Tichys Einblick
Umkehr tut not

NetzDG und so weiter: „Die Gedanken sind frei“ – wie lange noch?

Vom „Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ des EU-Ministerrats 2008 bis zum NetzDG führt ein direkter Weg.

© Justin Sullivan/Getty Images

Es kommt selten vor, liebe Leser, aber nun ist es doch einmal unumgänglich: Ich muss mich entschuldigen. Bei Ihnen als Leser, weil ich Sie nicht umfassend genug informiert habe – was nun nachgeholt werden soll. Und bei den Bundesministern des Inneren und der Zensur – pardon: Justiz. Denn ich habe beiden eine Innovationsfähigkeit unterstellt, die, wie ich nun feststellen musste, nicht vorhanden ist.

Ich hatte in den vergangenen Monaten auf TE wiederholt darüber berichtet, wie beide Ministerien Stück für Stück daran arbeiten, unseren Rechtsstaat auszuhöhlen. Wie sie Instrumentarien der Zensur installieren; eine Gesinnungsjustiz aufbauen; die Intentionen der bundesdeutschen Verfassung von 1949 beugen; das, was unsere Vorväter unter Einsatz ihrer Freiheit, ja ihres Lebens vor über einhundert Jahren an Freiheitsrechten erkämpft hatten, aushebeln. Und ich hatte ihnen unterstellt, aus eigener Selbstherrlichkeit heraus zu handeln, aus ihrer ideologischen Verblendung oder grenzenlosen Naivität heraus unsere einst freiheitliche Demokratie in eine Gesinnungsdiktatur zu wandeln. Das allerdings war in der von mir dargestellten Form wenn auch nicht falsch, so zumindest doch unvollständig. Für diese Unvollständigkeit und die darauf basierende Überschätzung der ministeriellen Fähigkeiten muss ich mich entschuldigen. Was hiermit geschehen soll.

Die Anweisung an die Bundesanwaltschaft

Fassen wir noch einmal zusammen, was in den vergangenen Monaten festzustellen war. Im Sommer 2015 griff ich das Vorgehen des Heiko Maas (SPD) auf, kritisierte seinen Eingriff in die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft. Jene hatte seinerzeit Ermittlungen gegen eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Internetplattform wegen Geheimnisverrats aufgenommen. Denn diese Plattform hatte über ominöse Quellen, die unverkennbar im Deutschen Bundestag angesiedelt waren, aus guten Gründen als geheim deklarierte Papiere der Öffentlichkeit präsentiert. Das wiederum musste zwingend dazu führen, dass der damalige Bundesanwalt Hans-Georg Maaßen Ermittlungen aufnahm. Hätte er dieses nicht getan, wäre er seinen Aufgaben nicht nachgekommen, hätte sich der Pflichtverletzung, vielleicht sogar der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht.

Doch der Bundesminister der Justiz, der in den Folgejahren zum Bundesminister der Zensur werden sollte, war mit diesen Ermittlungen nicht einverstanden. Die allgemeinen Solidaritätsbekundungen aus den Mainstream-Medien mit jener Internet-Plattform schienen ihn derart zu beeindrucken, dass er mit seinem Generalbundesanwalt in den Clinch ging. Da vor langer Zeit die Verantwortlichen unserer Legislative und Exekutive davon ausgegangen waren, dass ein Bundesminister der Justiz ausschließlich dem Recht verpflichtet sei und sein Amt neutral ausüben würde, hatten sie den Fehler begangen, die Bundesanwaltschaft diesem disziplinarisch zu unterstellen. Und so endete die Auseinandersetzung zwischen Minister und Generalbundesanwalt mit dem Ausscheiden des Letzteren. Die Ermittlungen wurden eingestellt, der Geheimnisverrat blieb ungeklärt und ungesühnt.

Seinerzeit kam bereits der Verdacht auf, dass Maas seine Kompetenzen überschritten und in die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden mittels Dienstanweisung eingegriffen hatte. Ein Verdacht, der durch das Ministerium seinerzeit vehement zurückgewiesen wurde – und sich am Ende doch als zutreffend darstellen sollte. Zu diesem Zeitpunkt jedoch schien das niemanden mehr zu interessieren – und der Saarländer, dereinst durch die unselige Affäre um seinen Parteigenossen Sebastian Edathy unerwartet in das Ministerium gespült, blieb trotz seiner Attacke auf die Rechtstaatlichkeit unserer Republik im Amt.

Die „Maasi“ der Ex-Stasi

Im Sommer des Jahres 2016 dann mutierte der frühere Bundesminister der Justiz vollends zum Minister der Zensur. Unzufrieden darüber, dass in den gelegentlich recht unsozialen Netzwerken nicht nur strafrechtlich relevante Verunglimpfungen auf der Tagesordnung standen, sondern auch immer wieder Bürger ihrem Unmut darüber Luft machten, wie die Bundesregierung durch unkontrollierten Zuwandererstrom die Gesellschaft veränderte, ging er mit der früheren Stasi-Zuträgerin Anetta Kahane ein Zweckbündnis ein. Diese Stasi-erfahrene  Denunziantin hatte in Ermangelung anderer Aufgaben dereinst eine sogenannte anti-faschistische „Gemeinnützige Amadeu Antonio Stiftung“ ins Leben gerufen. Einzige Aufgabe dieser „Stiftung“: „Faschistische“, also „rechte“, Umtriebe aufdecken, als sogenannte „hatespeech“ an den öffentlichen Pranger stellen und damit deren Urheber öffentlich diskreditieren.

