Tichys Einblick
Mercronsche Erklärung

Merkel: Die Ingenieurin der Macht

Immer trickreicher wird das Netz, das die Kanzlerin webt, um ihre Macht zu erhalten. Am Ende hat sie sich darin verstrickt.

Christian Marquardt - Pool/Getty Images

Die Meseberger Erklärung, schon der Begriff kommt staatstragend und historisierend daher. Man sieht sie vor sich in einer epochalen Reihe stehen wie die Säulen des Herkules: Die Magna Carta, Luthers 99 Thesen, Die Erklärung der Menschenrechte, die Römischen Verträge. Und jetzt: Die Meseberger Erklärung, die die künftigen Schüler der Welt wahrscheinlich auswendig lernen müssen wie die kleinen Amis die „Gettysburg Address“ von Lincoln: „The Meseberg Anouncement“, „La déclaration de Mesebourg“. Anthropologen werden dereinst den Homo Mesebergensis ausgraben, bei dem die Raute schon auf den Unterbauch tätowiert ist. Und Ihr könnt sagen: Ihr seid dabei gewesen.

Das finden Sie etwas übertrieben? Sie Spielverderber!

Ein Vertrag zu Lasten Dritter

Also gut. Kehren wir auf den Boden der Tatsachen zurück und lassen das Eutopia Mercronscher Bauart hinter uns. Und was sehen wir da? Die von Seehofer weidwund geschossene Teflonkanzlerin möchte sich einmal mehr als Meisterin der machiavellistischen Finesse zeigen. Gesteuert von ihrem untrüglichen Machterhaltungstrieb, geleitet von ihrer Vision der bunt-schwarz-verschleierten Islamorepublik Eutopistan hat sie zum Gegenschlag ausgeholt. Und wie hat sie das gemacht? Ganz einfach: Sie hat sich auf ihre Stärken besonnen und das getan, was sie am besten kann: Einen Vertrag zu Lasten Dritter schließen.

Das Merkel-Ultimatum
Nun ist das in der Politik nichts Ungewöhnliches oder Neues. Politiker in demokratischen Systemen haben zu allen Zeiten versucht, andere für Ihre Wahl- und andere Versprechen bezahlen zu lassen. Sie haben im Laufe der Zeit den Stimmenkauf mit anderer Leute Geld zu einer speziellen Kunstform entwickelt, die zugleich eine spezielle Form der Korruption ist, welche letztlich die Demokratie aushöhlt. Merkel jedoch hat es in dieser Disziplin zu wahrer Meisterschaft gebracht. Und im Unterschied zu früheren Politikergenerationen der deutschen Nachkriegsrepubliken bleibt sie dabei nicht im Kleinklein. Nein, hier geht es nicht darum, ob wir einen Teil der künftigen Wohlstandsgewinne auf den Spieltisch des politischen Roulettes legen, wir verwetten gleich das ganze Häuschen, also das heißt Ihr klein Häuschen, verehrter Leser, nicht das, welches die Kanzlerin ihr Eigen nennt. Wo kämen wir da hin.

Also, was steht drin in der Mercron`schen Meseberger Erklärung?

Töpfe, Töpfe, Töpfe. Das ist der Kern der Ökonomischen Wissenschaft nach Merkel

Fangen wir mit dem Eurozonen-Budget an. Da soll ein neuer Multimilliarden-Topf geschaffen werden, über dessen Sinn und Zweck sich selbst sein Erfinder Präsident Macron nicht im Klaren zu sein scheint. Einmal wird davon geredet, dass man ein Vehikel brauche, um Ländern im Krisenfalle fiskalische Kapazität zur Verfügung zu stellen, ein andermal wird von einem Investitionsfonds gesprochen, der strukturelle Probleme mit Investitionen lösen solle. Das wird also dann so eine Art „Junckerfonds“ II, der wie sein großes Vorbild den Geist der Planwirtschaft atmet. Er finanziert eine Luxusinfrastruktur in Regionen, die es eigentlich gar nicht nötig haben, deren Politiker und Bürokraten sich aber schlau auf das Brüsseler Antragswesen spezialisiert haben.

Woher nehmen und nicht stehlen?

Bei der Frage, wie das zu finanzieren ist, bleibt man absichtsvoll im Ungefähren. Es soll sich speisen aus „Umschichtungen, nationalen Beiträgen und Steuern“. Das wirft mehr Fragen auf, als es Antworten gibt und ganz nebenbei öffnet es gleich mehrere Büchsen der Pandora: Umschichtungen? Sollen sie aus dem EU-Budget kommen und also zulasten der nicht-Euro-Länder in der EU gehen? Gibt es denn plötzlich entgegen allen Brüsseler Schlachtrufen Einsparpotential in Brüssel? Und warum kann man das nicht zugunsten der Steuerzahler Europas heben?

Nationale Beiträge? Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erahnen, dass dies die „Nationen“ (die eigentlich im ideologischen Jargon EUtopias gar keinen Platz mehr haben sollten) in höchst unterschiedlichem Maße treffen wird.

