linkspartei hin zu den Grünen. Die Grünen bestimmen mit ihren Themen derzeit die politisch-mediale Debatte und stellen mit Robert Habeck den wohl einzigen charismatischen Politiker in Deutschland. Die AfD wurde erfolgreich an den Rand gedrängt und ihre Themen bzw. Positionen spielen im medialen Diskurs derzeit keine Rolle. Stattdessen gelang es den Medien, die linken Modethemen zu personifizieren (teilweise sogar zu infantilisieren) mit Greta Thunberg, Kevin Kühnert oder dem linken „Youtuber“ Rezo.

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Robert Habeck ist genau der Politiker, auf den die Medien gewartet haben. Er hat eine positive Ausstrahlung, vertritt den linken Mainstream, agiert gegen „rechten Populismus” und verwendet eine eloquente, gemäßigte Sprache, die ihn nicht zur Führungsfigur der Linken macht, sondern auch die bürgerliche Mitte erreicht. Auf der anderen Seite verblasst der Stern Merkels zusehends und die designierte Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer stolpert von einer Verlegenheit in die nächste. Insbesondere ihre wenig souveräne Reaktion auf das Ergebnis der EU-Wahl lässt nicht nur bei jungen Leuten Zweifel an ihr aufkommen.

Aufgrund des steilen politischen Aufstiegs von Habeck bietet sich ein Artikel über seine politische Einstellung an. Er hat 2018 ein Büchlein mit dem Titel „Wer wir sein könnten“ vorgelegt und stellt darin seine politische Grundüberzeugung dar. Dieser Artikel analysiert und bewertet seine Thesen, die Titel Unterkapitel dieses Artikels entsprechen denen des Buches.

Sprache schafft Wirklichkeit

Schon das erste Kapitel stellt eine wesentliche Grundüberzeugung Habecks dar, Sprache würde die Welt schaffen und diese nicht nur abbilden. Diese Position wird besonders von Anhängern der Philosophie des Konstruktivismus oder der sogenannten „Gender Studies“ vertreten, die davon ausgehen, dass Sprache die Welt erst erschafft!

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Robert Habeck gibt auch gleich ein praktisches Beispiel an, wie Sprache zu Konsequenzen in der realen Welt führt. Er nimmt den Sommer 2018 und das Beispiel Chemnitz und schreibt „wenn aus politischer Jagd Jagd auf Menschen wird“. Wenn man allerdings die Faktenlage nüchtern betrachtet, dann wurden ohne konkreten Anlass in Chemnitz drei Menschen niedergestochen (einer verstarb sofort, der Gesundheitszustand der beiden Anderen ist mir nicht bekannt) und für die von Habeck zitierten Hetzjagden gibt es bis heute keinerlei Belege. Ganz im Gegenteil, Tichys Einblick brachte sogar eine Widerlegung des einzigen Videos, welches eine Hetzjagd darstellen sollte.

Habeck führt weiter aus, dass sein Buch auf der Ebene der politischen Sprache bliebe. Mir ist das ehrlich gesagt für einen Politiker zu wenig, Politik in einer Demokratie darf nicht nur die Realität konstruieren, sondern muss immer Bezug nehmen auf die gesellschaftliche Realität. Das Wesen der Demokratie ist nämlich, dass die politischen Führer die Bürger und ihre Anliegen im jeweiligen Land vertreten. Demokratie ist grundsätzlich nach dem Prinzip „bottom-up“ aufgebaut, also von den Bürgern hin zu ihren Vertretern. Habecks Sicht ist, dass die Sprache der Politik die Realität der Bürger schafft, also „top-down“, was genau das Gegenteil des ursprünglichen demokratischen Ansatzes darstellt.

Sprache ist Handlung

Diese These begründet Habeck damit, dass politische Sprache in Gesetze gegossen wird, die später die Wirklichkeit bestimmen. Er bemängelt allerdings, dass die Sprache durch die „Rechten” missbraucht würde. Er sieht bereits Folgen der „rechten“ Radikalisierung der Sprache wie den Brexit, die Wahl Trumps zum Präsidenten oder den Aufstieg der „Rechten” in Italien. Es gibt natürlich Gründe für den Brexit oder die Wahl Trumps, aber eine weitere Analyse scheint nicht nötig zu sein, da er mit der Sprache bereits den Schuldigen ausgemacht hat.

