Tichys Einblick
Wo sind die Rundfunk- und Fernsehräte?

Wann nimmt die ARD von der gelenkten Demokratie Abstand?

Werden aus den öffentlich-rechtlichen Sendern Framing-Medien? Die Rundfunkräte sind gefordert.

imago/Winfried Rothermel

Man fragte sich schon, wen die ARD nach ihrem Framing-Manual-Skandal in die Öffentlichkeit schicken würde, um die Wogen zu glätten. Tief blicken lässt, dass die königlich entlohnten Senderhierarchen den ansonsten geliebten Gang vor die Kameras oder die Mikrophone vermeiden und die der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Generalsekretärin der ARD, Susanne Pfab, vorschicken, die in einem Interview mit der WELT erstaunliches in Inhalt und Tonlage von sich gibt. Verständlich, dass Susanne Pfab meint, dass dieses „Papier … völlig ungeeignet zur kommentarlosen Weiterleitung“ ist, denn es dient nach Aussage der Generalsekretärin als „interne Arbeitsunterlage“, um „im Rahmen von Workshops“ die Sendermitarbeiter zu schulen, workshops, die vermutlich von Elisabeth Wehling durchgeführt werden.

Aufstand der ARD-Anständigen?
ARD für "gelenkte Demokratie"?
Es ist zur Aufklärung des Framings-Skandals der ARD dringend erforderlich, dass die ARD dem gebührenzahlenden Bürger mitteilt, was sie Elisabeth Wehling für die Studie gezahlt hat und ob Wehling und wenn zu welchem Honorar Präsentationen, Diskussionen, Workshops, Seminare und Schulungen zum Framing Manual durchgeführt hat. Überdies erwartet die Öffentlichkeit Aufklärung darüber, in welchem finanziellen Umfang und für welche Veranstaltungen und Ausarbeitungen Elisabeth Wehling von der ARD insgesamt beauftragt worden ist.

Einen Schwerpunkt der Beschäftigung der von der ARD-Generalsekretärin hochgepriesene „Sprachforscherin“ stellt laut Wikipedia „Untersuchungen zur Propaganda der deutschen Nationalsozialisten“ dar. Die Beschäftigung mit totalitären Manipulationstechniken färbte anscheinend auf das Manual ab, in dessen Zentrum nicht Aufklärung, Information, sondern Beeinflussung steht. Während die Nationalsozialisten auf die Macht der Wiederholung setzten, wonach keine Propagandalüge zu groß sein kann, sondern nur zu wenig wiederholt wird, heißt es bei Wehling: „Nur durch die ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster über längere Zeit hinweg ist es möglich, den neuen Frames kognitiv Geltung zu verschaffen und sie damit zu einer realistischen Wahrnehmungsalternative werden zu lassen.“ Nichts Neues, doch mehr als bedenklich, wo dergleichen Techniken ihren Ursprung finden.

Untrennbare Entitäten
ARD: Läuft das Gehirnwäscheprogramm schon?
Wehling unterstellt so tollkühn wie falsch, dass alle Bürger in den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk eingewilligt hätten: „Man hat bereits zum gemeinsamen, freien Rundfunk ARD beigetragen. Daraus entstehen Arbeitsergebnisse, Produktionen, Sendungen, Formate. Sie werden von der ARD bereitgestellt (indem sie produziert oder erworben werden). Jeder Bürger kann sie jederzeit ansehen. Jeder Bürger hat uneingeschränkten Zugriff auf die gesamte mediale Infrastruktur der ARD.“ Der gemeinsame Rundfunk ist gar nicht so gemeinsam, wie Wehling behauptet. Die Gebührenfinanzierung wird nur noch durch einen starken politischen Willen aufrechterhalten, zumal die Generation der Youtuber sich für die öffentlich-rechtlichen Sender nicht mehr interessiert. Das ist im Grunde weder gut noch von Vorteil, doch zu einem beträchtlichen Teil selbstverschuldet.

Die Frage allerdings kann selbst Wehling nicht wegframen, inwieweit der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk seine Legitimation verliert, wenn erstens die Bürger seine Angebote nicht mehr anzunehmen wünschen und zweitens er gegen seinen Kultur-, Informations- und Bildungsauftrag verstößt. Nur weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk irgendwann einmal entstanden ist, besitzt er keinen Bestandsschutz. Wehling irrt, wenn sie die Kritik, die übrigens zum Essentiellen der Demokratie gehört, dadurch abzuwehren gedenkt, indem sie gegen die Kritiker das argumentum ad hominem in Stellung bringt.

