Tichys Einblick
Brandbrief an Kretschmann und Strobl

Drei Oberbürgermeister legen den Finger in die Wunden einer falschen Asylpolitik

Die migrantischen Randalierer in Stuttgart und Frankfurt stören nicht nur die öffentliche Ordnung, sondern auch das Narrativ, sie seien nur Opfer und keine Täter. Dem Versuch, dies wieder zurechtzurücken, haben nun drei Oberbürgermeister aus der schwäbischen Provinz einen Strich durch die Rechnung gemacht.

imago Images/Eibner

Schon im Jahr 2017 warnte der grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer in einem Buch vor dem absehbaren Scheitern der Integration vieler Asyl-Einwanderer in Folge einer Überforderung der Aufnahmekapazitäten des deutschen Arbeitsmarktes durch die von der Bundesregierung forcierte Masseneinwanderung. Damit hat er sich weder bei seinen Parteifreunden noch bei der Bundesregierung Freunde gemacht, singen beide zusammen doch bis heute das hohe Lied von einer gelingenden Integration, stimmgewaltig begleitet von der deutschen Asyllobby, bestehend aus den Asyl- und Migrantenorganisationen, den Gewerkschaften, den Arbeitgeberverbänden, den meisten Medien und – last not least – den beiden christlichen Kirchen.

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Der Text des Liedes handelt von Menschen, die allesamt Opfer von Krieg und Elend geworden sind und deswegen in Deutschland, das aufgrund einer drohenden Vergreisung dringend einer Einwanderung junger Menschen aus der Dritten Welt bedürfe, eine neue Heimat finden sollen. Das Lied wird inzwischen in zahlreichen Varianten tagtäglich über so gut wie alle öffentlichen Kanäle gesendet – wenn da nicht einige Asyl-Einwanderer wären, die in eher unregelmäßigen Abständen, dafür aber immer häufiger der Öffentlichkeit eindrücklich vor Augen führen, daß sie keineswegs (nur) Opfer, sondern (auch) Täter sind. Erstmals offen zutage getreten ist ihr Täter-Dasein nach der Grenzöffnung des Jahres 2015 in der darauf folgenden Kölner Silvesternacht, dann immer wieder bei größeren und kleineren Gewaltdelikten bis hin zu islamistischen Attentaten und Attentatsversuchen und nun jüngst bei den spektakulären Krawallen in Stuttgart und Frankfurt a.M.

Die an solchen „Events“ beteiligten Asyl-Einwanderer stören damit keineswegs nur die öffentliche Ordnung, sondern den sorgfältig einstudierten, einstimmigen Refugee-Welcome Chor beim Vortrag seiner Ballade von den Segnungen grenzenloser Asyl-Einwanderung, der sich auf solche Störfälle inzwischen aber gezielt vorbereitet hat. Um das mühsam erzeugte Opfer-Narrativ davor zu schützen, durch die kriminelle Täterschaft eines Teils der Asyl-Einwanderer an Glaubwürdigkeit einzubüßen, ziehen allen voran die Medien sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Register, um aus den Tätern in der öffentlichen Wahrnehmung wieder Opfer zu machen. Dabei wird selbst zu den krudesten Methoden gegriffen, um so zu vermeiden, daß ein Weltbild ins Wanken gerät, das Täter nur auf der Seite der einheimischen Bevölkerung, nicht jedoch auf Seiten der Asyl-Einwanderer verortet.

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Nachgerade bilderbuchmäßig war dies am Beispiel der Stuttgarter Krawallnacht zu beobachten, bei der, wie später auch in Frankfurt, neben deutschen Tätern mit und ohne Migrationshintergrund auch zahlreiche junge Asyl-Einwanderer massiv gegen die Polizei gewalttätig wurden. Nachdem ein Mitglied der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat wahrheitswidrig behauptet hatte, der Stuttgarter Polizeipräsident habe erklärt, er wolle bei den festgenommenen Randalierern „Stammbaumforschung“ betreiben lassen, machten die Stuttgarter Zeitung (StZ) und die Stuttgarter Nachrichten (StN) diese Falschbehauptung sofort einige Tage ungeprüft publik. Aus mutmaßlichen Tätern sollten so im Zusammenspiel zwischen einem grünen Lokalpolitiker und den regionalen Medien wieder Opfer eines strukturellen Rassismus der Polizei werden. Das mediale Opfer-Narrativ hätte wieder funktioniert und der Refugee-Welcome-Chor hätte ungestört seine Ballade in ganz Deutschland weiter singen können.

