Tichys Einblick
Goldgräberstimmung im Reinhardswald

Windräder im Märchenwald

Trotz Einsprüchen: Die Windräder kommen in den Reinhardswald. Es gibt kein Aufbäumen der Naturschutzverbände, dafür handfeste wirtschaftliche Einzelinteressen. Da kann man auch mal autobahnähnliche Zufahrtswege durch den Märchenwald bauen.

IMAGO / Zoonar
Das Werk der grünen Naturzerstörer geht weiter: Schwere Maschinen wühlen sich durch Wälder, fällen im Industriemaßstab Bäume und hinterlassen eine schlammige Wüstenei. Unförmige Harvester packen Baumstämme, säbeln sie in Sekundenschnelle ab und legen die Stämme entastet auf die Seite. Teile des Reinhardswaldes nördlich von Kassel wurden bereits gefällt, Tausende von Bäumen werden weiterhin abgeholzt für Windräder.

Gigantische Windräder sollen dann über die Höhenzüge ragen und ein bisschen Strom produzieren – wenn der Wind weht. Vor allem werden sie die Landschaft austrocknen und millionenfach Vögel und Insekten killen. „Null Entwaldung bis 2030“ will Kanzler Scholz in Brasilien. Gleichzeitig wirft er dem brasilianischen Präsidenten Lula Millionen für die Rettung des Regenwaldes hinterher. Die derzeitige Umweltministerin Steffi Lemke verpulvert gerade Steuergelder für eine Kooperation zum Schutz von Mangroven in Afrika. Mehr Lug und Trug geht kaum. Von Klimaklebern und Waldbesetzern, die Baumhütten bauen, ist im Reinhardswald übrigens weit und breit nichts zu sehen.

Die vielen Forderungen nach einem sofortigen Stopp der Pläne und Rodungen haben nicht gefruchtet, die Gerichte winkten in Formel-1-Tempo die Genehmigungen durch, wischten Klagen und Einsprüche unter grüne Richtertische. Bäume des Reinhardswaldes werden grüner Ideologie geopfert.

TE berichtet regelmäßig über den Frevel, den grüne Naturzerstörer hier anrichten. Den hat zuletzt der grüne Wirtschaftsminister Habeck kräftig befeuert. Der will viele Windräder auch in allen Teilen der Republik sehen, nachdem er »sein« Bundesland Schleswig-Holstein als grüner Umweltminister in eine Windradwüste verwandelte.

18 Windräder mit 241 Meter Höhe dürfen zunächst einmal in den Reinhardswald gebaut werden. Genehmigt wurde auch der Bau von Zufahrtswegen für die Schwerlastwagen, die die Einzelteile auf die Höhenzüge transportieren sollen. Über die wurde noch einmal gesondert geurteilt, nachdem Anfang des Jahres der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden hatte, dass für diese Wege keine Bäume gefällt werden dürfen, solange keine eigene Baugenehmigung dafür vorläge. Das sind keine Waldwege, sondern kilometerlange, breite autobahnähnliche Trassen, deren Unterbau so verdichtet und verfestigt werden muss, dass darüber die schweren Lastwagen, Baumaschinen und Kranwagen rollen und auch um Kurven kommen können.

Während der Auseinandersetzungen gingen insgesamt mehr als 47.000 Stellungnahmen ein – sie wurden alle schnell von CDU und Grünen in Hessen beiseite gewischt oder flogen wohl direkt in die Papierkörbe. Der Wald gehört dem Land, das kann mehr oder weniger damit machen, was die Politik will.

Vor allem das Regierungspräsidium Kassel beeilte sich, die schöne nordhessische Mittelgebirgslandschaft mit Windrädern zu zerstören. Widerspruch war nicht zu erwarten. Der Politik blinken die Dollarzeichen aus den Augen. Die Pläne für die Zerstörung der Landschaft reichen schon lange zurück. Erstmals im Frühjahr 2013 wurden sie offen ausgelegt, um, wie seinerzeit das Regierungspräsidiums Kassel heuchelte, »Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Kommunen und Verwaltungen und andere Institutionen zu beteiligen«.

Die Entscheidung allerdings stand schon längst fest: Auf die Höhenzüge kommen Windräder. »Gerade das Regierungspräsidium Kassel ist bemüht, dass im rechtlichen, naturfachlichen wie sachlichen Abwägungsprozess der Windenergie als eine der Energieerzeugungsformen Raum eingeräumt wird«, lautet die offizielle Doktrin. »In Anlehnung an den Teilregionalplan Energie und an das Bundesimmissionsschutzgesetz wurden für das Gebiet des Regierungsbezirks etliche Windenergieanlagen genehmigt, die schon heute eine beträchtliche Strommenge produzieren.« Wenn der Wind weht, wurde vergessen hinzuzufügen.