ARD-Strategiepapier
ARD: Manipulieren und Moralisieren mit Gebühren
Derjenige, der die Zahlung der Gebühren verweigert, darf nicht Beitragsverweigerer genannt werden, weil das nach Wehling zu positiv klingt, denn es erinnert auch an Kriegsdienstverweigerer, nein sie empfiehlt, diesen Bürger an den Pranger zu stellen und zu kriminalisieren: „Bürger, die sich nicht gemäß der demokratischen Vereinbarung am gemeinsamen Rundfunk ARD beteiligen, sind wortbrüchig oder auch illoyal.“ Die demokratische Vereinbarung, die hier geschwärzt hervorgehoben wird, ist eine Erfindung Wehlings. Wortbrüchig kann man nur werden, wenn man sein Wort in freier Entscheidung selbst gegeben hat, das ist im Falle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht geschehen. Seit wann existiert in einer Demokratie ein Gefolgschaftszwang? In ihrem Furor, die Kritiker der ARD herabzusetzen, gehen Wehling die Nerven durch: sie werden als Täuscher und Betrüger dargestellt, als Schmarotzer, die anderen auf der Tasche liegen, die den „Willen des Volkes“ missachten, die „Wortbruch“ begehen und „sich des Loyalitätsbruches schuldig“ machen. Die Kritiker der ARD oder auch diejenigen, die keine Gebühren zahlen möchten, weil sie das Angebot der ARD nicht anzunehmen gedenken, werden dämonisiert. Sie werden zu Parasiten, mithin zu Volksschädlingen, zu Volksfeinden erklärt, die sich des größten Verbrechens, des größten Zivilisationsbruchs schuldig gemacht haben, weil sie die Gefolgschaft aufkündigten, was Wehling „Loyalitätsbruch“ nennt.

Relotius bei der ARD
ARD: Rundfunk-Sozialismus
Man kennt diese Frames, diese Forderung, dass sich der einzelne dem Willen einer abstrakten Volksgemeinschaft oder sozialistischen Menschengemeinschaft unterzuordnen hat. Die sogenannte Moral, die Wehling in den Mittelpunkt stellt, ist eigentlich eine Gesinnung, die angesprochen und eingefordert werden soll.

Wie sehr das Manual schon in der ARD wirkt, hat die Generalsekretärin Susanne Pfab in einem Interview mit der WELT dokumentiert. Susanne Pfab versucht bis in die Peinlichkeit hinein, das eigene Framing zu setzen, so wie sie es brav gelernt hat. Der Oberton von Wehlings Manual lautet: Moral. Statt auf der Basis von Fakten soll stets und ständig moralisch argumentiert werden, deshalb unterscheidet Pfab zwischen Moral und Moralisieren, wobei sie sich gleich zu Beginn des Interviews bis auf die Knochen blamiert, denn das Argumentieren auf der Grundlage einer Moral heißt für gewöhnlich moralisieren.

Angst vor dem Gebührenzahler
Der New Speak der ARD - wie wir manipuliert werden sollen
Da sie sich auf diesem Gebiet unwohl fühlt, ersetzt sie den Begriff Moral durch „Werteorientierung“, die sie durch „unsere Sprache offenlegen“ will. Eine Diskussion über die Werteorientierung der ARD wäre nach diesem Manual allerdings dringend erforderlich. Susanne Pfab versuchte es daraufhin mit einem scheinbar pfiffigen Schachzug: »Wenn wir beispielsweise formulieren: wir „erwirtschaften Überschüsse“ entsteht dadurch ein bestimmter Kontext, auch wenn der Inhalt stimmt. Wir sind kein Wirtschaftsunternehmen.« Eigentlich wollte Susanne Pfab allen Ernstes den Lesern die Botschaft unterjubeln, dass die ARD Überschüsse erwirtschafte, aber darüber nicht sprechen darf, weil sie öffentlich-rechtlich und kein kapitalistischer Kommerzsender sind. Doch, wenn die ARD „Überschüsse erwirtschaftet“, warum erfolgt keine Beitragssenkung, warum wird stattdessen eine Beitragserhöhung gefordert? Dem Interviewer, der sie darauf hinweist, dass die ARD nicht Überschüsse, sondern Defizite einfahren würde, antwortet sie das Thema wechselnd, dass im Mittelpunkt der ARD das „Gemeinwohl“ stünde. Damit erreichte Pfab das sichere Ufer von Wehlings Hauptframe: Gemeinwohl, was dann zur Gemeinwohlorientierung wird. Gemeinwohl klingt gut, nur assoziiert es auch das Wohl der Volksgemeinschaft oder der sozialistischen Menschengemeinschaft.