Ich kann Habeck insoweit folgen, da er sogar einräumt, dass die Sprache der „Linken” „manchmal bevormundend und ausgrenzend“ sei. Politik und Medien benutzen die „linke” Sprache der politischen Korrektheit, welche Negativurteile über Minderheiten nicht mehr zulässt und Pauschalisierungen nur gegen Gegner der „Linken” und weiße Menschen erlaubt.

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In der Praxis gelingt es aber gerade den Grünen, Sprache in Handlung umzusetzen. Bei der emotional aufgeladenen Klimadebatte schaffen die Medien die Problematik durch hüpfende, schulschwänzende Kinder auf Kohleausstieg und Dieselverbote zu reduzieren („Wer nicht hüpft, ist für Kohle“). Dabei ist gerade bei der Problematik von CO2 die Wahrheit ganz anders, wie beim  Thema „Regenwald“, das in den deutschen Medien so gut wie nicht vorkommt.

Der Regenwald absorbiert im Jahr etwa 8,8 Milliarden Tonnen CO2 und produziert im Gegenzug Sauerstoff, was ihn zur „Lunge des Planeten“ macht. Zum Vergleich werden in Deutschland etwa 0,9 Milliarden Tonnen CO2 produziert im Jahr. Pro Jahr wird eine Fläche des Regenwaldes abgeholzt, die etwa halb so groß ist wie Deutschland. Das passiert oft durch Brandrodungen, welche CO2 freisetzen. Das so freigesetzte CO2 macht 15% des Gesamtanteils des CO2– .Ausstoßes der Welt aus (der deutsche Gesamtanteil nur 2%). Schlimmer noch: der Regenwald verschwindet, das Gebiet wird im Laufe der Zeit zur Wüste und bei Schrumpfung des Regenwaldes wird natürlich das absorbierte CO2 aus der Luft entsprechend weniger. Aber dafür hüpfen Greta und ihre Jünger nicht, sondern erfreuen sich über die Ausrufung des Klimanotstands in der Bodenseeidylle Konstanz. Sprache schafft hier eine Wirklichkeit, die der Realität auch nicht annährend gerecht wird.

Ähnlich sieht es bei den Kohlekraftwerken aus, von denen es knapp 150 in Deutschland gibt. Weltweit sind derzeit 1.400 neue Kohlekraftwerke in Planung, die in den nächsten Jahren ans Netz gehen werden.

Anhand dieser beiden Sachthemen ist leicht einsehbar, dass Deutschland durch Verzicht nichts bewirken kann, sondern stattdessen internationale Lösungen anstreben müsste, was schlichtweg nicht passiert. Ein Verbot des Euro 5 Diesel in Innenstädten ist da nicht einmal die dritte Nachkommastelle bei CO2 und Feinstaub.

Es gibt keine Politik vor und jenseits der Sprache/Demokratie lebt von Streit und Kompromiss

Habeck stellt fest, dass die Regierung Merkel eine seltsame Sprachlosigkeit begleitet, es wird weder debattiert noch erklärt. Damit biete Merkel auch keine Angriffsfläche und notwendige Diskussionen fänden nicht mehr statt. Diese Argumentation von Habeck teile ich voll und ganz, verstehe aber nicht, warum sich die Grünen und Linken dann zu 100% hinter Merkel gestellt haben und ihre Rolle als Opposition nicht wahrnehmen. Merkel versucht Diskurse zu vermeiden, die Opposition zwingt sie ihr aber auch nicht auf, sondern kämpft unverdrossen gegen „rechts”.

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Habeck sieht aber genau den Diskurs und daraus folgend den Kompromiss als wesentliches Merkmal der Demokratie an. Das Ganze basiere auf Rechtstaatlichkeit und Gewaltentrennung, doziert er. Er sieht den Unterschied von Demokratie und Diktatur darin, dass sich Diktatoren nicht an die eigenen Gesetze halten, während in der Demokratie jeder vor dem Gesetz gleich ist. Diktatoren etablieren auch eine orwellsche Sprachpolizei, die Worte und Begriffe verbannt, welche die Regierung kritisieren. Diese Sprachpolizei unterbindet damit die Kritik an der Wirklichkeit und etabliert die Diktatur.

