Tichys Einblick
Energiekrise nimmt weiter zu

Nach Gas könnte nun auch Öl knapp und teuer werden

Opec plus hat gestern beschlossen, die Fördermenge von Erdöl um bis zu zwei Millionen
 Barrel pro Tag zu reduzieren. Seit gestern muss sich Habeck nicht nur um Gas und Strom kümmern, sondern auch um Öl. In Deutschland gehen die Lichter aus, weil die Regierung einen Kurzschluss nach dem anderen produziert.

Ölverarbeitungsanlage von Saudi Aramco, einem saudi-arabischen Öl- und Gasunternehmen, auf dem Ölfeld Abqaiq, August 2019

IMAGO

Nun ist es amtlich, die Organisation der erdölexportierenden Länder, Opec plus, hat gestern beschlossen, die Fördermenge von Erdöl um bis zu zwei Millionen
 Barrel pro Tag zu reduzieren. Die Reduktion entspricht in etwa 2 Prozent der Ölnachfrage weltweit. Würden wir in der besten aller Welten leben, in der alles seinen geregelten Gang ginge, dann wäre das nicht allzu beunruhigend, weil der Ölpreis zurzeit tatsächlich nicht allzu hoch ist. Doch als Reaktion auf die Ankündigung stieg der Ölpreis in London um bis zu 2,4 Prozent auf 93,96 Dollar pro Barrel.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Wie Holger Douglas im TE Wecker berichtete, wolle die Opec Preise um die 90 Dollar, wie der nigerianische Staatsminister für Erdölressourcen, Timipre Sylva, nach dem Treffen der Opec plus in Wien sagte. Die Reduzierung der Fördermenge soll bis Ende 2023 in Kraft bleiben. Holger Douglas kommentiert: „Es handelt sich um die größte Kürzung der Produktionsmenge der Organisation erdölexportierender Länder und ihrer Verbündeten seit 2020. Sie gilt als Reaktion auf die weltweit gesunkenen Rohölpreise. Die sind relativ niedrig im Gegensatz zu den Preisen an der Tankstelle, die werden durch staatliche Geldgier hochgetrieben.“

Nun leben wir bekanntlich nicht in der besten aller Welten, und so wird die Meldung erst brisant, wenn man das Umfeld betrachtet. US-Präsident Joe Biden scheiterte in Riad mit dem Versuch, die Einschränkung der Fördermenge zu verhindern, krachend. So krachend, dass er jetzt die Freigabe eines Teils der nationalen Ölreserve ins Spiel bringt, um einen Preisanstieg für Benzin in den USA zu verhindern. Was kann Deutschland ins Spiel bringen? Die Steigerung der Produktion von Lastenfahrrädern? Vielleicht, wenn wir die nötige Energie dafür haben sollten.

In Washington jedenfalls darf man die saudische Zustimmung zur Ölförderungsreduktion als Niederlage des US-Präsidenten sehen, vielleicht sogar als eine Ohrfeige. Das Handelsblatt resümiert: „Mit dem heutigen Tag ist klar: Saudi-Arabien steht an der Seite von Kremlchef Wladimir Putin. Die Gespräche von US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder Bundeskanzler Olaf Scholz mit Mohammed bin Salman, in denen sie Riad um eine Ausweitung der Ölproduktion baten, blieben allesamt ohne Ergebnis.“ Nicht nur ohne Ergebnis, sie führten zum Gegenteil. Was man in Europa immer noch noch nicht wahrnimmt, ist, dass eine neue Weltordnung entsteht und Europa sich auf dem besten Weg ins Abseits befindet.

Verstaatlichung des Energiesektors
Das Wirtschaftsministerium als Zaubereiministerium: Kommt das Gas aus den Gaskraftwerken?
Russland hatte sich stark gemacht für die Drosselung der Fördermenge, nur wäre ohne Unterstützung der Saudis dem russischen Vorstoß kein Erfolg beschieden gewesen. Wenige Stunden vor dem Beschluss der Opec plus hatte übrigens die EU ihrerseits ein achtes Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht, das unter anderem einen Preisdeckel für Erdöl aus Russland vorsieht. Ohnehin soll Ende des Jahres ein Embargo gegen russisches Erdöl in Kraft treten, das die meisten, aber nicht alle europäischen Staaten tragen werden. Deutschland wird es allerdings eher ertragen als tragen. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet: „Die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten billigten am Mittwoch unter anderem die rechtlichen Voraussetzungen für einen von den G7-Staaten unterstützten Preisdeckel für Ölimporte aus Russland.“

