Die Demontage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach innerhalb der Berliner Koalition begann am Freitag vergangener Woche mit einem längeren Facebook-Text. Wichtig war der Absender: FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Er erklärte noch vor der gleichlautenden SPD-Beschlussvorlage vom Montag, fast alle Corona-Maßnahmen würden spätestens am 19. März enden. Bei dem Corona-Gipfel am Mittwoch soll dieser Zeitplan nun beschlossen werden.
Offenbar beeindruckt es die Koalitionspolitiker in Berlin, dass die Länder rund um Deutschland ihre Maßnahmen entweder stark gelockert oder mittlerweile ganz aufgehoben haben. Norwegen und Dänemark kehrten schon zur Normalität zurück, in den Niederlanden wurden die Maßnahmen deutlich abgeschwächt. Auch die Schweiz will jetzt im Eiltempo Corona-Maßnahmen auslaufen lassen.
Neben den Beispielen der anderen europäischen Länder bleiben offenbar auch die Demonstrationen in Deutschland selbst gegen den zunehmend als autoritär und irrational empfundenen Corona-Sonderweg bei den Politikern in Berlin nicht ohne Wirkung.
In der Talkshow behauptete Lauterbach auch, es sei „eine ganz gefährliche Legende, dass das Virus immer harmloser wird.“ Das könnte in 30 oder 40 Jahren passieren, „aber nicht in den nächsten zehn Jahren.“ In Wirklichkeit fordert Omikron heute schon deutlich weniger Tote als die Grippe in der Saison 2017/18. Auch wegen dieser Erkenntnisse hatte Spaniens Regierung schon vor einiger Zeit erklärt, Omikron nur noch wie ein gewöhnliches Grippevirus einzustufen.
Zwar bedient Lauterbach immer noch den Teil der Bevölkerung, der möglichst strenge und autoritäre Corona-Maßnahmen befürwortet. Aber sein Rückhalt schwindet auch in der Öffentlichkeit. In einer Civey-Umfrage vom 13. und 14. Februar mit der Frage „Wie zufrieden sind Sie mit dem Corona-Management von Karl Lauterbach?“ meinten Stand 14. Februar 31,2 Prozent der Befragten: gar nicht zufrieden, 13,3 Prozent erklärten, sie seien wenig zufrieden. Voll und ganz zufrieden mit dem Minister erklärten sich nur noch 18,1 Prozent, 26,8 Prozent finden sein Krisenmanagement teilweise befriedigend. Gut 10 Prozent blieben unentschieden.
Im Januar hatte das Lauterbach unterstellte RKI den Genesenenstatus über Nacht ohne Vorwarnung und Begründung auf drei Monate verkürzt. Der Minister behauptete anschließend, davon sei er nicht informiert gewesen. Seine Staatssekretärin hatte die Verkürzung allerdings schon vorher im Bundestag angekündigt, was nur zwei Schlüsse zulässt: Entweder kommuniziert Lauterbach nicht mit der Leitungsebene seines Hauses. Oder er belügt die Öffentlichkeit.
Gescheitert ist der Gesundheitsminister auch bei seinem vollmundig angekündigten Versuch, die anderen EU-Länder von der deutschen Sondervariante eines nur drei Monate andauernden Genesenenstatus überzeugen zu wollen. Niemand mochte ihm folgen.
Offenbar sucht die SPD jetzt über den Kopf des Gesundheitsministers hinweg nach einem Ausweg aus dem eigentlich schon halb gescheiterten Impfpflicht-Vorhaben. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bietet dem CDU-Parteivorsitzenden darüber ein Gespräch an. Für einen Impfpflicht-Beschluss bräuchte die Ampel die Union nicht. Für eine halbwegs gesichtswahrende Kehrtwende dagegen schon.
Kippt auch noch die Impfpflicht in Deutschland, bliebe von Karl Lauterbachs Corona-Politik nur noch ein Trümmerhaufen übrig.