Ich gebe ihm vollkommen recht, aber sehe gerade bei seinen Grünen den Hang zu Sprech- und Denkverboten, die gern auch militant durchgesetzt werden. So werden in Wahlkämpfen Stände der AfD attackiert, Plakate heruntergerissen, Wirte bedroht, die an die AfD vermieten und in Hamburg wird inzwischen sogar geprüft, ob Lehrer Mitglieder dieser Partei sind und das als Ausschlusskriterium gewertet. Extrem war der Umgang mit der Hamburgerin Uta Ogilvie, die mit einem rosa Pappschild gegen Merkel demonstrierte und der dafür von der Antifa die Scheiben eingeworfen wurden.

Die Umwertung von Begriffen

Besonders schlimm ist für Habeck der Fall Uwe Tellkamp. Der bekannte Schriftsteller nutzte 2018 die Bühne der Leipziger Buchmesse mit der These, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt würde durch einen „Gesinnungskorridor zwischen erwünschter und geduldeter Meinung“. Tellkamp unterstelle damit, dass es eine ideologische Gesinnung in der Gesellschaft gäbe, gegen die man anreden und anschreiben müsse. Habeck ist geradezu entsetzt von der Argumentation Tellkamps und bestreitet das Vorhandensein dieser ideologischen Gesinnung.

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Ich wundere mich über Habeck, denn Tellkamp hat platt recht. Man sieht das an sofortiger Ausgrenzung von Personen, die von der gewünschten Gesinnung abweichen. Ein gutes Beispiel ist Thilo Sarrazin, der jahrzehntelang erfolgreich für die SPD arbeitete und nach seinen Sachbüchern mehrfach aus der Partei ausgeschlossen werden sollte. Er wird regelmäßig von den Medien in die „rechte” Ecke gestellt, in die er nicht passt. Zu seinem Werk „Deutschland schafft sich ab“ gibt es keine Widerlegungen der dort auf  Zahlen und Statistiken beruhenden Thesen. Sarrazin selbst räumt ein, dass sein Buch fehlerhaft wäre bzgl. der Zeitachse, denn Vieles ist bereits geschehen, was er erst für die übernächste Generation prognostiziert hatte.

Auch Tellkamp wurde konkret und sagte, dass die Mehrheit der Flüchtlinge nicht vor Krieg und Verfolgung geflohen seien und den Eindruck kann ich durchaus teilen angesichts der Tatsache, dass z. B. viele Nordafrikaner zu uns kommen aus Ländern, in denen wir Urlaub machen. Diese Länder sind meist muslimisch und paradoxerweise die Flüchtlinge auch und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Muslime aus islamischen Ländern fliehen und nicht die dort meist verfolgte christliche Minderheit.

Habeck sieht das anders und meint Tellkamp würde Deutschland damit gleichsetzen mit Diktaturen wie Nordkorea oder der damaligen UdSSR. Aber genau das tut Tellkamp nicht, er argumentiert subtiler. In Nordkorea hätte man ihn direkt eingesperrt, in Deutschland ist seine Meinung unerwünscht und er wird dafür eben geächtet so wie auch Sarrazin oder dann Hans-Georg Maaßen.

Habeck gibt ein weiteres Beispiel der Umwertung von Begriffen, der Seenotrettung. Er ist entsetzt, dass Medien das als „illegalen Shuttleservice“ bezeichneten. Für Habeck gilt es als ausgemacht, dass die „Seenotretter” nur „Flüchtlinge” vorm Ertrinken retten und sonst nichts. Allerdings sprechen die Fakten gegen Habeck. Diese „Seenotretter” müssen regelmäßig ihre GPS Koordinaten durchgeben und anhand dieser ist deutlich zu sehen, dass sie gezielt vor die Küste Libyens fahren und dort auf die „Flüchtlinge” warten, diese aufnehmen und den weiten Weg nach Europa bringen, anstatt sie an einem afrikanischen Hafen abzusetzen. Ich selber war schon auf dem Bodensee mit Mastbruch in Seenot bei Sturm, wurde gerettet, aber nicht in die Schweiz gebracht und dort lebenslang versorgt.