Dies gelang dieses Mal aber nicht, zum einen, weil die Stuttgarter Polizei sich erfolgreich gegen den Versuch, mit Hilfe des Rassismus-Labels ihr Verhalten anstelle des Verhaltens der Randalierer zu skandalisieren, zur Wehr setzte; zum anderen, weil kurz nach den Krawallen in Stuttgart weitere Krawalle in Frankfurt, wieder unter Beteiligung zahlreicher junger Asyl-Einwanderer, stattfanden. Seitdem haben selbst so eingefleischte Chorknaben wie die Redakteure der StZ alle Versuche aufgegeben, weiterhin in Abrede zu stellen, daß die Krawalle hauptsächlich von schlecht integrierten Migranten ausgehen – seien es hier geborene, schon länger hier lebende oder frisch dazugekommene. Sie befassen sich daher in der jüngsten Ausgabe der StZ unter anderem mit der Frage, ob jugendliche Migranten möglicherweise häufiger polizeilich kontrolliert werden als andere junge Menschen, wohl in der Hoffnung, so wenigstens einen Rest des Opfer-Narrativs für ihre Schützlinge retten zu können.

Diesem Vorhaben hat nun, neben den Randalierern selbst, aber erneut Boris Palmer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Unterstützt wurde er dabei von seinen beiden Amtskollegen, dem Oberbürgermeister von Schwäbisch-Gmünd, Richard Arnold (CDU), und dem Oberbürgermeister von Schorndorf, Matthias Klopfer (SPD). In einem Brandbrief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) warnen sie vor einer zunehmenden „Aggressivität und Respektlosigkeit von Gruppen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unseren Städten.“ Zu beobachten sei auch in ihren Kommunen vermehrt ein „unverschämtes Rotzbuben-Gehabe“ sowie eine verstärkte Gewaltbereitschaft nicht nur gegenüber Polizei, Rettungsdiensten und der Feuerwehr, sondern auch gegenüber den Mitarbeitern in den kommunalen Verwaltungen.

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Die von den drei OB’s so benannten „städtischen Stressgruppen“ rekrutieren sich ihrer Erfahrung nach zu einem erheblichen, allmählich anwachsenden Teil auch aus jungen, überwiegend männlichen Asyl-Einwanderern. Unter ihnen gebe es „eine kleine Gruppe gewaltbereiter junger Männer, die eine starke Präsenz im öffentlichen Raum ausüben und weit überdurchschnittlich an schweren Straftaten, insbesondere der sexuellen Gewalt und Körperverletzung beteiligt sind.“ Sie verweisen dabei nicht nur auf eigene Erfahrungen in ihren jeweiligen Kommunen, sondern auf die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) des Bundeskriminalamtes, die derzeit von etwa 50 000 Mehrfachstraftätern unter den Asyl-Einwanderern berichtet. Manche von ihnen dürften sich unter den festgenommenen Randalierern befinden, von denen laut Polizeiberichten aus Stuttgart und Frankfurt viele schon vorbestraft sind. Diese Täter fallen zwar nicht in die Kategorie islamistischer Gefährder, auch wenn gemäß Palmer, Arnold und Klopfer nach aller Erfahrung „manche von ihnen am Ende einer schiefen Bahn dort ankommen werden.“

Die drei Brandbrief-Schreiber belassen es jedoch nicht dabei, den Finger in eine der zunehmend offeneren Wunden der deutschen Asylpolitik zu legen. Sie machen auch Vorschläge, wie diese Wunden wieder zu schließen wären und rekurrieren dabei auf das von Palmer schon im Jahr 2017 formulierte Konzept eines „doppelten Spurwechsels.“ Gemeint ist damit zunächst ein verschärftes Vorgehen gegen verhaltensauffällige und straffällig gewordene Asyl-Einwanderer, die Kretschmann anläßlich einer Gruppenvergewaltigung in Freiburg einmal als „Tunichtgute“ bezeichnet hat, die man „in die Pampa schicken“ müsse. Gemeint war mit der Pampa nicht nur die Abschiebung verurteilter Straftäter, sondern auch deren (Wieder-)Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen unter verschärfter polizeilicher Kontrolle.

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Diese repressive Maßnahme bringen nun auch die drei OB’s ebenso wieder ins Spiel wie die Forderung nach konsequenterer Abschiebung verurteilter Straftäter, wohl wissend, daß insbesondere die Abschiebung auch zukünftig vermutlich nur in wenigen Ausnahmefällen gelingen wird und die deutschen Gefängnisse sich deswegen weiter mit straffällig gewordenen Asyl-Einwanderern füllen werden. Sie schlagen deswegen die „Wiedereinführung eines verpflichtenden Dienstes an der Gesellschaft“ vor, den alle in Deutschland lebenden Jugendlichen einschließlich der jungen Asyl-Einwanderer erbringen sollen. Von einer solchen Maßnahme, die unabhängig von der Asylthematik auch schon von der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer ins Spiel gebracht worden ist, versprechen sich die drei OB‘s eine verbesserte soziokulturelle Anpassung junger Asyl-Einwanderer an die Normen und Regeln der deutschen Gesellschaft.

