Tichys Einblick
Clan-Gewalt statt Bullerbü

Schweden erscheint hilflos gegen Bandenkriminalität

In Schweden eskaliert die Bandenkriminalität so sehr, dass Dänemark wieder Grenzkontrollen einführte. Die Hilflosigkeit der Sicherheitskräfte und die öffentlichen Reaktionen erinnern an deutsche Verhältnisse.

imago images / TT

Haben wir es hier mit einem Domino-Effekt in der Zuwanderungspolitik zu tun, wenn nach Frankreich und Dänemark nun auch Schweden den Anschein erwecken will, die unhaltbaren Zustände im Zusammenleben mit Zuwanderern nicht mehr hinzunehmen?

Für die Neue Zürcher Zeitung berichtet ihr Korrespondent Rudolf Hermann aus Stockholm über eine eskalierende Bandenkriminalität, die jetzt auch bei den geduldigen Schweden für Aufruhr sorgen würde. Aber wie wirkungsvoll ist dieser Aufruhr bei der schwedischen Regierung? Zwingt es sie endlich energische Maßnahmen durchzusetzen, der Anarchie in bestimmten Bezirken schwedischer Großstädte eine Ende zu bereiten, wenn dort mehrfach Menschen „am helllichten Tag“ erschossen bzw. durch Schusswaffen schwer verletzt wurden?

"Volksheim" am Ende?
Angestiegene Kriminalität in Schweden verlangt neue Maßnahmen
War es zuletzt so, dass Migranten beispielsweise aus Dänemark nach Schweden überwechselten, um den verschärften Maßnahmen der Dänen zu entgehen, will nun auch Schweden härter gegen kriminelle Ausländer vorgehen. In der Realität war das allerdings bisher eine recht einseitige Geschichte: Dänemark hat an seinen Grenzen zu Schweden wieder Passkontrollen eingeführt („temporäre Grenzkontrollen“), um so das Einsickern in Schweden lebender krimineller Ausländer und Banden zu verhindern. Ein Auslöser dafür waren Schießereien in Kopenhagen, hinter denen die Sicherheitsbehörden schwedische Banden aus Malmö und Stockholm vermuten.

Der hohe Grad der Bedrohlichkeit ebenso wie der noch höhere Grad der Hilflosigkeit mag daran zu erkennen sein, dass die schwedischen Sicherheitskräfte ausgerechnet meinen, sich in Deutschland Hilfe holen zu können: Die schwedische „Polis“ hat Fachleute nach Essen geschickt, die sich dort zwei Wochen lang bei der Spezialabteilung zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität umschauen.

Ausgerechnet in Deutschland, wo ein Fachmann wie Oberstaatsanwalt Ralph Knispel in Berlin schon Anfang letzten Jahres den roten Alarmknopf drückte, als er TE im Interview erklärte, „dass die Aufklärung und Strafverfolgung in erschreckendem Umfang nicht mehr sichergestellt ist“, weil es zu wenig Personal gibt, die Aufklärungsquote von Straftaten in der Bundeshauptstadt seit Jahren stark sinkt und die Taten krimineller Großfamilien dort daher schwer geahndet werden können.

Was also sollen die schwedischen Polizisten von ihren so überlasteten deutschen Kollegen eigentlich lernen? Wie es theoretisch ginge? Und was soll das alles, wenn die Politik von Berlin über Paris bis nach Malmö und Stockholm längst vergessen hat, wem gegenüber sie auch in Sachen intakter Sicherheitsarchitektur verantwortlich ist?

SKANDINAVIEN: KRIMINALITÄT UND WAHLEN
Bombe in Linköping explodiert
Europa hat ein massives Problem mit immer mehr lodernden Brandherden, wenn in Malmö auf offener Straße tagsüber Menschen erschossen werden. Tagsüber? Wäre es eigentlich erträglicher, es würde nur nachts geschossen? Nun ist Malmö noch nicht Beirut oder Damaskus. Aber auch dort gibt es wider Erwarten noch ruhige Ecken, wo man unbehelligt seinen Mokka trinken kann.

Schweden steht am Scheideweg. Der sozialdemokratische Innenminister hatte nach der Erschießung einer jungen Mutter auf offener Straße ein Aktionsbündnis initiiert, an dem alle Parteien beteiligt sein sollten, was aber von vorne herein die „rechten“ „Schwedendemokraten“ ausschloss und das dann auch von den Konservativen, den Christdemokraten und Liberalen verlassen wurde. Ein Bündnis gegen den innerstädtischen Terror ohne Verbündete also.

Es ist in Schweden nicht anders als in Deutschland: Gelingt es einmal einen der immer jüngeren Intensivtäter dingfest zu machen, fallen die Strafen aufgrund des Alters des Kriminellen meistens sehr milde aus oder werden erst gar nicht verhängt. Das wiederum animiert die kriminellen Clans, immer jüngere Mitglieder auf die Straße zu bringen, bis sich wie in Malmö zuletzt Fünfzehnjährige auf der Straße mit Schusswaffen niederstrecken.

