Tichys Einblick
Robert Habeck beim G7-Treffen

Habecks Devise: Unsere Wirtschaft zerstören wir selbst

Robert Habeck spricht beim G7-Treffen vollmundig von Investitionen in der Ukraine und kündigt einen schärferen Kurs gegen China an. Wie das funktionieren soll, wenn vorher die deutsche Wirtschaft geschwächt wird, scheint ihn nicht zu kümmern.

Wirtschaftsminister Robert Habeck beim G7-Treffen in Schloss Neuhardenberg, 15.09.2022

IMAGO / Frank Ossenbrink

Auf einer Fotomontage sind die sich amüsierenden Gesichter von Annalena Baerbock und Robert Habeck zu sehen. Der Fotomonteur hat der lachenden Annalena Baerbock, die aussieht, als erzähle sie gerade einen lustigen Streich, die Worte in die Sprechblase gelegt: „Putin denkt, dass er unsere Wirtschaft zerstören kann. Pech gehabt: wir waren schneller.“ Habeck nimmt ihre Worte mit schelmischer Freude zur Kenntnis. Man könnte die beiden für Max und Moritz der Politik halten. 

Die Fotomontage als Karikatur würde stimmen, wenn die Weltinnenministerin und der Fachmann für Insolvenzrecht wüssten, wovon sie sprechen. Baerbocks Reden kosten gemeinhin die deutschen Familien und die deutsche Wirtschaft viel Geld, da sie nach über einem Dreivierteljahr im Amt immer noch nicht verstanden hat, dass sie als Deutschlands Chefdiplomatin Deutschlands Interessen zu vertreten hat.

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Robert Habeck jedenfalls hat den Staffelstab Baerbocks übernommen und am Donnerstag auf Schloss Neuhardenberg in Brandenburg am Rande des Treffens der Handelsminister der G7 geäußert, dass die Ukraine für den Wiederaufbau vermutlich rund 350 Milliarden Euro benötigt. Auch wenn Robert Habeck von sich glauben mag, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen, braucht man ihm hierin nicht zu folgen, sondern darf die Frage stellen, wie er auf die „gigantische Summe“, wie er selbst einschätzt, kommt. Um eine Erklärung ist jedenfalls der deutsche Wirtschaftsminister nicht verlegen, die Summe sei ihm von der ukrainischen Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko, die auch beim G7-Treffen dabei ist, genannt worden. Na, dann, wenn die Ukraine das benötigt, wird sich Robert Habeck nicht lumpen lassen. Es ist ja nur Geld. Es ist ja nur Steuergeld. Geld, das der deutsche Staat denjenigen in Deutschland abknöpft, die noch arbeiten, die noch Werte schaffen. Ja, die soll es noch geben. 

Übrigens, was leicht in Vergessenheit gerät bei der Menge der triumphalen Ankündigungen des Wirtschaftsministers: Robert Habecks „Wirtschaftsministerium hat im Juli das ‚Energiekostendämpfungsprogramm‘ vorgestellt. Bisher haben 586 Unternehmen zusammen 3208 Anträge gestellt. Das geht aus der Antwort einer Anfrage der Unions-Bundestagsfraktion hervor. Von diesen 3208 Anträgen sind demnach bisher 24 positiv beschieden worden – weniger als 1 Prozent“, berichtete TE. Und weiter:

„‚Schon jetzt steigt die Zahl der Insolvenzen: ein Viertel mehr als im Vorjahr‘, sagt die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU, Julia Klöckner. Wenn Habeck Hilfen ankündige, ‚müssen diese auch rechtzeitig dort ankommen, wo sie dringend benötigt werden.‘ Habeck hat reagiert. Er verspricht, das Programm auszuweiten. Bisher hat der grüne Vizekanzler nur viel Geld versprochen, aber nicht ausgezahlt. Jetzt verspricht er noch mehr Geld.

So ist das mit Ankündigungsministern, es klingt zwar gut, was sie sagen, es verliert nur leider an Glaubwürdigkeit. 

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Robert Habeck verspricht Staatsgeld auch für die Bäcker
Für die Hilfen für die Mittelständler, für die Bäcker beispielsweise, für die Entlastungen der Privathaushalte will er sich jetzt allerdings Zeit lassen, damit ihm nicht wieder „handwerkliche“ Fehler unterlaufen. Keine Zeit will er sich hingegen lassen mit dem Wiederaufbau der Ukraine, obwohl der Krieg leider noch tobt, und obwohl anders als die deutschen Medien zu glauben scheinen, der Ausgang des Krieges noch längst nicht entschieden ist. Gerade eben hat sich im Focus der Bundeswehr-Inspekteur General Eberhard Zorn dahingehend geäußert, dass er bislang keine echte Gegenoffensive der Ukrainer erkennen könne: „Ich bin mit den Begriffen vorsichtig.“ Er sehe allenfalls „Gegenstöße, mit denen man Orte oder einzelne Frontabschnitte zurückgewinnen, aber nicht Russland auf breiter Front zurückdrängen kann“.