Aus Sicht des Kremls ist es deshalb nur logisch, sich nach anderen Käufern umzusehen. Die Reduktion der Angebotsmenge wird es Russland sogar noch erleichtern, sein Erdöl nach Indien, das Deutschland gern 11 Milliarden Euro spendiert, und nach China zu verkaufen. Die verfügte Treuhänderschaft von Rosneft Deutschland, die Habeck vor allem vorantrieb, um Polen gefällig zu sein, dürfte Putin ohnehin nicht motivieren, Erdöl weiter nach Deutschland zu liefern. In einem Umfeld, in dem die Inflation galoppiert und eine Insolvenzwelle losbricht, getrieben von explodierenden Energiepreisen, jetzt auch noch alles dafür zu tun, damit sich auch die Erdöl- und damit die Benzinpreise an den Tankstellen erhöhen, gehört zu den politischen Meisterleistungen der Ampel.

#DankeRobert wird Deutschland so unabhängig von russischem Erdöl machen, wie er zuvor Deutschland unabhängig von russischem Erdgas gemacht hat. In dieser Situation zeigt sich Habecks Bundesnetzagenturchef Müller besorgt über den zu hohen Gasverbrauch in Deutschland, was Müllers Parteifreund Habeck motiviert, die Absicht zu verkünden, RWE beim Bau neuer Gaskraftwerke bis 2030 zu unterstützen, weil sich kein privater Investor findet. Wir haben kein Gas, sollen mehr und mehr sparen und bauen neue Gaskraftwerke?

Blackrock-Förderprogramm aus der Staatskasse
RWE investiert Steuer-Milliarden in USA – Friedrich Merz erneut im Zwielicht
Der Deal lautet: RWE hilft mit dabei, den Ausstieg aus der Kohleverstromung von 2038 auf 2030 vorzuverlegen. In den USA hat RWE schon einmal den Solar-Spezialisten „Con Edison Clean Energy Businesses“ gekauft. In Deutschland treibt RWE den Ausbau erneuerbarer Energien voran, indem der Konzern Gaskraftwerke baut, deren Bau vom Staat mitfinanziert werden. Besser geht es nicht für RWE, dafür immer noch schlechter für den deutschen Steuerzahler und für den deutschen Energiekunden.

Helima Corft, Opec-Expertin der Investmentbank RBC Capital Markets, gibt zu bedenken, dass die Sanktionen nur einen Erfolg haben werden, wenn Russland keine andere Wahl habe, als den vorgeschriebenen Preis zu akzeptieren. Doch Russland hat sich in der Opec plus damit durchgesetzt, dass die Fördermengen reduziert werden, Erdöl also verknappt und verteuert wird. Croft hält es daher „für sehr wahrscheinlich, dass Russland vorher damit beginnen wird, seine Produktion selektiv zu drosseln, um zu versuchen, das europäische Kalkül in Bezug auf den Ukrainekrieg zu ändern“. Die Reduktion der Fördermenge erschwert dem Westen, die neuen Sanktionen zum Erfolg zu führen. Bhushan Bahree, vom Analysehaus S&P Commodity Insights analysiert: „In dem Maße, in dem die Preise steigen, wird es für Europa sehr viel schwieriger, seine Sanktionen gegen russisches Öl im Dezember durchzusetzen.“

Die EU, aber auch die Ampel, allen voran Baerbock und Habeck haben im Grunde einen Wirtschaftskrieg gegen Russland mitentfesselt, ohne die geringste Ahnung zu besitzen, was zu tun und wie er zu gewinnen ist. Habeck hat durch eine absurde, ideologiegeleitete Wirtschafts- und Energiepolitik eigentlich alles dafür getan, die Chancen des Kremls, den Wirtschaftskrieg zu gewinnen, zu vergrößern. Die Sanktionen wirken vortrefflich, wie eine Handgranate vortrefflich wirkt, wenn man den Splint zieht, den Bügel wegwirft, aber die Granate in der Hand behält. Die Sanktionen zerstören zunehmend die deutsche Wirtschaft. Über die Unfähigkeit der Regierung helfen keine Durchhalte- und Sparapelle hinweg. Die Ampel hat die Meisterleistung vollbracht, den Wirtschaftskrieg auszurufen und gleichzeitig Deutschland zu entwaffnen. Umso geringer das Energieangebot wird, umso größer werden die Rettungspakete.