Trotz Zehntausender Einsprüche gegen die Windkraftpläne des Landes hat im Oktober 2016 das Kabinett in der Landeshauptstadt Wiesbaden dem von der Regionalversammlung Nordhessen beschlossenen Teilregionalplan Energie »nach gründlicher Prüfung« zugestimmt, wie der grüne Wirtschafts- und Energieminister Tarek Al-Wazir seinerzeit stolz verkündete.

Eine besonders prekäre Rolle nahm der frühere, im Jahr 2019 in seinem Wohnhaus in Istha erschossene Regierungspräsident Walter Lübcke ein. Er sah den Reinhardswald im Norden Hessens als Top-Windstromzone an; das führte schon früh zu einer »Goldgräberstimmung«, wie Lübcke früher lobte. Er verdiente selbst als Geschäftsführer eines Windanlagenunternehmens an Windrädern und phantasierte einst sogar von einem Windstromland Nordhessen mit bis zu 1.000 Windrädern, die 150, 200 Meter hoch in den Himmel zwischen Diemelsee und Rhön ragen. Windkraftanlagen seien hervorragend, so Lübcke in einem Zeitungsartikel, sein Schwiegervater könne damit ohne Arbeit Geld verdienen.

Lübcke hat diesen Posten erst aufgegeben, als ihm von der FDP der Verstoß gegen das Neutralitätsgebot vorgeworfen wurde. René Rock, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, warf seinerzeit Lübcke mangelnde Neutralität vor. Rock damals:

»Herr Lübcke ist als Präsident des Regierungspräsidiums Kassel Chef der Behörde, die die Flächen für Windkraftanlagen plant, die Genehmigungen erteilt und Auflagen festlegt. Als solcher muss er sich an das staatliche Neutralitätsgebot halten und streng Recht und Gesetz beachten. Wer aber so redet wie Herr Lübcke und beispielsweise naturschutzrechtlich klar definierte Einschränkungen für Windindustrieanlagen abtut und sich zeitgleich öffentlich darüber freut, dass er privat viel Geld mit dem Ausbau der Windkraft verdient, der sollte nicht über die Genehmigung von Windkraftanlagen entscheiden dürfen.«

Lübcke wies die FDP-Vorwürfe seinerzeit pauschal zurück, ebenso wie die vielen Einsprüche der Bewohner Nordhessens gegen die Windpläne. Er selbst war nicht mehr Geschäftsführer der Windkraft Bründersen-Istha Verwaltungs GmbH, Wolfhagen, seitdem er Regierungspräsident wurde.

Der damalige SPD-Landtagsabgeordnete Manfred Görig rief ihm seinerzeit herzerfrischend zu: »Walter Lübcke gehört zu den wenigen Unionspolitikern, die der Windkraft positiv gegenüber stehen, schließlich hat er als Geschäftsführender Gesellschafter der Windkraft Bründersen-Istha GmbH & Co. KG in Wolfhagen reichlich Erfahrung vorzuweisen. Insofern hoffen wir, dass er dazu beiträgt, das Potential der Erneuerbaren Energien zu nutzen.«

Als alles andere als Naturschutzverbände haben sich NABU und BUND erwiesen; sie haben sich vielmehr zu Naturzerstörern gewandelt. Sie stehen hinter dieser gigantischen Naturzerstörung, wollen die Windräder in den Wäldern und lassen den kommenden tausendfachen Vogelmord zu. Sie haben damit jede Berechtigung verloren, jemals wieder ihre Stimme gegen Naturzerstörung zu erheben. Das Wort »Vogelschutz« aus deren Mund ist geheuchelt. Das hätten sich die grünen Gründer wohl nie träumen lassen, dass sie sich dermaleinst vor der Geschichte als die wahren Naturzerstörer verantworten müssen.

Der märchenhafte Reinhardswald war Inspirationsquell der Brüder Grimm. Vom Turm der Trendelburg ließ Rapunzel ihr goldenes Haar herunter, die Sababurg war das Schloss von Dornröschen. Heute findet Hans sein Glück nicht mehr wie früher im Reinhardswald, sondern stößt auf Windräder.

Die Märchensammler Brüder Grimm lebten fast 30 Jahre lang in Kassel; zahlreiche ihrer bekannten Märchen spielen oft im Wald, im tiefen, dunklen Reinhardswald. Der Unterschied: Im Märchen gewinnt das Gute.

Wenn etwa Esel, Hund und Katze altersschwach von ihren Höfen weggejagt werden, müssen sie auf ihrem Weg nach Bremen durch den Wald gehen. Dort entwickeln sie ungeahnte Kräfte, um Gefahren zu überwinden. Wenn Kinder im Wald ausgesetzt werden, müssen sie das Böse überwinden. Im Märchen besiegen sie sogar die alte böse Hexe, schieben sie in den Ofen. Doch die ist heute grün.

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