Dennoch können nach der Expertise des ehemaligen Zivildienstleistenden Robert Habeck deutsche Firmen bereits in der Ukraine investieren. Falls die Investitionen fehlschlügen, falls Anlagen im Krieg zerstört werden, würde es dafür Absicherungen über sogenannte Rückfallgarantien geben. Rückfallgarantien? Von wem? Vom deutschen Steuerzahler? 

Getreu seiner Lehrmeisterin Mariana Mazzucato stellt sich Habeck vor, dass man einen Fonds schüfe, der den Wirkungsgrad privater Investitionen verstärkte. Ein solcher Fonds macht aber nichts anderes, als Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren. Habecks Wirtschafts-Hasard geht eindeutig und einseitig zulasten der deutschen Bürger. Annalena Baerbock hat es vor kurzem klar und deutlich formuliert: „Egal, was meine deutschen Wähler denken: Ich möchte für die Ukraine liefern. Und deshalb ist es für mich immer wichtig, immer sehr offen und eindeutig zu sein. Und das bedeutet, dass ich bei jeder Maßnahme, die ich ergreife, eindeutig machen muss, dass diese Maßnahme so lange hält, wie die Ukraine mich braucht.“

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Derselbe Robert Habeck, der noch kein zusätzliches Molekül Gas nach Deutschland geholt hat, der sich in Katar, Norwegen und Kanada nur Absagen einfing, der auch keinerlei Idee vorzuweisen vermag, wie Berlin, Brandenburg und das mitteldeutsche Chemiedreieck mit Erdöl versorgt werden, wenn auch das aufhört, aus der Pipeline zu fließen, der tatsächlich glaubt, man könne die Wirtschaft runter- und wieder hochfahren, wie man Licht an- oder ausknipst durch das Betätigen eines Schalters, der meint, keine Firma müsse insolvent gehen, sie müssten nur aufhören zu produzieren – derselbe Robert Habeck kündigt vollmundig in Neuhardenberg in einem Reuters-Interview an, in der Handelspolitik gegenüber China einen schärferen Kurs zu fahren.

Zwar sei China ein willkommener Handelspartner. „Aber wenn es Staatsprotektionismus gibt, dann muss er mit Gegenmaßnahmen bekämpft werden. Wir können uns nicht erpressen lassen.“ Natürlich müssen wir unsere strategische Abhängigkeit klug und step by step verringern, doch sollte man sie erst reduzieren und dann darüber sprechen – und nicht umgekehrt. Wahrscheinlich hängen die Grünen der Vorstellung an, dass, wenn sie es sagen, es auch schon geschehen sei.

Der Handelsexperte Volker Treier vom DIHK wies darauf hin, dass alle G-7-Länder „bei Rohstoffen in starker Abhängigkeit von China, beispielsweise bei Silizium oder Seltenen Erden“ sich befinden, Rohstoffe, die gerade für die so heilig gesprochene E-Mobilität von Bedeutung sind. Treier schätzt realistisch ein, dass man in China Geschäfte machte, „die oft nicht unseren Vorstellungen von Nachhaltigkeit und Fairness entsprechen. Aber wir sind dann abhängig von den so gewonnenen Rohstoffen.“ Bevor wir also reden, sollten wir handeln – und zwar geostrategisch klug –, denn sonst Handeln andere für uns – und wir können nur noch über deren Handlungen reden. 

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Kündigungen: Kein Strom mehr für zahlreiche mittelständische Unternehmen 
Fast gleichzeitig trafen am Rande des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) im usbekischen Samarkand Wladimir Putin und Xi Jingping zusammen. Putin dankte China für die Unterstützung aus Peking und die „ausgewogene Position unserer chinesischen Freunde“. Xi formulierte ausdrücklich, dass China und Russland für „Stabilität und positive Energie in einer chaotischen Welt“ sorgen wollen. 

Es scheint den Meisterstrategen im Weltinnenministerium und im Wirtschaftsministerium in Berlin entgangen zu sein, dass eine Neue Weltordnung im Entstehen begriffen ist – und Deutschland, indem es seine Wirtschaft und seinen Wohlstand selbst zerstört, sich jeder Möglichkeit beraubt, als Akteur in dieser neuen Weltordnung selbst zu handeln – und nicht nur Spielball fremder Interessen zu sein. Johann Wolfgang von Goethe hat es treffend ausgedrückt: 

Geh, gehorche meinen Winken,
Nutze deine jungen Tage,
Lerne zeitig klüger sein:
Auf des Glückes großer Waage
Steht die Zunge selten ein;
Du musst steigen oder sinken,
Du musst herrschen und gewinnen,
Oder dienen und verlieren,
Leiden oder triumphieren,
Amboss oder Hammer sein.

Die Politik der Ampel macht Deutschland zum Amboss. Diejenigen, die immer ganz viel wollen, werden nichts erreichen. Sie sind die Erben, die das Erbe verspielen. Sie gleichen Hans im Glück.

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