Das klingt gut und findet inzwischen auch die Zustimmung von Kretschmann über den Südwestrundfunk (SWR). Nun schreiben Palmer, Arnold und Klopfer in ihrem Brandbrief allerdings selbst, in jeder Mittelstadt in Baden-Württemberg habe sich mittlerweile ein Milieu nicht integrierter junger Asyl-Einwanderer herausgebildet, von denen „viele nicht mehr für Sozial- und Integrationsangebote erreichbar“ seien. Bei dieser Problemgruppe kann dann wohl auch ein soziales Pflichtjahr, so es denn überhaupt eingeführt werden sollte, nicht mehr weiterhelfen. Meist rekrutiert sie sich, wir vor allem Palmer verschiedentlich ausgeführt hat, aus arbeitslosen Asyl-Einwanderern mit unsicherer Bleibeperspektive. Obwohl ihr Asylantrag abgelehnt worden ist, erhalten sie einen amtlichen Duldungsstatus, sei es, weil ihr Asylverfahren gerichtlich noch abgeschlossen ist, oder sei es, weil ihr Herkunftsland sich weigert, sie wieder aufzunehmen. Ihre Chancen am Arbeitsmarkt sind aufgrund dieser Umstände noch schlechter als sie es für Asyl-Einwanderer ohnehin schon sind.

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Die drei OB’s wollen dies ändern, indem sie dieser Problemgruppe als zweiten Strang des von ihnen vorgeschlagenen „doppelten Spurwechsels“ die Möglichkeit eröffnen, durch die Aufnahme einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle einen regulären Aufenthaltstitel mit dauerhafter Bleibeperspektive zu erlangen. Diese Möglichkeit besteht in Deutschland spätestens seit der Einführung des neuen Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes im Jahr 2019 allerdings ohnehin schon, eingerichtet mit Blick auf die große Gruppe abgelehnter und gleichwohl geduldeter Asyl-Einwanderer. Das einst geltende Arbeitsverbot für Asylbewerber, über deren Asylantrag noch nicht abschließend entschieden oder deren Antrag abgelehnt worden ist, wurde von der Bundesregierung schon 2016 in der Hoffnung aufgehoben, damit allen Asyl-Einwanderern, unabhängig von deren Bleibeperspektive, die sofortige Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz hat insofern nur eine ohnehin schon bestehende Praxis rechtlich fixiert.

Die drei OB’s bleiben vor diesem Hintergrund mit ihrem „doppelten Spurwechsel“ die Antwort auf die Frage schuldig, warum sich vor allem in den Städten gleichwohl das von ihnen so eindrücklich geschilderte Milieu nicht integrierter und in vielen Fällen wohl auch nicht mehr integrierbarer Asyl-Einwanderer herausgebildet hat. Ein Wechsel für für abgelehnte Asylbewerber aus dem Asyl- in das Aufenthaltsrecht scheint jedenfalls nicht das Mittel zu sein, um das Abgleiten eines Teils dieser Migranten in eine gefährliche städtische Subkultur zu verhindern, wo sie sich inzwischen mit nicht-integrierten Migranten zusammentun, die nie einen Asylantrag stellen mußten, um ein dauerhaftes Bleiberecht zu erhalten. Erfolgversprechender wäre wohl nur, den systematischen Mißbrauch des Asyl-Rechts zur Einwanderung zu unterbinden und die Hürden für einen Wechsel aus dem Asylrecht ins Aufenthaltsrecht zu erhöhen. Der Zustrom nach Deutschland würde dann deutlich zurückgehen, während er mit jeder weiteren Absenkung dieser Hürden nur weiter zunimmt.

Angesichts ähnlicher Integrationsprobleme in Österreich, die sich dort unter anderem auch in Krawallen und Straßenschlachten mit der Polizei niederschlagen, hat der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer mündlichen Stellungnahme auf den ebenso einfachen wie stichhaltigen Sachverhalt hingewiesen, daß die Integration von Menschen aus fremden Kulturen umso schwieriger wird und leichter scheitert, je mehr von ihnen in ein Land einwandern. Unkontrollierte Masseneinwanderung in kurzer Zeit überfordert, wie uns auch die Migrations- und Integrationsforschung lehrt, selbst in Phasen wirtschaftlicher Prosperität nicht nur die Arbeits- und Wohnungsmärkte der Aufnahmeländer, sondern auch die Aufnahmebereitschaft einheimischer Bevölkerungen. Das wußte die Bundesregierung schon 2015 und hat es in den Wind geschlagen. Im derzeit einsetzenden wirtschaftlichen Abschwung werden sich deswegen die von Palmer, Arnold und Klopfer geschilderten Probleme weiter verschärfen, die sich in den zurückliegenden Jahren des Aufschwungs allmählich aufgebaut haben.