Tichys Einblick
Geschäfte mit der Freihaltepauschale

Millionenbetrug bei Intensivbetten – und die Politik steckt mittendrin

Lange spekuliert, nun bestätigt: der ominöse Abbau von Krankenbetten war offenbar dazu da, um Gelder in der Corona-Krise abzugreifen. Strafanzeigen laufen gegen die Leiter zweier Kliniken im Saarland, es geht um Millionenbeträge.

IMAGO / ITAR-TASS

Wieso werden mitten in einer Pandemie Krankenbetten abgebaut? Der bemerkenswerte Bettenschwund im Zuge der zwei Corona-Jahre hatte immer wieder für Erstaunen gesorgt. So gab es im Dezember 2021 noch 9.000 Betten in Deutschland – neun Monate zuvor waren es 12.000 gewesen. Die Erklärung vonseiten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI): Mangel an Pflegekräften.

Bundesrechnungshof warnte bereits im Sommer vor „Mitnahmeeffekten“ bei Intensivbetten

Dabei stand schon damals fest, dass etwas faul war bei den Pauschalen in Corona-Zeiten, sowohl bei Intensivbetten wie bei Ausgleichszahlungen. So monierte der Bundesrechnungshof im Juni 2021, das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) beschlossene System fördere Fehlanreize und Mitnahmeeffekte. Auszug:

Das derzeitige System der Ausgleichszahlungen hat unerwünschte Mitnahmeeffekte eröffnet. Das Robert Koch‐Institut (RKI) äußerte gegenüber dem BMG die Vermutung, dass Krankenhäuser zum Teil zu niedrige intensivmedizinische Behandlungsplätze meldeten. Die Fallzahlen auf den Intensivstationen entspannten sich zeitweise, allerdings sei der Anteil der freien betreibbaren Betten insgesamt niedrig geblieben. Die gemeldeten Daten seien nicht uneingeschränkt für eine Bewertung der Situation geeignet.

An einer anderen Stelle hob der Bundesrechnungshof hervor:

Das RKI berichtete über Kontaktaufnahmen mit dem Ziel, Meldungen der freien betreibbaren Intensivbetten nachträglich zu korrigieren. Dadurch könnten Kapazitätsengpässe abgebildet worden sein, die in diesem Maße nicht existierten. Dies hält der Bundesrechnungshof angesichts der besonderen Bedeutung drohender intensivmedizinischer Kapazitätsengpässe für die Bestimmung notwendiger (politischer) Maßnahmen zur Krisenbewältigung für kritisch. Er rät deshalb zu Kennzahlen, die Fehlanreizen und Mitnahmeeffekten entgegenwirken.

Vermeintliche Fake News bestätigen sich im Saarland

Während die Massenmedien und selbsternannte „Faktenchecker“ immer wieder die sich häufenden Ungereimtheiten bei der Intensivbettenauslastung, dem Verschwinden von Krankenbetten und der zweifelhaften Bezahlung als Verschwörungstheorien oder Fake News herunterspielen wollten, hat TE bei dieser Frage nie lockergelassen. Nach Monaten der Debatte kommt nun jedoch ans Licht: offenbar haben mindestens zwei Kliniken im großen Ausmaß betrogen und Millionenbeträge kassiert, indem sie die Zahlen zu ihren Gunsten beeinflussten. Das zeigt ein aktueller Fall aus dem Saarland.

Dort hat eine Gruppe aus Anwälten, Staatsanwälten und einem Richter Strafanzeige wegen Millionenbetrugs bei der Freihaltepauschale gegen zwei Kliniken erstattet. Das berichtet die Berliner Zeitung. Einer Anfrage der Fraktion Die Linke im saarländischen Landtag brachte zutage, dass auch die Landesregierung von der Untersuchung betroffen ist. Zitat: „Von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges eingeleitet, das sich gegen Unbekannt richtet.“ Und: „Die Staatsanwaltschaft ist in diesem Zusammenhang mit einem Herausgabe- und Auskunftsersuchen an das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie herangetreten.“
Geringere Zahl von Intensivbetten, um die 75-Prozent-Marke bei der Belegung zu halten

Laut Berliner Zeitung hatten die Kliniken im Saarland bis Mitte 2021 rund 245 Millionen Euro bekommen. Die in der Summe enthaltene Freihaltepauschale sei zumindest in Teilen zu Unrecht bezahlt worden, so die Anzeigenerstatter. „Von einem auf den anderen Tag wurden in Deutschland tausende von Intensivbetten abgeschafft. Nur mit dieser Reduzierung der Zahl der gemeldeten Intensivbetten wurden die Förderbedingungen erfüllt“, erklärten die Juristen. „Je geringer also die absolute Zahl von Intensivbetten war, je eher erreichte deren Belegung die 75-Prozent-Marke.“ Demnach wurde die Bettenbelegung von 75 Prozent, bei der die Pauschale greift, künstlich herbeigeführt.

Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt nicht an dieser Entwicklung vorbei. Der Saarländische Rundfunk berichtete über den Fall. Die Strafanzeige richtet sich gegen die Geschäftsführer der beiden Kliniken sowie gegen namentlich nicht bekannte Personen. Sie waren laut Strafanzeige für die „Ermittlung, Zählung und Mitteilung der Zahlen hinsichtlich der Intensivbetten“ verantwortlich.

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