Das potemkinsche Dorf der Segnungen der Zuwanderung ist in Schweden ebenso ausufernd gewachsen wie in Deutschland, wenn selbst einfach durchzuführende Überprüfungen von Altersangaben scheitern und so also mutmaßlich Erwachsene als jugendliche Straftäter durchgehen. Wie auf bizarre Weise lächerlich alleine diese Diskussion um Altersüberprüfungen ist, demonstrierte schon Mitte 2017 unfreiwillig das so genannte Rechercheportal Correctiv. Meldungen, dass 75 Prozent der jugendlichen Migranten in Schweden volljährig seien, sollten als FakeNews entlarvt werden. Correctiv titelte damals: „Nein, nicht 75 Prozent der nach Schweden geflüchteten angeblich minderjährigen Migranten sind volljährig.“ Nein, nur 75 Prozent seien es von denen, die man bisher überprüft hätte.

Solche mutmaßlich politisch motivierten gemeingefährlichen Albernheiten machen es Sicherheitskräften fast unmöglich, zu handeln. Kräfte, die möglicherweise noch in der Lage wären, bei entsprechendem Rückhalt in Politik und Gesellschaft diese fatale kriminelle Entwicklung noch zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen. Das gilt selbstredend für Deutschland ebenso wie für Schweden. Schweden hat seine Probleme keineswegs exklusiv, aber Schweden scheint aktuell auf besonders erschreckende Weise wehrlos.

Absurdistan, Provinz Nord
Die Situation in Schweden
Der Deutschlandfunk schreibt über Schwedens innere Sicherheit: „Wenn die Polizei im Land Schlagzeilen macht, dann vor allem durch Unterbesetzung und Überforderung. Als würde man sich weigern, die offenbar neue und kritische Sicherheitslage im früheren Bullerbü zur Kenntnis zu nehmen.“

Der Tagesspiegel vermeldet Mitte Oktober, dass die Zahl der Bombenanschläge in Schweden stark angestiegen sei  .

Die Frankfurter Allgemeine erzählte hingegen noch im April gutgelaunt davon, dass in den dünn besiedelten Gebieten Schwedens die Gemeinden schon Mindest- statt Höchstzahlen für Zuwanderer festgelegt hätten, weil so händeringend Arbeitskräfte benötigt würden. Problem nur: Die Zugewanderten wollen diese Arbeiten meist gar nicht, die meisten Einwanderer wollen lieber in die Metropolen und dort wird dann eben die Kriminalitätsrate von der Politik als Auswirkung einer gescheiterten Integrationspolitik gewertet.

Ja, im letzten Absatz des Artikels wird dann noch darauf hingewiesen, dass „einige Gemeinden in Mittel- und Südschweden alles dafür tun, um die Aufnahme von Flüchtlingen zu verhindern“ – das diese Aussage dann so gar nicht zur steilen These des Artikels passt, störte die deutsche Redaktion nicht, so wie es die schwedischen Redaktionen wohl ebenfalls nicht stört. Jedenfalls könnte man das mutmaßen, gemessen an der Popularität neuer nicht etablierter Medien auch in Schweden. Und es darf und kann die Schweden auch nicht beruhigen, dass es sich bei dieser Bandenkriminalität durchaus um ein europäisches Problem handelt.

„Wir haben Krieg, die Lage ist dramatisch“, klagt Jale Poljarevius von der schwedischen Nationalpolizei. Alleine 2018 sind in Schweden vierzig Personen erschossen worden. Und es braucht auch hier wieder eine gewisse Recherchezeit und einige Fragenanläufe, um zu identifizieren, wer da geschossen hat und auf wen. Der einheimische Täter ist in den Medien schneller als solcher identifiziert als der mit Migrationshintergrund.

Schweden hat ein Problem – und löst es nicht
Mittlerweile sollen die Gangs in Malmö, Stockholm und Göteborg tausende Fußsoldaten zählen, die keine Gefangenen machen: „Sie kommen schwer bewaffnet, kämpfen wie Special Forces der Armee, sie sind sehr, sehr gefährlich“, so Poljarevius schon im April 2019 über die Gewaltserie. „Das sind Verbrechen, die wir nie zuvor gesehen haben.“

Wird der Sozialdemokrat Stefan Löften am Ende das schwedische Militär zur Hilfe holen? Jedenfalls hat der diese Option in einem früheren Interview mit Sveriges Radio nicht gänzlich ausgeschlossen,

Am Ende bleibt wohl eine Erkenntnis mit besonderer Bedeutung: Auch Schweden wird sich der Problematik einer ungebremsten Zuwanderung auch krimineller Strukturen stellen müssen. Und Schweden wird vor allem endlich akzeptieren müssen, dass es mit bestimmten Gruppen unter den schon länger in Schweden lebenden Migranten ebenso wie welchen der neu zugewanderten kein Auskommen geben kann oder je geben wird.

Wenn aber Abschiebungen auch in Schweden kaum oder nur schwer durchzuführen sind, weil auch dort unschöne Bilder vermieden werden sollen, dann muss allerdings unweigerlich auch in Schweden irgendwann jemand die Verantwortung dafür übernehmen, in seiner Amtszeit nichts dagegen getan zu haben und die Frage beantworten, warum Angst und Schrecken irgendwann zum alltäglichen Lebensgefühl in Schwedens Großstädten gehören könnten.

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