Es gibt durchaus helle Momente in dieser Sendung: Zum Beispiel als Monika Hohlmeier (CSU) die Linke als teilweise linksextrem bezeichnet. Hoppla! Oder als ausgerechnet ein Kurzvideo des polnischen Ministerpräsidenten immerhin 15 Sekunden Realität in die Sendung bringt. Mateusz Morawiecki zeigt in dem Clip plötzlich all die Probleme auf, die Europa seit 2015 mit der Flut illegaler Migration erlebt. Und die Runde kommt nicht umhin, das Thema auch – ein stückweit zumindest – zu diskutieren. Messergewalt und -morde, brennende Autos, No-Go-Areas in den Städten. Politologe Thomas Biebricher ordnet ein. Der Professor, dem die Kreide aus den Mundwinkeln staubt, sagt, das alles sei doch „ein bisschen überzeichnet dargestellt“. Klamroth staubt nach: „Bisschen ist gut!“
Alles wieder im Lot. Hier gibt es nichts zu sehen, bitte schauen Sie weiter.
Denn es ist schon augenfällig, dass es nur zwei Gespräche in Brüssel und eines in Washington brauchte, um die ursprünglich ultrarechts positionierte Giorgia Meloni nach dem Wahlsieg zu „zähmen“. Sie brauche das Geld aus Brüssel, erklärt Zamperoni, doch das kann nur die halbe Wahrheit sein, wie der Zuschauer schnell bemerkt. Aus der vehementen Selenskyj-Kritikerin ist über Nacht seine Busenfreundin geworden. Warum? Läßt sich das ausschließlich mit innenpolitischen Geldnöten erklären?
Stilgerecht mit Miet-Fiat und Alitalia-Linienmaschine reist Zamperoni durchs Land und zählt die Probleme auf: 1. hohe Staatsverschuldung, 2. niedrige Geburtenrate, 3. Jugendarbeitslosigkeit, 4. zu niedrige Löhne. Na, wenn’s nur das ist, geht’s denen ja noch Gold, möchte da mancher Deutsche ausrufen. Bei uns kommen noch viel spätere und viel niedrigere Renten hinzu. Oder viel weniger Immobilieneigentum. Oder das Heizungsgesetz, oder die CO2-Luftbesteuerung, oder das – aber: wo anfangen, wo aufhören?
Beim Thema Migration ist der Italiener voll in der deutschen Propaganda-Spur. Es sei ihm vorher gar nicht bewusst gewesen, wieviele unbegleitete Minderjährige darunter sind, sagt er tatsächlich. Dass in Italien meistens Boote anlanden, auf denen kaum ein einziges Kind und kaum eine Frau zu finden sind, wird nicht erwähnt. Später im Hart aber Fair-Talk spricht es Focus-Journalist Ulrich Reitz ganz kurz an. Noch ein paar Sekundenfitzelchen Realität.
Bevor Klamroth eine alte Wahlkampf-Rede von Meloni einspielt, warnt er seine Gäste pflichtbewusst vor den „echt kruden Verschwörungstheorien“. Dass Meloni von „geplanter Invasion“ und gar von einem „ethnischen Austausch“ spricht, will so gar nicht in Klamroths Kopf. Dabei müsste er nur mal auf die Webseite des Weltwirtschaftsforums schauen oder dem WEF-Vorzeige-Historiker Yuval Noah Harari (über „nutzlose“ Menschen) zuhören.
Sehr schön und erhellend auch, wie sich die EU-Vizepräsidentin Katarina Barley und die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier anzicken. Barley etwa kritisiert, dass Meloni und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen mit Mark Rutte, dem niederländischen Premier, nach Tunesien reisten. „Eine Einzelaktion“, so Barley, „das Parlament war definitiv nicht einbezogen.“ Klingt irgendwie nach den Corona-Spritzen, die von der Leyen en passant per SMS mit Pfizer-Chef Bourla klarmachte. Barley weiter: „Die sind da hin, ‘Team Europe’ haben die sich genannt, was auch immer das ist. Steht in keinem Vertrag.“ Klamroth investigativ: „Frau Hohlmeier, war das in Ihrem Namen?“ Die reagiert schmallippig: „Ganz sicher schon auch“. Die Bayerin haucht es so dünn daher, dass sich ihr Vater Franz-Josef Strauß wohl im Grabe umdrehen würde. Allgemeine Erheiterung vor dem Bildschirm. Der Zuschauer wird Zeuge so manch kleiner Entzauberung an diesem Abend.
Hohlmeier geht noch einen Schritt weiter: Von der Leyens Vorgehen sei schon deshalb untadelig gewesen, weil: „Selbst Nancy Faeser hat’s am Schluss gelobt.“ Sie hält inne – wissend, dass ihr da gerade ein etwas merkwürdiges „Qualitätsmerkmal“ herausgerutscht ist.
Da trifft es sich gut, dass Italien, wie Zamperoni und Reitz korrekt feststellen, die Migranten einfach nach Norden weiterleitet. Die meisten landen in Deutschland. Der Migrantenstrom sei gesteuert, unterstützt von Schiffen wie der „Sea-Watch“, die selbstverständlich als reines Boot der Nächstenliebe präsentiert wird. Übrigens: Die Flugzeuge der Organisation „fliegen über einen Friedhof“. Das Meer, ein Friedhof … Klamroth ist ganz ergriffen. Bitter zu sehen, wie hier mit tatsächlichen Schicksalen und gesteuerter Schleuser-Migration abendliche Fernseh-Polemik produziert wird.
Der Vollständigkeit halber seien noch die übrigen, die üblichen Propaganda-Floskeln erwähnt, die sich Hart aber Fair selbstverständlich auch dieses Mal nicht verkneift: Die AfD will angeblich „Null“ Asylbewerber (Hohlmeier). Niemand widerspricht. Und wer, wie die Jugendorganisation der italienischen „Rechten”, für die Familie und die Existenz nur zweier Geschlechter eintritt, der ist schlicht und einfach von gestern. Zamperoni findet das alles pflichtbewusst „befremdlich“.
Das negative Highlight des Abends? Da sind wir wieder bei Monika Hohlmeier: „Ich würde gern die politischen Rechtsextremen und die politischen Linksextremen ausgrenzen.“ Die Parteien der Mitte müssten sich treffen und Lösungen finden, sagt sie.
Brandmauern also demnächst zu allen Seiten. Demokratie kann so schön sein.