Tichys Einblick
APO-Links gegen Regierungs-Links

Sahra Wagenknecht: Die Revolution fällt leider aus

Wagenknecht hat nicht der Rechten den Kampf angesagt, sondern fordert mit ihrer „Aufstehen“-Bewegung die linke Deutungshoheit von denen zurück, die es sich auf der Regierungsbank bequem gemacht haben.

© Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Was für ein Vorschuss an Vertrauen, wenn schon über einhunderttausend Bürger sich online bei der neuen „Aufstehen“-Bewegung von Sahra Wagenknecht eingetragen haben, die gestern quasi offiziell ihren Startschuss erlebte. Tatsächlich eine beeindruckende Machtdemonstration ein gutes Jahr vor dem fünfzigsten Geburtstag der prominenten Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke.

Trotz stagnierender Umfragewerte ihrer Partei bleibt Sahra Wagenknecht also die gewichtige Stimme. Wie enttäuscht allerdings müssen ihre Anhänger nun sein, als es nach Monaten des Vorlaufes darum ging, zu erklären, wofür man sich eigentlich eingetragen hat, was das alles zu bedeuten hat und wohin die Reise nun außer nur nach links konkret gehen soll.

Wenn Deutschland irgendetwas aktuell wohl am wenigsten braucht, dann ist es eine Sammelbewegung, die links einsammeln will, was längst hoch bis zur Bundeskanzlerin auf so erdrückende Weise versammelt ist. Würde es der Spitzenpolitikerin tatsächlich darum gehen, die Idee der Demokratie wieder auf die Straße zu bringen, dann hätte sie eine der unpopulärsten Schritte unternehmen müssen, den linke Politik je unternommen hat: Sie hätte ihre Stimme rechten und konservativen Kräften geben müssen, die aktuell auf eine Weise vom Diskurs ausgeschlossen, die diskreditiert und diffamiert werden, wie es einer lebendigen Demokratie nicht lange ertragen kann, ohne massiv Schaden zu nehmen.

Anstatt also in den Chor der „Mimimi-Taschentuch“-Litanei von der linken Opferrolle wg. Rechts einzustimmen, hätte Wagenknecht hier einmal maximal unpopulär Farbe bekennen können für eine lebendige Demokratie, anstatt nur das Bild einer Bewegung zu malen, die – wenn wir es besonders drastisch auszeichnen wollen – an kollektive Aufmärsche der DDR zum Jahrestag erinnern könnte.

Wenn Sahra Wagenknecht vielen Bürgern bisher parteiübergreifend als Hoffnungsträgerin galt, dann muss die Verwunderung groß sein, wie fahrlässig sie diesen Bonus jetzt in der Waagschale verspielt. Nun fiel es den Befürwortern der neuen Bewegung im Vorfeld schwer, zu sagen, auf was konkret sie eigentlich hofften, wenn am 4. September der Vorhang hochgeht. Was ihre Hoffungsträgerin dann allerdings in die Kameras sprach, muss als große Enttäuschung verbucht werden. Zwar mag die Analyse der Linken zunächst richtig sein, dass sich Deutschland auf eine Weise verändert, die viele Bürger nicht wollen. Aber die Rezepte, die sie anbietet, sind nicht mehr als altbekannte konturlose Placebos, die alle um den SPD-Wahlkampf-Slogan von „Mehr Gerechtigkeit“ kreisen. Oder war es ein Slogan der Union? Oder von allen? Völlig egal.

Wenn Wagenknecht die Ereignisse in Chemnitz als Initial für ihre Bewegung nimmt, also ein Ereignis, das zum Zeitpunkt der Idee für diese Bewegung noch nicht existierte, dann erfährt man wie nebenbei, wie dünn die ideologische Decke dieser Bewegung tatsächlich ist.

Wagenknecht lobt einen „neuen politischen Aufbruch“ aus. Was wir in Deutschland erleben, sei eine handfeste Krise der Demokratie, sagt Wagenknecht. Dass diese Krise allerdings auf eine parteiübergreifende linke Einheitsfront in den Parlamenten zurückgeht, eine, die Demokratie, also das Ringen um Positionen, erstickt, mag sie nicht aussprechen.

Vielmehr möchte Sahra Wagenknecht ihre Sachen packen und mit einer möglichst großen Zahl von Anhängern vor dieser parlamentarischen Großlinken unter Merkel auf die Straße flüchten. Der Kampf links gegen links ist jetzt wahrscheinlicher geworden als einer etwa gegen rechte Positionen.

So betrachtet hat Wagenknecht nicht der Rechten den Kampf angesagt, sondern fordert mit ihrer „Aufstehen“-Bewegung die linke Deutungshoheit von denen zurück, die es sich auf der Regierungsbank bequem gemacht haben. Wagenknecht will einen neuen außerparlamentarischen Arm der Linken anführen und hat dafür schon einhunderttausend Gefolgsleute zusammengetrommelt mit einer Kampagne, wie sie nicht besser hätte entworfen werden können von einer dieser inflationär aus dem Boden schießenden politisierenden Champagner-Werbeagenturen.