Die könnten sich allerdings als Bumerang erweisen, denn von Kiew über Warschau bis Rom ist es kein Geheimnis, wie man mit der deutschen Regierung umzugehen hat, derweil Macron an einem französischen Super-Europa bastelt. Dass Paris den Strompreis deckelte, war kein Problem, wenn Deutschland eine Deckelung des Energiepreises vornehmen will, hört man von der designierten Regierungschefin Italiens Forderungen. Denkt Frankreich an seine Bürger, ist es normal, macht es Deutschland, ist Deutschland unsolidarisch. Es ist verständlich, dass Giorgia Meloni gern etwas vom deutschen Entlastungspaket, etwas von dem 200 Milliarden Pakt abhaben möchte.

Experten warnen
Gaspreisbremse: Habecks Vorschläge sind nicht machbar
200 Milliarden? War da nicht etwas? Richtig, Italien erhält aus dem 750 Milliarden schweren Programm unter dem Namen „Next Generation EU“ mit 191,5 Milliarden Euro ein Viertel der Gesamtsumme, knapp 69 Milliarden Euro als nicht rückzahlbarer Zuschuss und 123 Milliarden Euro als Kredit. Dafür nimmt die EU-Kommission Schulden auf, die bis 2058 zwar gemeinsam, aber natürlich anteilsmäßig getilgt werden müssen. Sollten Staaten bei der Rückzahlung ausfallen, müssen die anderen Staaten dafür einspringen. Deutschlands Haftungsrisiko ist ohnehin am größten. Nach Italien ist der größte Profiteur Spanien mit bis zu 140 Milliarden. Frankreich hat 40,9 Milliarden Euro beantragt, Griechenland 30,5 Milliarden, Deutschland 25,6 Milliarden.

402,9 Milliarden von den 672,5 Milliarden, die von den 750 Milliarden zur Auszahlung kommen, fließen also an den Club Med. Was dann noch von den 750 Milliarden Euro übrig bleibt, verteilt die EU-Administration über Programme. Der Ökonom Daniel Stelter bemerkte, dass die mittleren Privatvermögen in Italien und Spanien nach Daten von 2019 deutlich über denen Deutschlands lagen und zudem sei die Steuerbelastung in beiden Ländern deutlich niedriger. So könnten die beiden Staaten auf das Vermögen ihrer Bürger zugreifen, anstatt sich von anderen EU-Staaten finanzieren zu lassen. Diese Option werde in Italien und Spanien jedoch nicht diskutiert.

Genug ist eben nicht genug. Dass Polen Reparationen in Billionenhöhe verlangt, kann man Polen nicht vorwerfen, wenn sich Wirtschaftsminister Habeck in Fragen Energie, in Fragen Gas von Polen abhängig macht, dass Giorgia Meloni der Meinung ist, von den deutschen Milliarden, die Deutschland dank der noch vorhandenen Bonität beleiht, etwas abzubekommen hat, kann man Giorgia Meloni nicht verdenken, wenn Angela Merkel die Bundesbank entmachtet und der französischen Philosophie des Geldes zum Siege verholfen hat, wenn sich Berlin von Rom und Paris in Richtung Staatsfinanzierung und Weichwährung Euro treiben lässt. Die einzigen Interessen, die die Bundesregierung seit Angela Merkel schon nicht mehr vertritt, sind die Interessen der deutschen Bürger.

Seit gestern muss sich Robert Habeck nicht nur um Gas und Strom kümmern, sondern auch um Erdöl. In Deutschland gehen die Lichter aus, weil die Regierung einen Kurzschluss nach dem anderen produziert.

Im Zusammenhang mit der drohenden Erdölverknappung und -verteuerung ist folgende Meldung interessant: Michael Kellner, Habecks Staatssekretär, unter dessen Federführung das Konzept dafür erarbeitet worden ist, Rosneft Deutschland unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur zu stellen, TE berichtete, twitterte: „Ab heute bin ich Ansprechpartner der Bundesregierung für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Ich freue mich über eine Aufgabe, deren Thema mir persönlich am Herzen liegt. Gerade in diesen Zeiten ist die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs und seiner Impulsgeberfunktion wichtig.“

Fällt der Pfusch von Schwedt jetzt selbst im Bundeswirtschaftsministerium auf?

Anzeige