Die Bundesregierung stattete diese im Volksmund mittlerweile „Maasi“ genannte Institution mit reichlich Geld für ihre Spitzeltätigkeit aus. Wie Ministeriumssprecher Harald Neymanns wissen ließ, sei die ominöse Stiftung „anerkannter Träger der politischen Bildung“ und habe damit die Möglichkeit, „eine regelmäßige Förderung durch die Bundeszentrale für politische Bildung zu beanspruchen“. Zur Zeit werde keine Veranlassung gesehen, davon abzuweichen (Der Tagesspiegel Stand 7. 12. 2016).

Kommentare zu unseren Berichten über Zensurversuche
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Die Steuermittelsubventionierung nutzte die „Maasi“ neben ihren Spitzeltätigkeiten im Netz unter anderem dafür, Broschüren und Bespitzelungstips beispielsweise unter dem Titel „Kein Ort für Neonazis“ zu publizieren, in welchen selbst christdemokratische Politiker der Nazi-Nähe geziehen wurden. Als dieses die Junge Union (JU) als Jugendorganisation der C-Parteien zum Anlass nahm, den Förderstopp ebenso wie die Überprüfung durch den Verfassungsschutz zu fordern, wurde diese durch den Geschäftsführer der „Maasi“, Timo Reinfrank, gleich mit ins „rechtsextremistische“ Bett geworfen: „Es ist bedauerlich und tragisch, in welche Richtung sich die Diskussionen bei der Jungen Union entwickeln. Ein absurder Antrag. Die JU reitet damit auf der rechten Kampagnenwelle gegen uns.“

Die Vorgehensweise der Denunziation der „Maasi“ erinnerte an einen Circulus vitiosus – einen Zirkelschluss. Wer nicht für sie war, war automatisch Nazi. Und wer in Medien publizierte, die dem Mainstream nicht folgten, war es ohnehin, denn er reihte sich ein in jene „Hetzer gegen Flüchtlinge in den sozialen Netzwerken“, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen galt. Kritik wie die des CSU-Bundestagsabgeordneten Alexander Hoffmann, der es gewagt hatte, die Kooperation zwischen Ministerium und „Maasi“ als „Gipfel des ideologischen Aktionismus“ zu bezeichnen, oder die Kritik des Direktors der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, an der Ex-Stasi-Dame, galten und gelten daher im Sinne Reinfranks als „Reiter auf der rechten Kampagnenwelle“.

Gedeckt durch den Bundesminister änderte sich an den Aktivitäten der „Maasi“ nichts. Nach wie vor schnüffelt sie im Netz nach „Neonazis“ und schießt ohne jede Gesetzesgrundlage und ohne dass sie jemals staatsanwaltschaftliche Kompetenzen hätte haben können, gegen alles, was auch nur ansatzweise als Kritik an den von ihr selbst definierten, „antifaschistischen“ Zielen zu verstehen sein könnte.

Der Bundesminister der Zensur hatte sich mit Kahane ein williges, nein ein getriebenes Instrument geschaffen, um die einstmals vom Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit auszuhebeln. Statt – wie es rechtsstaatlich zwingend notwendig war – die Staatsanwaltschaft ihre Aufgaben wahrnehmen zu lassen, ihr weiterhin die Feststellung des Überschreitens des schmalen Grats zwischen Meinungsfreiheit und strafrechtlich relevanter Äußerung zu überlassen, hatte sich Maas eine unkontrollierbare, von den Ketten gelassene Mind-Police geschaffen. Die berechtigte Kritik von JU und Bundestagsabgeordneten wurde unter den Tisch gekehrt – der Stasi-Spitzelstaat feierte fröhlich Urständ.

Im März 2017 dann legte der Minister der Zensur einen Gesetzentwurf vor, mit dem die Betreiber von Internetplattformen bei Bußgeldandrohungen von bis zu 50 Millionen Euro selbst zu Zensuranstalten werden sollen.