Habeck selber zeigt in diesem Kapitel eindrucksvoll auf, wie mit Haltung und Gesinnung simpelste Fakten ignoriert werden. Ungewollt bestätigt er genau das, was Tellkamp gemeint hat.

Menschen werden Dinge

Habeck sieht die Gefahr der Entmenschlichung von Personen, wenn diese einfach nur pauschal wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit stigmatisiert werden und verortet die Gefahr einseitig „rechts”. Das passt allerdings nicht damit zusammen, dass Mitglieder der AfD keine Tische in Restaurants bekommen, der AfD der Posten des Vizepräsidenten im Bundestag pauschal verweigert wird oder ihre Abgeordneten immer wieder als „Nazis“ diffamiert werden, ohne dass es Belege dafür gäbe. In der Sache gebe ich ihm allerdings recht: Pauschalisierung entmenschlicht, aber in der heutigen Praxis benutzen gerade Linke dieses Stilmittel gegen politisch Andersdenkende.

Feier des Unvollendeten

Habeck stellt fest, dass die Demokratie immer unvollendet bleibt, ständig an sich arbeitet und damit im Gegensatz zur Diktatur steht, die ein fertiges Konzept anbietet. Er schlägt sogleich den Bogen zur Integration und damit des Anspruchs der Gesellschaft an Migranten, diese Werte zu akzeptieren. Hier könnte logisch eine Abhandlung folgen über islamische Parallelgesellschaften, die genau diese Werte ablehnen und ihre eigenen Werte leben und ein Vergleich mit kulturfremden Ostasiaten, die meist schnell zu Leistungsträgern unserer Gesellschaft werden. Aber Habeck überspringt diese Problematik und behandelt die Ostdeutschen, die er als wenig integriert ansieht und die deshalb die AfD als ausgrenzende Partei wählen würden.

Die Psychologie des grünen Erfolgs
Ich kenne viele Ostdeutsche und diese sehen die Entwicklung im Lande genau deshalb als gefährlich an, da Elemente des Sozialismus wie Einschränkung der Rede- und Meinungsfreiheit und Bevormundung durch die Politik wieder Einzug halten in unser Leben. Diese Leute machen keinen Rechtsruck durch, sondern eine Linksflucht! Sie würden auch eine konservative FDP oder CDU wählen, die sich klar vom linken Merkel-Kurs abgrenzt. Dass Habeck das Problem der islamischen Parallelgesellschaften nur am Rande und der Vollständigkeit halber erwähnt, ist nicht entschuldbar, wie man derzeit an den riesigen Problemen sieht, die wir mit den kriminellen Clans und ihren Zehntausenden von Mitgliedern haben. Das sind schon keine Parallelgesellschaften mehr, sondern bereits Gegengesellschaften. Von einem als zukünftiger Kanzler gehandelten erwarte ich konsequente Härte gegen diese Entwicklungen und mehr Pragmatismus. Das kann geleistet werden, ohne Muslime pauschal zu stigmatisieren.
Sprechen ist Übersetzen/Sprachliche Ohnmacht ist politische Ohnmacht

Habeck greift seine Idee von der lebendigen Sprache auf, welche den Diskurs belebt und illustriert das an einem Beispiel. Er selbst nahm in Kandel an einer Demo gegen „rechts” teil. Habeck wirft den „Rechten” vor, den Mord eines afghanischen Flüchtlings an der 15jährigen Mia zu instrumentalisieren und „gegen Flüchtlinge zu hetzen“. Kandel ist für viele Bürger ein Symbol, weil das Verbrechen eine Blaupause für die Gewalt an Frauen in Deutschland geworden ist. Das Muster ist immer das Gleiche: ein Mann muslimischer Herkunft (nicht unbedingt ein Flüchtling) geht eine Beziehung mit einem Mädchen ein, welches diese beendet. In der Folge kommt es zu einer Gewalttat, meist mit dem Messer, oft tödlich. Dieses klar erkennbare Muster liegt dem Fall Kandel zugrunde, der schlichtweg kein belangloser Einzelfall ist. Ich habe im Umfeld der Demos in Kandel viel von Leuten gelesen, die dort hingegangen sind und sie sind wütend auf eine Politik der Sprachlosigkeit, die also genau das macht, was Habeck kritisiert, nämlich den Diskurs und die ehrliche sprachliche Aufarbeitung verweigert.