Totalitäre Herkunft
Sie werden geframed: von Ihrer ARD
„Wichtig ist“, sagt Pfab in getreuer Erfüllung von Wehlings Framingvorgaben, „dass wir uns bei allem, was wir tun, immer unserer Gemeinwohlorientierung bewusst sind“. Nicht nur, dass „Gemeinwohl“ ein schwammiger Begriff ist, geht es gerade darum, dass sich die ARD keines abstrakten oder grün definierten Gemeinwohl verpflichtet fühlen darf, sondern in den Nachrichten und der Berichterstattung der Wahrheit und den Anforderungen der Objektivität und im fiktionalen und kulturellen Bereich höchster künstlerischer Qualität und Wahrhaftigkeit. Sie hat eben nicht in volkspädagogischer Absicht, Nachrichten und Berichterstattung einem ideologischen Framing zu unterziehen.

Zum Beweis für guten Journalismus und die Leistungsfähigkeit des Gemeinschaftswohlsenders ARD weiß Pfab zu berichten, dass man intensiv über die Europawahl „berichten“ wird, wahrscheinlich so objektiv und so gemeinwohlorientiert wie Tina Hassel über den grünen Parteitag.

In einer Attitüde der Arroganz der Macht verkündet die Generalsekretärin, dass die Aufregung „um dieses Papier“ nur „funktioniert“, wenn man nicht weiß, dass die „Vorschläge von Dr. Wehling“ nicht einfach umgesetzt werden sollen, sondern sie viel mehr in Workshops zu trainieren seien. Allerdings stellt sich nach Lektüre von Interview und Manual die Frage, ob Journalisten diese Workshops als Journalisten oder als Framer verlassen.

Wie das Framing bis ins Kinderprogramm der Öffentlich-Rechtlichen als pure Propaganda vorgedrungen ist, kann man an Sendungen wie logo, den Kinder“nachrichten“, tagtäglich beobachten. Unsere Kinder sind wehrlos, wenn sie Kika schauen, dem Framing der Öffentlich-Rechtlichen ausgesetzt.

Sag zum Abschied leise Servus
Von der freien zur kontrollierten Demokratie?
Susanne Pfab nennt Elisabeth Wehling eine „Sprachforscherin“, das darf sie, denn der Titel ist nicht geschützt. Fakt ist, dass Wehlings Forschungen aus meiner Sicht ohne jeden linguistischen Wert sind, denn zum einen geht es um schlichte Manipulierung und zum anderen wurden neue, klingende englischsprachige Begriffe für etwas gefunden, das allenfalls als Einführung in die Linguistik anzusehen ist, denn, dass Worte sowohl Denotationen leisten und über Konnotationen (neudeutsch Frame) verfügen, ist eine so banale, altbekannte Tatsache. Wissenschaftlich gesehen, verkauft Elisabeth Wehling der ARD des Kaisers neue Kleider. Nun allerdings steht sie nackt da, die ARD.

Wie framed Susanne Pfab doch stolz: »Dass Medien Glaubwürdigkeitsprobleme haben und nachweisen müssen, dass sie Vertrauen verdienen – das ist doch unbestritten. Aber der Begriff „Krise“ trifft nicht zu. Das transportiert doch gleich wieder ein Bild.« Und zwar aus Sicht Pfabs das falsche. Medien müssen nicht durch Framing den Eindruck von Glaubwürdigkeit vermitteln, sondern sie haben glaubwürdig zu sein, indem sie so objektiv als möglich berichten und Haltung durch Neugier und Offenheit ersetzen. Denn wie sagte einmal ein alter, erfahrener Schauspieler: „Haltungen haben nur Gartenzwerge.“

Gruß aus der Filterblase der urbanen Elite
Wie der Journalismus sich abschafft
Das Interview zeigt, dass bereits die Generalsekretärin der ARD das Framing Manual, das eine Manipulationsanleitung auf der Grundlage totalitärer, undemokratischer Maximen darstellt, verinnerlicht hat. Oder wie soll man das Motto verstehen: „Kontrollierte Demokratie statt jeder wie er will.“

Wenn ein wirklich öffentlich-rechtlicher Rundfunk, wie wir ihn einmal hatten und den eine Demokratie benötigt, wieder seinen Aufgaben vollumfänglich gerecht werden soll, so muss er sich von Framing Manualen, vom Haltungsjournalismus, von Volkspädagogik und Propagandaversuchen befreien, und wieder erzählen und berichten, was ist.

Will man die öffentlich-rechtlichen Sender erhalten, wofür ich bin, bedürfen sie einer gründlichen Reform an Haupt und Gliedern. Die Rundfunk- und Fernsehräte sind gefordert.