Das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“

Dieses sogenannte „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ verpflichtet die Betreiber, sogenannte „Hasskommentare“, „Hetze“, „Hasskriminalität“ und „falsche Nachrichten“ – sogenannte Fake News – nach eigener Einschätzung umgehend, unkontrollierbar und unrevidierbar zu entfernen. Nach der „Maasi“ will Maas nun ein zweites Instrument der selbstreferenzierten Ermächtigung schaffen, die, ohne dafür im Sinne der Gewaltenteilung auch nur ansatzweise legitimiert zu sein, hoheitliche Aufgaben wahrnehmen sollen. Um letzteres zum Verständnis zu erläutern: Als ich seinerzeit die Öffentlichkeitsarbeit der Berliner Verkehrsverwaltung leitete, waren wir unter anderem mit der Einführung eines Parkraumbewirtschaftungskonzepts befasst. Seinerzeit stand die Überlegung im Raum, zur Entlastung der Polizei Hilfskräfte einzusetzen, die Falschparkvorgänge dokumentieren und diese zwecks Weiterverfolgung an die zuständigen Behörden weitergeben sollten. Diese Idee fand ein schnelles Ende, weil alle beteiligten Juristen einhellig die Auffassung vertraten, dass bereits die Feststellung einer Ordnungswidrigkeit eine ausschließlich hoheitliche Aufgabe sei und ausschließlich durch beamtete, disziplinarisch als Mitarbeiter in die zuständigen Behörden eingebundene Hoheitsträger erfolgen darf.

Doch was vor zwanzig Jahren noch für die Bagatelle eines Parkverstoßes galt, ist heute dank Maas nicht einmal mehr Makulatur. Selbsternannten Nazi-Jägern und durch nichts dazu qualifizierten Mitarbeitern von privaten Netzwerkbetreibern wird vom vorgeblich höchsten Vertreter deutschen Rechts die Aufgabe gegeben oder aufgezwungen, die hoheitliche Aufgabe der Feststellung strafrechtlich relevanter Tätigkeiten nicht nur zu dokumentieren, sondern mittels Sanktionierung auch umgehend zu ahnden.

Das Rechtsstaatsverständnis unserer Republik ist mittlerweile derart verkommen, dass sogar der deutsche Richterbund in das Horn der durch nichts qualifizierten Beurteilung strafrechtlich relevanter Tätigkeiten bläst. Sven Rebehn, Geschäftsführer des Richterbundes, befand: „Rechtswidrige Kommentare schnell zu löschen, kann nur eine Säule im Kampf gegen Hass und Hetze im Netz sein. Wer strafbare Inhalte online stellt, der muss dafür auch effektiv strafrechtlich verfolgt werden können.“ Die Tatsache, dass nunmehr nichtstaatliche, in keiner Weise dazu qualifizierte Personen  gezwungen sind, das Strafgesetzbuch (oder nicht einmal das)  in ihrem – oder besser: in des Ministers – Verständnis auszulegen und anzuwenden, scheint den Richterbundgeschäftsführer nicht zu tangieren.

Das geht nun selbst jenen seinerzeit durch Maas vor der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung geschützten Bloggern von „netzpolitik.org“ zu weit. Allerdings nur insofern, als der Entwurf auch Webseiten betreffe, „die man klassischer Weise nicht als soziale Netzwerke bezeichnen würde“. Womit dort vermutlich vorrangig prodomo gedacht wird und die Befürchtung im Raum steht, auch der eigene rotgrüne Blog könne eines Tages Opfer von staatlich verordneter Zensur werden.

Die „Hatecrime“-Polizei

Das Bundesministerium des Innern flankiert den „Kampf“ gegen die falsche Gesinnung dadurch, dass die Polizei im Auftrag des Bundesministeriums sogenannte „Hasskriminalität“ ausweist. Wie wir Dank der Einlassungen des Ministeriumssprechers wissen – umfassend dokumentiert auf TE – handelt es sich dabei faktisch um Gesinnungsfeststellung. Die Polizei, die in einem Rechtsstaat gefordert ist, Sachverhalte kriminalistisch und objektiv zu erfassen, um sie anschließend der Staatsanwaltschaft zwecks Beurteilung zukommen zu lassen, welche dann, so sie dafür strafrechtlichen Anlass sieht, die in der Gewaltenteilungstheorie unabhängige Justiz über Tat und Täter urteilen lässt, wird selbst zum Beurteilungsorgan der Gesinnung.

Dokumentation betr. „Hasskriminalität“
Das Bundesministerium des Innern antwortet
Um die Ergebnisse dieser Gesinnungsbeurteilung zu dokumentieren, werden in den Kriminalstatistiken Rubriken unter dem Titel „Politisch motivierte Kriminalität“ – kurz PMK – ausgewiesen, welche jedoch bei genauerem Hinschauen eine ungewöhnliche Differenz in den Fallzahlen zwischen der „PMK-rechts“ und „PMK-links“ aufweisen.  Straftatbestände gemäß Strafgesetzbuch spielen weder bei der Beurteilung noch bei der Ausweisung durch die Polizei eine Rolle. Und die Staatsanwaltschaft hat damit ausdrücklich auch nichts zu tun. All das bestätigte der Ministeriumssprecher auf mehrfache Nachfrage und legte  großen Wert darauf, dass die Ausweisung der „Hasskriminalität“ eben ausschließlich Polizeiangelegenheit sei.