Dass Habeck sogar an einer Gegendemo teilnimmt angesichts der Tatsache, dass hier eine 15jährige regelrecht abgeschlachtet wurde, ist für mich unentschuldbar. Verstanden hätte ich, wenn er selber zu einem Trauermarsch für das ermordete Mädchen animiert hätte, aber nicht gemeinsame Sache zu machen mit Leuten, die mit bunten Regenschirmen in Kandel auftraten und damit das Opfer geradezu verhöhnten. Habeck hat wohl in Kandel auch Widerstand gespürt und räumt ein, dass „Rechte” den „Raum der Sprachlosigkeit füllen, den Linke hinterlassen haben“. Dass die Linke sprachlos bleibt bei solchen Gewalttaten, ist aber eine Bankrotterklärung der Linken und sonst gar nichts.

Witz und Satire als Mittel gegen ideologische Verblendung/Demokratische Selbstreflexion/Sprachlicher Populismus

Habeck stellt fest, dass Ideologen die Satire hassen wegen der Zweifel, die wiederum zum Nachdenken führen. Mir ist gerade im Fasching aufgefallen, dass sich die Jecken so gut wie nicht mehr an der Politik der Regierung abarbeiten, sondern politisch korrekt gegen die AfD, gegen Trump oder den Brexit vorgehen. Witze über die Migrationspolitik werden schlicht nicht mehr gewagt, die Satire ist in Deutschland sanft eingeschlafen. Selbst die früher so kritische Anstalt im ZDF (unvergessen wie Urban Priol die Kanzlerin imitierte) oder die Heute-Show wirken wie der schwarze Kanal der DDR-Propaganda. Habeck sieht das anders und lobt insbesondere den „Satiriker“ Jan Böhmermann. Hierzu kann ich nur sagen, dass ich Böhmermann als Sprachrohr des linken Mainstreams verstehe und als Demagogen.

EU-Wahlkampf
Die ideologische Klaviatur der rot-grünen Spitzenkandidaten
Am Ende des Buches geht er auf den „sprachlichen Populismus“ ein. Besonders schlimm sei die unzulässige Verallgemeinerung. Als Beispiel zieht er wieder Kandel heran, das aus seiner Sicht keine Verallgemeinerung zulässt, obwohl klar erwiesen ist, dass die grundsätzliche Sozialisierung des Täters eine entscheidende Rolle spielte. Habeck selber forderte übrigens jüngst aus dem Fall Strache, dass die Union sich endgültig von der AfD abgrenzen müsse! Aber Strache ist nicht Mitglied der AfD, sondern der FPÖ im Nachbarland Österreich und damit liefert Habeck selbst ein Paradebeispiel für sprachlichen Populismus.

Die nächste sprachliche Figur der Populisten sei Alternativlosigkeit, die insbesondere von der AfD propagiert würde. „Ein komplexes Phänomen würde einer Ursache zugeordnet“. Ich verbinde den Begriff „alternativlos“ mit dem Namen Merkel und wenn ich mir die aktuelle Klimadebatte anschaue, sind es gerade die Grünen, die hochkomplexe Sachverhalte auf streikende Schüler und die Person Greta und deren oft naiven Ansichten reduzieren und keinen Diskurs mehr zulassen.