Null Aufrichtigkeit
Der Merkel-Schwindel
Steuern? Das zaubert natürlich ein Lächeln auf das Gesicht von Juncker und Co. Öffnet es doch die Türe für eine eigene Steuerhoheit der EU, zunächst stellvertretend wahrgenommen durch die Eurozone und zwar ohne dass diesem Recht, in Bürgers Taschen zu greifen, eine demokratische Kontrolle im Sinne der Budgethoheit des Souveräns gegenübersteht. Nein, diese Kontrolle darf dann das nach Apartheitswahlrecht zusammengeschusterte Europäische Parlament ausüben, in dem eine zypriotische Wählerstimme das 64-fache Gewicht einer deutschen Wählerstimme hat. Schon ist davon die Rede, die Totgeburt der Finanztransaktionssteuer wiederzubeleben, die bestenfalls sicherstellen würde, dem ohnehin unterentwickelten Kontinental-europäischen Kapitalmarkt den letzten Rest regulierungsverseuchter Atemluft abzudrehen. Alternativ denkt unsere Kanzlerin sicher darüber nach, ihre gerade frisch erfundene Digitalsteuer an die Front zu bringen. Wie wir neulich lernen durften, schafft die als Nebenwirkung „Gerechtigkeit“ und dass sie der Innovation und Digitalisierung unserer Wirtschaft eine Bleikugel an die Füße binden würde, wäre den ökonomischen Analphabeten an der Spitze unseres Staates ohnehin „wurscht“.
Die Banken sind auch noch da. Die faulen Kredite auch.

Was hat die Kanzlerin sonst noch auf dem Tisch liegen gelassen? Zunächst mal hat sie die Türe zu einer gemeinsamen EU-europäischen Einlagensicherung wieder einen Spalt breit weiter aufgemacht. Zugleich soll der Eurorettungsfonds ESM jetzt auch für die Bankenrettung in den Mitgliedsländern der Eurozone mit zuständig sein. Da hat es schon eine ganz eigene Ironie, wenn am gleichen Tag in der Presse vermeldet wird, dass es bisher keine Einigung in der EU darüber gibt, wie mit den faulen Krediten von fast 1.000 Milliarden Euro im Bankensystem zu verfahren sei.

Deutschland - die kranke Frau Europas
Merkel: die teure Kanzlerin
Sie müssten abgebaut werden, aber wie und wie schnell, das bleibt unklar. Dass alleine die Tatsache, dass diese Kredite, für die Zins und Tilgung nicht mehr geleistet werden, noch als Vermögenswerte zu unrealistischen Kursen in den Büchern der sie haltenden Banken stehen, dass dieser Sachverhalt ein Verstoß gegen Bilanzwahrheit und -klarheit ist und damit eigentlich Bilanzbetrug darstellt und dass jetzt der EU-Steuerzahler noch ein Stück tiefer in den somit völlig unüberschaubaren und mit Hilfe der Bankaufsicht verschleierten Haftungssumpf gezogen wird, ist natürlich für die Kanzlerin kein Argument. Für sie ist Ökonomie die Wissenschaft der Töpfe, die sie großzügig verteilen kann und für deren Befüllung der dumme kleine Steuerzahler klaglos aufzukommen hat.
Von Anreizen und niederen Beweggründen

Ökonomie, Frau Bundeskanzler, ist aber nicht die Wissenschaft der Töpfe, es ist die Wissenschaft der Anreize. Das werden Sie noch feststellen.

Womit wir beim finalen Thema wären, nämlich der Frage nach der Motivation. Wäre die unverantwortliche Politik ein Straftatbestand, würde man jetzt wohl von „niederen Beweggründen“ sprechen, nämlich der Verschleierung und Folgenvermeidung für eigene Fehler. Diese liegen im Fall der Kanzlerin in dem Totalschaden, den ihre eigenmächtige Einwanderungspolitik angerichtet hat und für dessen politische Kosten sie nicht aufkommen will. Da ihr die CSU auf Druck des Wählers aber nunmehr dafür die Rechnung präsentiert, braucht sie diesen Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich des deutschen Steuerbürgers, um ein letztes Mal dieses Megaproblem übertünchen zu können.

Nächste Gelegenheit: CSU-Absturz
Merkel ergreift Gelegenheiten
Was das mit der Ökonomie als Wissenschaft der Anreize zu tun hat? Ganz einfach: Die Kanzlerin hat jeden Anreiz gesetzt, damit unqualifizierte und niemals in unsere Gesellschaft integrierbare Einwanderer sich in Scharen auf den Weg ins gelobte Land „Sozialhilferepublik Deutschland“ machen. Sie hat das garniert mit einer Marketingkampagne unter der Flagge von „Refugees welcome“, komplett mit Werbefilmen auf Arabisch, wie einfach es ist, alle Leistungen des deutschen Sozialsystems in Anspruch zu nehmen, und mit Selfies, die die Werbebotschaft unterstrichen haben.

So etwas, Frau Bundeskanzler, nennt man Anreize setzen.

Und weil die politische Rechnung dieser Einladung jetzt hoch zu werden droht, flüchtet sich die Führerin der KleGroKaZ, der kleinsten großen Koalition aller Zeiten, in einen Deal mit Frankreichs Präsident Macron, der noch mehr Anreize setzt, wenn auch auf anderem Gebiet. Leider sind es wieder die falschen Anreize, die EU und Europa noch tiefer in den Sumpf reiten werden. Aber das ist egal. Das ist morgen und dann sehen wir weiter.

Die Rechnung ohne den Wirt gemacht

Im Gegenzug bekommt sie den Hoffnungsschimmer einer „Europäischen Lösung“ für das Einwanderungsdilemma, das sie selbst durch Anreize und eigenmächtige Entscheidungen im Alleingang geschaffen hat. Wie es aussieht, hat sie die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht. Denn zum Glück besteht EU-Europa nicht nur aus Mercron County. Italien, Ungarn, Österreich, Holland, Dänemark und andere gehören auch noch dazu. Was man dort von der in Meseburg zelebrierten Selbstherrlichkeit hält, wurde in den letzten Tagen bereits zu Protokoll gegeben.

Immerhin, wenn es jetzt zum Schwur kommt, können wir sagen: Wir sind dabei gewesen.