Wenn nun die Beurteilung und Zuweisung von Tatmotiven, die explizit auf einer ausschließlich emotional-psychologisch zu erfassenden „Hass“-Motivation beruhen und deshalb ausdrücklich als „Hasskriminalität“ bezeichnet werden, an die Stelle der originären polizeilichen Aufgabe in einem Rechtsstaat treten, dann befinden wir uns abschließend rasant auf dem Weg in die Gesinnungsjustiz. Wie dieses endet, durften die Deutschen in ihrem Reich zwischen 1933 und 1945 und in ihrem sowjetischen Vasallenstaat zwischen 1945 und 1989 erleben. Ich zitiere für die Beurteilung all dieser Angriffe auf die Meinungs- nein, auf die Gedankenfreiheit einen Satz aus meinem Essay „Hasskriminalität ist kein juristisches Kriterium (oder doch?)“:

„Es geht um das, was in ‚Brave New World‘, ‚Fahrenheit 451‘ und ‚1984‘ als Schreckbild eines staatlich manipulierten Menschen bereits vor über fünfzig Jahren damals noch weitgehend fiktiv beschrieben wurde.“

Weshalb nun die Entschuldigung?

So weit, so wenig gut. Von all dem, was ich zu dieser Umformung unseres Rechtsstaats geschrieben hatte, habe ich nicht ein Jota zurück zu nehmen. Weshalb dann aber doch die Entschuldigung an die Herren Minister?

Ich deutete es bereits an. Es geht nicht um die Inhalte, sondern um meine irrige Unterstellung, die Minister hätten hier aus eigener Rechtsstaatsbeugungskreativität gehandelt. Dem ist aber, wie ich zwischenzeitlich feststellen musste, nicht so. Denn tatsächlich sind sie beide nichts anderes als Erfüllungsgehilfen einer noch weiter oben angesiedelten Stelle.

Nein, liebe Leser – damit ist weder der Bundeskanzler oder gar die sonst so gern in für alles verantwortlich gemachte CIA gemeint – sondern der Rat der Europäischen Union. Bei diesem Rat handelt es sich um die jeweils fachlich zuständigen Regierungsvertreter der Unions-Staaten – nicht etwa um die „EU-Regierung“ der Europäischen Kommission, und auch nicht um die Bürgervertretung des gewählten Europaparlaments.

Dieser Rat hatte bereits am 28. November 2008 einen „Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (Rahmenbeschluss 2009/913/JI) verabschiedet. Für jene, die es vergessen haben sollten: Die Bundesrepublik wurde seinerzeit wie gegenwärtig von einer schwarzroten Koalition regiert. Im Ressort Justiz saß seinerzeit die Sozialdemokratin Brigitte Zypries – jene Dame, die sich gegenwärtig als Wirtschaftsministerin ausprobieren darf. Das Innere befand sich unter der Ägide von Wolfgang Schäuble – seit einer gefühlten Ewigkeit Bundesminister der Finanzen.

In diesem Beschluss steht faktisch alles geschrieben, was unsere Bundesminister derzeit an Freiheitsabbau exekutieren.

Der EU-Beschluss zum Denkverbot

In dem Ratsbeschluss geht es vordergründig, wie der Titel bereits erahnen lässt, um „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ – Verhaltensweisen, die, wenn man sie wörtlich versteht, tatsächlich einer modernen, auf den Grundlagen der westeuropäischen Aufklärung basierenden Gesellschaft unwürdig sind. Ob allerdings, wie es der Rat formuliert, sie „unmittelbare Verstöße gegen die Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit“ sind, darf im Sinne liberaler Philosophie bezweifelt werden.

Warum? Weil der Liberalismus sich zu der Grundprämisse bekennt, dass jeder denken darf, was er will. Es gibt keine „Grundfreiheit“, wenn es dem Einzelnen verboten wird, das zu denken, was er denken möchte. Wenn jemand in seinem Kopf „Rassist“ und „fremdenfeindlich“ ist, dann ist das seine Privatsache und in der Bundesrepublik durch die Meinungsfreiheit gedeckt – und es geht den Staat erst dann etwas an, wenn aus dieser Privatsache Handlungen gegen Personen oder Institutionen entstehen.

Wenn beispielsweise ein Fremdenfeind einen vorgeblich Fremden angreift – ob mit Wort oder Waffe – dann ist es die Aufgabe des Staates, dieses zu ahnden. Es kann, wenn der Staat eine unmittelbare Gefahr derartiger Handlungen befürchtet, auch seine Aufgabe sein, präventive Maßnahmen einzuleiten, um dieser Gefahr im Vorfeld zu begegnen. Wenn nun aber – wie in der Präambel zum Beschluss formuliert – bereits „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“, und damit die persönliche Einstellung eines Menschen, ein unmittelbarer Verstoß sind, dann ist der Schritt nicht mehr weit, einen als Rassisten oder Fremdenfeind eingestuften Menschen vorsorglich auch gegen seinen Willen einzuweisen und die erkannte Fehlauffassung in seinem Kopf beispielsweise mit medizinischen oder Mitteln der Psychiatrie zu „reparieren“. Denn es ist nicht mehr die konkrete Tat, sondern der Gedanke, der als „Verstoß“ zum staatlichen Handeln Anlass gibt.