Der Populismus teile auch Menschen in „wir und die“, klagt Habeck. Nur sehe ich die Stigmatisierung von alten weißen Männern, von Wählern, die nicht so wählen wie gewünscht, von Trump, von Ostdeutschen, von den Visegrad-Staaten etc. gerade auf der linken Seite. Noch nie hat eine Politik der Nachkriegszeit so viele Feinde und Gegner erschaffen wie die aktuelle Politik, die von Habeck vertreten wird. Zum Zeitpunkt, an dem ich diesen Artikel schrieb, weilte die Kanzlerin in den USA und hält Ansprachen gegen die dortige Regierung, ohne sich überhaupt mit dieser zu treffen. Das ist ein Affront an die USA, wenn es die Kanzlerin tut und nicht eine Privatperson.

Der Diskurs der Angst

Habeck widmet der Angst ein eigenes Kapitel. Da Populisten keine Argumente hätten, würden sie auf Ängste setzen. „Die dominanten Angstbilder der letzten Zeit kommen von rechts“, jammert er und zitiert Sarrazin mit „Deutschland schafft sich ab“. Wieso feiern dann gerade die Grünen Greta Thunberg für die Aussage: „Ich will, dass ihr in Panik geratet und die Angst verspürt, die ich jeden Tag habe“? Das ist doch Populismus in Reinkultur! Die Grünen verbreiten auch Ängste bei jedem Erfolg nicht-linker Parteien im In- und Ausland, als wenn das vierte Reich entstehen würde und sehen Deutschland schon in einer Dürrekatastrophe versinken nach dem viel zu trockenen Sommer 2018 (2019 ist bisher allerdings recht regnerisch mit teilweise sintflutartigen Regenfällen).

Anmaßung
Habeck hat die Wahrheit gepachtet
Allerdings hat er wieder recht im Grundsätzlichen: „Das Gefährliche am Diskurs der Angst ist ihr Übergreifen auf den aufgeklärten Mehrheitsdiskurs“. Aber gerade das erleben wir derzeit durch die absurden Klimaweltrettungspläne der Deutschen, die selbst einen fast nicht messbaren Anteil am Klimaproblem haben, aber meinen, die ganze Welt durch Abbau deutscher Kohlekraftwerke und Dieselfahrverbote retten zu können. Ganz zum Ende des Buches schwingt sich der Autor noch einmal zu der These auf, dass eine offene Sprache das wichtigste Element des demokratischen Diskurses sei und ich mag ihm fast verzweifelt zurufen, dass er doch bitte damit beginnen solle und so wie in fast allem Grundsätzlichen Recht habe. Habeck weiß sehr gut und genau, was richtig und wichtig ist, er müsste sich nur noch selbst danach richten.
Was würde ein Bundeskanzler Habeck bedeuten?

Robert Habeck hat beste Chancen als Kanzlerkandidat einer Mitte-Links-Allianz ins Rennen der BTW2021 gehen. Die wahrscheinliche Gegnerin „AKK“ könnte schwächer und farbloser nicht sein. So wäre es gut denkbar, dass der smarte Kinderbuchautor vom „Talkshowkanzler“ zum echten Bundeskanzler avanciert. Aber was würde das bedeuten?

Politisch kann man von ihm eine gemäßigte Sprache erwarten, aber keinen Blick für Realität, Zahlen und Fakten. Er würde eine Wohlfühl-Rhetorik betreiben, den Kampf gegen „rechts” verschärfen und deutlich mehr sozialistische Elemente in Gesetze gießen. Dazu würde er auch die Migration nach Deutschland forcieren und sich wenig bis gar nicht um Wirtschaft und Finanzen kümmern. Die Medien sollten ihm treu die Stange halten, da er genau ihre Erwartungen und Hoffnungen bedient. Sollten die Medien noch mehr staatliche Finanzspritzen erhalten (eine Art Printmedien-GEZ), wäre eine Medienlandschaft analog der DDR gut denkbar.

Habeck wäre so etwas wie ein „deutscher Obama“. Freundlich, eloquent, beliebt bei den Medien, aber schwach bis nichtexistent in der Umsetzung von Themen. Ich fürchte, dass das geflügelte Wort „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“ perfekt auf Habecks praktische Politik zutrifft.


Dr. Jochen Heistermann hat in theoretischer Informatik promoviert. Er war dann selbstständig und lebt nun als Privatier am Bodensee.

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