Tichys Einblick
Nachfolge Juncker

Juncker-Nachfolge: Ob Weber oder Stubb ist Merkel egal

Wer auch immer der Nachfolger von Jean-Claude Juncker wird: einen Kurswechsel in der EU-Politik gibt es weder wegen Stubb noch wegen Weber. Wenn sonst nichts funktioniert in der EU, das Personalkarussell arbeitet zuverlässig.

© Getty Images

Im Mai 2019 finden die Wahlen zum nächsten Europäischen Parlament statt. In den EU-Fraktionen wird diskutiert, ob man sich an der Prozedur zur Wahl des europäischen Spitzenkandidaten beteiligen soll. Schon die Aussprache des schwierigen deutschen Wortes, welches seit dem Duell zwischen Juncker und Schulz vor fünf Jahren hier in Brüssel in den allgemeinen Wortschatz übergegangen ist, ist für manche Zungen eine Herausforderung. Von vielen EU-Abgeordneten wird diese „Spitzenkandidatur“ rund heraus als deutsche Erfindung abgelehnt.

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Bei der derzeit größten Fraktion im EU-Parlament, der Europäischen Volkspartei EVP, wird es selbstverständlich einen Spitzenkandidaten geben. Nachdem Michel Barnier seine Kandidatur zurückgezogen hat, haben innerhalb der Fraktion der Deutsche Manfred Weber von der CSU und der Finne Alexander Stubb von der Nationalen Sammlungspartei jeweils ihren Hut in den Ring geworfen. Während Weber ein zuverlässiger deutscher Parteisoldat ist, ist Alexander Stubb eher eine schillernde Persönlichkeit, der Sunnyboy der finnischen Politik. Sowohl Weber als auch Stubb sind überzeugte Pro-EUler mit entsprechenden Karrieren. Weber, der aus der bayerischen Provinz stammt, ist als Fraktionsvorsitzender gut vernetzt Er gilt als Intimus von Martin Schulz und Guy Verhofstadt und bewegt sich sicher auf dem internationalen Parkett. Stubb hat dagegen Erfahrung als Ministerpräsident in Finnland, wenn auch nur für ein halbes Jahr. Außerdem war Stubb in Finnland Europa- und Handelsminister, Finanzminister und Außenminister, sowie Mitglied des Direktoriums der Europäischen Investitionsbank EIB. Der politische Unterschied zwischen beiden dürfte allerdings marginal sein: Stubb schätzt sich selbst als Mitte-Links ein, während er Weber als Mitte-Rechts verortet. Keine große rhetorische Abgrenzung angesichts der teils deutlichen Unterschiede im Verständnis der einzelnen europäischen Länder, was als links oder rechts einzuordnen ist.

Weber, der dem EU-Parlament seit 2004 angehört, fällt in Brüssel bzw. Strasbourg in erster Linie dadurch auf, dass er den Kurs von Kanzlerin Merkel oder Kommissionspräsident Juncker wortreich und weitgehend unkritisch unterstützt. Insbesondere Merkels Politik der offenen Grenzen sprach Weber lange Zeit das Wort. Während die bayerische CSU im Januar 2018 Victor Orban zur traditionellen Winterklausur nach Kloster Seon einlud, um inhaltliche Nähe zu dem Ungarn zu demonstrieren, stimmte die EU-CSU in Strasbourg unter Manfred Weber im September für die Einleitung eines Verfahrens gegen Ungarn und damit gegen Orbans Politik.

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Die Widersprüchlichkeit zwischen dem bayerischen und dem EU-Gesicht der CSU schlägt sich auch andern Orts nieder. Während Seehofer und Söder in Deutschland in den letzten Monaten versuchten, sich von der Migrationspolitik der Kanzlerin abzugrenzen, stimmte die CSU in Brüssel unter Weber für die Einführung des geplanten EU-Asylrechts, wonach jeder Migrant in dem EU-Land seinen Antrag stellen kann, in dem er oder sie angeblich bereits Verwandte oder soziale Bindungen hat. Im Juni stimmte die CSU dann auch noch im Bundestag für die Wiederaufnahme des Familiennachzugs.

Die CSU hat hier in Brüssel wenig Hemmungen, mit den Linksliberalen der ALDE, den Sozialisten der S&D oder den EU-Grünen zusammen zu arbeiten. Frau Zimmer von den Linken wird von Manfred Weber schon mal öffentlich im Plenum mit „Liebe Gabi“ angesprochen. Man stelle sich dies im Deutschen Bundestag vor. Aber Brüssel ist eben weit weg von Berlin.

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Das vielleicht Herausragendste, was Manfred Weber nach 5 Jahren Fraktionsvorsitz der EVP im EUP hinterlassen wird, ist das Interrail-Ticket. So wurde auf Webers Initiative dieses 1 Milliarde Steuergeld teure Programm auf den Weg gebracht, dass allen Jugendlichen über 18 Jahren ein kostenloses (also für den Jugendlichen, nicht für den Steuerzahler) Interrail-Ticket garantiert. Das Ziel Webers ist nach eigener Aussage, den jungen Menschen Europa nahe zu bringen. Ob das angesichts der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten vieler Regionen Europas die richtige Priorität ist, bleibt fraglich.

Die Wahl des „Spitzenkandidaten“ der EVP soll im November dieses Jahres in Helsinki stattfinden, wo sich die gesamte Prominenz der europäischen Parteien dieser Fraktion einfinden wird. Selbstverständlich wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet, der im Prinzip sowohl Weber als auch Stubb als zukünftiger Kommissionspräsident recht sein wird.

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Trotzdem ist es eher wahrscheinlich, dass Manfred Weber der Spitzenkandidat der EVP und damit auch der nächste Präsident der EU-Kommission wird. Es wird vermutet, dass Angela Merkel mit dem französischen Präsidenten Macron einen Handel gemacht hat: Macron darf den Posten des EZB-Präsidenten mit einem Südeuropäer besetzen, der Mario Draghis Politik fortführen wird, und Merkel bekommt dafür den Posten des Kommissionspräsidenten für einen ihrer Getreuen. Auf einen Kandidaten Jens Weidmann für die EZB dürfte Merkel hingegen gerne verzichtet haben. Zwar gilt Merkel auch in Brüssel längst als „lame duck“, aber das deutsche Geld wird in der EU dringend benötigt.

Für Stubb indes bliebe dann ein Posten als Kommissar für Außen- und Sicherheitspolitik: im Moment wird er als Nachfolger für Federica Mogherini gehandelt.

Wer auch immer der Nachfolger von Jean-Claude Juncker wird: einen Kurswechsel in der Europa-Politik gibt es weder wegen Stubb noch wegen Weber. Wenn sonst nichts funktioniert in der EU, das Personalkarussell arbeitet zuverlässig.


Ulrike Trebesius ist Mitglied des EU-Parlaments.