Ein Beschluss gegen „die Rechten“

Nun könnte sich im ersten Moment der Gedanke einschleichen, dass die Mitglieder des Rats nur etwas ungeschickt formuliert hatten und, dem Denken in rechtsstaatlichen Kategorien verpflichtet, damit die Tat und nicht den Gedanken meinten. So ist dann auch in den nachfolgenden Passagen des Beschlusses davon die Rede, dass „divergierende Rechtsansätze in den Mitgliedstaaten zu überwinden“ seien, „Schwierigkeiten in der justiziellen Zusammenarbeit“ überwunden und „die strafrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedsstaaten einander weiter angenähert werden“ müssen. Hierzu seien „klare Rechtsvorschriften“ sicherzustellen.

All dem ist unter rechtsstaatlichem Ansatz nicht zu widersprechen: Wenn aus dem Denken eine Straftat folgt, sind die Justizorgane gefordert und das Ansinnen, in einem Staatenbund hierfür einheitliche Grundlagen und Herangehensweisen zu schaffen, ist nicht zu beanstanden. Aber eben erst dann.

Doch der Beschluss bewegt sich schnell fort von den Rechtsansätzen, begibt sich auf eine Ebene, die den rechtsstaatlichen Ansatz überwindet. Nun ist zu lesen, die in die Tat umzusetzenden „Maßnahmen“ zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erforderten einen „umfassenden Rahmen“ und dürften „ nicht auf den Bereich des Strafrechts beschränkt werden“. Das lässt aufhorchen. Was haben die Ratsmitglieder sich bei dieser Formulierung gedacht? Bedeutet es, dass die Maßnahmen sich vom Recht zu lösen haben? Kaum vorstellbar bei einer Versammlung von Justizministern, die in den allermeisten Fällen über eine juristische Ausbildung verfügen. Was also ist konkret gemeint?

Es wurde bereits darauf hingewiesen – Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind Angelegenheiten, die sich vorrangig im Kopf eines Menschen abspielen. Sie entstehen im Hirn und ihre Entstehung hat oftmals etwas mit Prägungen vorrangig in der Phase des Heranwachsens zu tun. Deshalb ist es, soll staatliches Handeln gegen diese Phänomene in irgendeiner Weise  legitim sein, unverzichtbar, die konkret zu betrachtenden Phänomene zu definieren. Und genau das tun die Verfasser – wenn auch auf etwas ungewöhnliche Weise. Und sie erweitern die justiziable Straftat um einen nicht minder schwer strafrechtlich zu fassenden Begriff aus der Sprache der Psychologie: Den „Hass“.

In Artikel 1 des eigentlichen Beschlusses wird das Kernelement jener „vorsätzlichen Handlungen“ definiert, welche unter Strafe zu stellen sind. Dort heißt es: „Die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definierte Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe.“

Eine solche „Aufstachelung“ ist, so der Rat weiter, durch „öffentliche Verbreitung oder Verteilung von Schriften, Bild oder sonstigem Material“, welches die genannten Kriterien erfüllt, gegeben. Die Strafbarkeit ist erfüllt durch das „öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Sinne der Artikel 6, 7 und 8 der Statuten des Internationalen Gerichtshofs“ sowie „von Verbrechen nach Artikel 6 der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs im Anhang zum Londoner Abkommen vom 8. August 1945“.

Zum Verständnis: Bei den besagten Statuten handelt es sich um die Auflistung der zwecks „Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse“ [Deutschland und Verbündete] benannten Taten wie Vorbereitung eines Angriffskrieges, Verletzung der „Kriegsgesetze und -gebräuche“ sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Völkermord, Deportation und Versklavung.

Es ist unverkennbar: Hitlers langer Schatten saß mit am Tisch, als die Ratsmitglieder zur Feder griffen. Es führt kein Weg daran vorbei: Hier wurde ein Beschluss gefasst, der sich ausdrücklich und ausschließlich gegen das richtet, was in der öffentlichen Debatte als „rechts“ beschrieben wird. Und damit wurde durch die Hintertür festgeschrieben: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gibt es nur bei „den Rechten“. Damit folgt der EU-Rat letztlich der sogenannten Dimitroff-Formel, wonach in der kommunistischen Definition Faschisten – eine andere, landläufig genutzte Bezeichnung für „die Rechten“ – Handlanger des Kapitalismus sind. Was wiederum die Frage gestattet, ob der Rat kommunistisch gelenkt ist.

Jenseits dessen hatte sich der Rat eindeutig festgelegt: Wenn „Rassismus“ und Fremdenfeindlichkeit per definitionem Ausschließlichkeitsphänomene der „Rechten“ sind, dann können „Linke“ weder rassistisch noch fremdenfeindlich sein. Und da „die Rechten“ in der Nachfolge der nationalistischen Sozialisten ihren „Rassismus“ nach Auffassung des Rats gegen jene ausleben,  die nach „Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft“ zu erkennen sind, können letztlich „Nichtarier“ ebenfalls kaum jemals Rassisten sein – und mögen sie die „weiße Rasse“ (oder andere) noch so sehr verabscheuen.

Daraus ergeben sich weitere, fragwürdige Eigenarten des Ratsbeschlusses. So wird beispielsweise in der Wissenschaft diskutiert, ob es überhaupt menschliche „Rassen“ gibt. Dieses nicht zuletzt deshalb, weil der Begriff der „Rasse“ gezielt gefunden wurde, um vorgeblich genetisch bedingte Unterschiede nicht nur in der Hautfarbe, sondern beispielsweise in den geistigen Fähigkeiten zu konstatieren. Letzteres zumindest ist empirisch nachweisbar zu verneinen. Weshalb sich der Rassebegriff selbst ausschließlich als politisch-ideologisches Machtausübungsinstrument entlarvt.

Ein Lex Islam

Wenn nun der Rat diesen Begriff nutzt, dann dokumentiert er damit, dass auch er in genau jenen Kategorien denkt, die er zu bekämpfen sucht. Und er geht noch weiter. In dem Versuch, eine Definition eines sich im Kopf des Einzelnen abspielenden Phänomens zu finden, sowie in der faktischen Absurdität, Religionskritik ebenfalls unter die nicht zu greifende Formel des „Hass“ zu subsummieren, versteigen sich die Ratsmitglieder zu ungewöhnlichen  Definitionen.

„Der Begriff Religion sollte sich allgemein auf Personen beziehen, die sich durch ihre religiösen Überzeugungen oder ihre Weltanschauungen definieren“, schreibt der Rat.

Damit nun aber begibt er sich auf extrem dünnes Eis. Denn letztlich wird jegliche Kritik an einer als Religion bezeichneten Auffassung von ihren Anhängern grundsätzlich als Angriff verstanden. Da mag diese Kritik wissenschaftlich noch so sauber begründet sein – für den religiösen Fanatiker wird jede Kritik zum Angriff. Verknüpfen wir diese Sakrosankt-Erklärung von Religion mit den anderen Kriterien, so führt kaum ein Weg daran vorbei, hier eine „Lex islam“ zu erkennen. So erklärt sich nun auch der vehemente Rassismus-Feldzug von Herren wie Aiman Mazyek ebenso wie der öffentliche Bann, der Islamkritiker wie Thilo Sarazin und Hamad abdal Samad trifft. In den Augen des EU-Rats sind letztere Rassisten und Fremdenfeinde.

Religion und Weltanschauung

Gleichzeitig aber geht der Rat noch einen verhängnisvollen Schritt weiter. Nach den Regeln der deutschen Sprache beschreibt das „und“ zwischen „ihre religiösen Überzeugungen“ und „ihre Weltanschauungen“ zwei unterschiedliche, nicht miteinander in unmittelbarem Zusammenhang stehende Dinge. Das bedeutet: Hier wird nicht nur das irrationale Bekenntnis zu einer Religion unter besonderen Schutz gestellt, sondern auch die „Weltanschauung“. Wenn es nun jedoch eine Unterscheidung zwischen beidem gibt, dann ist es jene, dass Religion als mystisch zu begreifende Welterklärung zu verstehen ist, während eine Weltanschauung immer als politische Idee betrachtet wird. Wollte der Rat also auch Kommunisten und Anhänger anderer irrationaler Politikutopien unter besonderen Schutz stellen? Es sieht so aus – und dann ließe sich sogar die Frage stellen, ob sich der Rat nicht selbst ins Knie geschossen hat – denn den Anspruch einer politischen „Weltanschauung“ erhob auch Adolf Hitler für seine in „Mein Kampf“ niedergelegte Welterklärung.

Noch etwas: Es ist unzweifelhaft und wissenschaftlich vielfach bewiesen, dass der Koran als Basiswerk des Islam über zahllose menschenverachtende Passagen verfügt, sein Umgang mit „Ungläubigen“ in vielerlei Hinsicht die Kriterien des Internationalen Gerichtshofs erfüllt. Jüngst erst beschrieb ein Journalist, wie in deutschen Moscheen Fremdenfeindlichkeit gepredigt wird. Damit müsste ein radikaler Muslim im Sinne des EU-Rats als Täter unter die angestrebte Strafverfolgung fallen. Bislang jedoch ist davon nichts festzustellen.

„Hass“ bezieht sich auf Hass

Wenden wir uns nunmehr dem Hass-Begriff zu, den der EU-Rat mit einer Zirkulär-Definition zu fassen sucht:

„Der Begriff „Hass“ sollte sich auf Hass aufgrund der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft beziehen.“

Das ist ungefähr ebenso intelligent und aussagekräftg wie: „Die Farbe Grün sollte als Grün verstanden werden aufgrund des Grüns von Blättern und Schimmel.“

Es ist unverkennbar: Der EU-Rat sah sich selbst außerstande, eine sinnvolle Definition von „Hass“ zu finden. Denn „Hass“ ist als Emotion jenseits der Psychologie kaum zu fassen und ließe sich vielleicht am besten als die gewalttätige Verzweiflung des Unterlegenen beschreiben. Dennoch reduziert der Rat „Hass“ auf das von ihm gewünschte Bild, was wiederum bedeutet, dass „Hass“ beispielsweise als Folge der Ermordung des eigenen Kindes nunmehr kein Hass ist. Auch der Hass, den Che Guevara in zahlreichen Textpassagen als Grundlage eines jeden Revolutionärs beschrieben hat, ist ein solcher nun nicht mehr. Er ist irgend etwas anderes, tatsächlich nicht definiertes. Und insofern ist die Verwendung dieses Begriffs zutiefst unjuristisch. Dennoch gibt sich der Rat der Illusion hin, dieses juristisch Undefinierbare als Kategorie des Strafrechts nutzen zu können und fordert in Artikel 2 seines Beschlusses, dass schon die Anstiftung und die Beihilfe zum „Hass“ unter Strafe zu stellen ist. Wie jedoch diese Beihilfe rechtsstaatlich überhaupt erfassbar ist, wie das Individuum die Emotion eines anderen anstiftet oder gar dazu Beihilfe leisten kann, das bleibt ebenso nebulös wie der Großteil der im Amtsblatt beschlossenen Formulierungen.

Fest jedoch steht: Allein schon jeder, der die Veröffentlichung von etwas duldet, das „wahrscheinlich“ zu Gewalt oder Hass führen kann (Art.1c), steht im Sinne des Beschlusses mit einem Bein im Gefängnis. Wie nun wiederum dieses „wahrscheinlich“ überhaupt zu erkennen ist; wessen ausschließliche Ermessensbeurteilung über diese „Wahrscheinlichkeit“ entscheidet – auch dazu fällt den Räten nichts ein.

Der Türöffner zur Gesinnungsjustiz

Das Ergebnis dieser Formulierungen: ein unsortiertes Konglomerat aus Psychologie, Ideologie und politischem Wollen; jenseits konkreter juristischer Handhabungsmöglichkeiten und der konkret zu beschreibenden Straftat, öffnet damit einer politischen Willkürjustiz Tür und Tor. Sie legt den Grundstein zum Gesinnungsstaat, dient der Konditionierung des Volkes im Sinne eines von Oben als einzig zulässig definierten, politischen Denkens.

Das Papier unterstreicht diesen Huxleyschen Ansatz mit Forderungen nach „abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen“ – wo sich doch seit Jahrzehnten alle Strafrechtler einig sind, dass „Abschreckung“ selbst bei Mordtaten nicht funktioniert.

Juristische Personen, also rechtliche Gebilde wie Vereine, Parteien und Unternehmen, sollen ebenso mit der Drohung „abschreckender Sanktionen“ zur Räson gebracht werden wie der einzelne Blogger. Wir erinnern uns an des Heiko Maasens Gesetzentwurf, der Web-Plattformen wie „Facebook“ mit Geldstrafen bis zu 50 Millionen Euro droht, sollten sie sich weigern, die staatsanwaltschaftliche Kernaufgabe der Beurteilung und Sanktionierung strafrechtlich relevanter Inhalte zu übernehmen?

Tatsächlich erklärt der Ratsbeschluss nicht nur die Exorbitanz Maasenscher Drohungen – er erklärt auch, weshalb das vom Gesetzgeber beschlossene Strafgesetzbuch jegliche Relevanz verliert, wenn es um die Vernichtung von „Hasskriminalität“ geht. Wie ließ der Bundesminister des Innern über seinen Sprecher mitteilen? „Allein die Polizei stuft politisch motivierte Straftaten als Hasskriminalität ein und nicht die Staatsanwaltschaft nach ‚eigenem Ermessen‘“. Es geht tatsächlich nicht um „Recht“, sondern darum, alles was als „rechts“ definiert wird, obrigkeitsstaatlich zum Staatsverbrechen zu machen.

Orwells Horrorvision vor der Vollendung

Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Minister im Rat noch weitergehende Vorgehensweisen vorgeschrieben:

♦ Juristische Personen sollen von „öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen“ ausgeschlossen werden. Der Bundesminister der Zensur arbeitet daran im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts. Er will verfassungsfeindlichen Parteien die staatliche Parteiensubventionierung streichen. Derzeit soll es dabei nur um die NPD gehen. Aber der Ratsbeschluss liefert jede Möglichkeit, auch anderen missliebigen Parteien den Geldhahn zuzudrehen, so die offizielle Wahrnehmung deren Tuns als „Anstiftung oder Beihilfe“ zum Hass behauptet wird. Wer hier als nächstes an der Reihe sein könnte, muss nicht mehr benannt werden. Und dass es irgendwann dann auch noch die Konservativen in der Union treffen kann – dafür schafft die „Maasi“ mit ihren „Berichten“ bereits die Grundlagen.

Immerhin: Der nun vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, dass Verfassungsfeindlichkeit auch künftig ausschließlich durch das Verfassungsgericht und nicht durch das Parlament der konkurrierenden Parteien festzustellen ist. Tatsächlich ein kleiner Rest rechtsstaatlicher Vernunft, der hier noch durchschimmert.

♦ Juristische Personen werden mit dem „vorübergehenden oder ständigen Verbot der Ausübung einer Handelstätigkeit“ bedroht. Bedeutet: Alle Verlage und Webplattformen, die etwas publizieren, dem von jenen Staatsschnüfflern die „Wahrscheinlichkeit“ der Anstiftung oder Beihilfe zum „Hass“ zugeschrieben wird, sind faktisch von der Schließung bedroht. Das gilt selbst für liberal-konservative Publikationen wie Broders „Achse“ und Tichys „Einblick“, denn längst schon werden sie von der „Maasi“ entsprechend geführt und von den Berufsdenunzianten als solche diskreditiert. Die Angreifbarkeit verstärkt sich dadurch, dass auch Religionskritik höchstamtlich auf die Liste der Hassdelikte gehoben wird. Ein Satz gegen den Islam kann da schon reichen.

So stellt sich die Frage, was eigentlich diese Republik noch von jener Türkei unterscheidet, deren Vorgehen gegen missliebige Presseorgane mit Krokodilstränen bejammert wird? Der EU-Rat hat die Grundlage geschaffen, in den angeblich freien Rechtsstaaten der EU nicht anders vorzugehen.

♦ Juristische Personen können unter „richterliche Aufsicht“ gestellt werden. Die Richter werden zu Zensurorganen – was geschrieben wird, definiert die Staatsführung.

♦ Juristischen Personen droht die „richterlich angeordnete Auflösung“. Hier muss nicht einmal mehr das Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob eine Partei oder irgend etwas anderes  verfassungswidrig ist – der Anschein, eine nicht obrigkeitsstaatlich genehme Partei zu sein und die Verortung dieser Partei als „rechts“ reicht völlig, um sie verschwinden zu lassen.

All diese Maßnahme einer Gesinnungspolitik, die nicht einmal mehr sachgerecht als „Gesinnungsjustiz“ bezeichnet werden kann, weisen den unmittelbaren Weg in den Orwell‘schen Horrorstaat. Wer „falsch“ denkt, dem droht der Entzug seiner Lebensgrundlagen, er wird quasi wie im tiefsten Mittelalter vogelfrei erklärt.

Der Orwellstaat wird Wirklichkeit

Wer nun etwa meint, die europäischen Regierungen – von denen übrigens heute die polnische die ungarische bereits deshalb unter die zu bekämpfenden „Hasskriminellen“ fallen, weil sie sich „rassistisch“ der Aufnahme von Muslimen verweigern – hätten mit diesem Beschluss auf Bewegungen wie Pegida reagiert, der vergegenwärtige sich noch einmal das Datum. Im Jahr 2008 gab es Pegida noch nicht. Und es gab auch nicht die Grenzöffnung für Versorgungsmigranten aus Maghreb und Südwestasien.

Das aber lässt dann nur einen Schluss zu: Die Minister agierten vorausschauend auf künftige Situationen.

Weltbevölkerungspolitik im 21. Jahrhundert
UN - A Torrent of Faces
Wollten sie vielleicht sicherstellen, dass Gegner des ungeregelten Zustroms von vornherein mundtot gemacht werden konnten? War man sich bereits einig über die gezielte Neuansiedlung von Bewohnern aus Afrika und anderswo, wie sie von der EU-Kommission am 13. Juli 2016 als „Vorschlag eines EU-Neuansiedlungsrahmens“ vorgelegt und von mir im Essay „A Torrent of Faces“ – nachzulesen auf TE oder in „Spitzwege Band 5“ – ausführlich beschrieben wurde? Falls so, dann hat das nur deshalb nicht funktioniert, weil unsere Regierung sich „leider“ nur an eine Forderung aus dem Beschluss nicht gehalten hat: Sie war zu langsam. Denn der Rat schrieb 2008 fest: Dem Beschluss ist bis zum 28. November 2010 nachzukommen – der Rat wird seine Umsetzung vor dem 28. November 2013 prüfen. Doch das holen der Bundesminister der Zensur und sein Kollege für Inneres derzeit im Eiltempo nach – der Orwellstaat wird Wirklichkeit.

Im Ergebnis bleibt nur die Feststellung: Die Tragweite dessen, was an Freiheitvernichtung gegenwärtig im Gange ist, übersteigt alles, was ich mir in der Betrachtung der deutschen Politik bislang vorstellen konnte.

Weshalb ich mich dennoch bei den beiden Ministern entschuldige? Weil ich ihnen fälschlicherweise unterstellt hatte, Urheber dieses Rückfalls in den totalitären Glaubensstaats des Mittelalters gewesen zu sein. Dabei sind sie tatsächlich nichts anderes als simple Erfüllungsgehilfen. Für diese unendliche Überschätzung ihrer Fähigkeiten entschuldige ich mich. Und für nichts sonst.