Tichys Einblick
Noch feiern sie

Der Pyrrhussieg der Postmodernen

Die Grünen freuen sich, dass sie sich so nah ans Tor herangekämpft haben und so viel freien Raum besitzen, nur haben sie nicht registriert, dass sie sich in der Abseitsfalle befinden.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Die Grünen sind in Feierlaune und tanzen vor Übermut – übrigens seit Tagen schon. Ihre Stärke ist zugleich ihre Schwäche. Sie freuen sich, dass sie sich so nah ans Tor herangekämpft haben und so viel freien Raum besitzen, nur haben sie nicht registriert, dass sie sich in der Abseitsfalle befinden. Sie werden nah dem Tore bleiben, doch werden sie kein Tor schießen. Es reicht noch nicht einmal, um eine starke Opposition auf die Beine zu bringen, denn ihr Partner, die SPD, schwächelt.

Die wichtigste und von der rot-grünen Medienmaschinerie, öffentlich-rechtlicher Rundfunk genannt, verdrängte Lehre aus der Bayernwahl lautet jedoch: das bürgerliche Lager verfügt in Bayern über eine Mehrheit von 64,1%, während SPD und Grüne es nur auf 27,2% bringen. Nicht einmal 1/3 der bayrischen Wähler votieren für rot-grün. Diese Tatsache lässt die Musik und die Gesänge auf dem grünen Feierfloß nur schrill klingen, weil ohne größere Resonanz – außer, wie gesagt in den Medien.

Ihre Geschichte holt die Sozialdemokraten ein
SPD - Wie das letzte Relikt der Monarchie verdampft
Damit rückt die zweite Stärke der Grünen ins Blickfeld. Die Medien in ihrer Mehrzahl haben die CSU kampagnenhaft heruntergeschrieben, desavouiert und die Grünen gefeiert. Die Mehrzahl der deutschen Journalisten wollen auf Teufel komm raus die Grünen an der Macht. Die einseitige Anti-Seehofer-Moderation der grünen Agitprop-Frau der ARD, Tina Hassel, ist ein seriöses Argument für die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, er erfüllt längst nicht mehr seinen Bildungs- und Informationsauftrag, weil er nicht mehr objektiv und überparteilich informiert, sondern parteiisch indoktriniert.

Doch die Grünen werden eines Tages die Erfahrung machen, dass Medienstärke nur bis zu einem bestimmten Grad hilft, sie ist eine Stärke, um einen Lieblingsausdruck der Grünen zu benutzen, ohne Nachhaltigkeit. Sie wärmt wie ein Strohfeuer. Durch die einseitige Parteinahme desavouieren sich die Medien selbst, freilich nicht ad hoc, sondern durch einen schleichenden Prozess. Es ist wie mit nassen Brettern: sie werden morsch und irgendwann brechen sie. Man weiß nicht wann, doch wenn es geschieht, passiert es plötzlich. So auch mit den Medien: Irgendwann ist der Vertrauensvorschuss ganz verbraucht.

Finale der Union
Bayernwahl: CSU ist noch einmal davongekommen
Zudem trug zum Erfolg der Grünen in Bayern eine Kampagneserie bei. Demonstrationen von Minderheiten, die Teils aus der ganzen Republik zusammengekarrt werden, um den Eindruck von #wirsindmehr zu erzeugen, wie in München gegen das Polizeigesetz oder wie in #unteilbar in Berlin, die noch dazu medial aufgeblasen werden, bestätigen scheinbar das Selbstbild der Grünen als neue, frische, weltoffene Kraft, die gegen den alten Mief ankämpft; dabei ist keine Partei unmoderner, miefiger und reaktionärer als die Grüne. Die realitätsbefreite Überhöhung des medialen Selbstbildes, auch wenn es heute noch hilft, wird mangels Schwerkraft entschweben.

Die Kampagneserie hat für die Grünen unmittelbar vor der Bayernwahl für ein extrem günstiges Klima gesorgt. Aber die neue Mitte – und darin besteht die strukturelle Schwäche der Grünen – besteht aus der Mischung eines Wohlfühlökowohlstandsbürgertums, das weit entfernt von den Verwerfungen und Kämpfen mit misslungener Integration wie in Berlin-Neukölln und einer Masseneinwanderung lebt, das nicht um Wohnungen konkurriert und seine Kinder nicht in Schulen mit hohem Ausländeranteilen schicken muss, sondern sie dort unterbringt, wo man weitgehend unter sich bleibt.

Bürgerliche Mehrheit
Bayernwahl: Verloren und doch überlebt
Schaut man sich ihre Klientel an, sind die Grünen die Partei der Lebenslügen. Sie reden davon, dass man „Flüchtlingen” zu helfen hat, weil die Deutschen, und wenn nicht die Deutschen, dann die Europäer, also doch wieder die Deutschen, weil wir Europäer sind, Schuld an deren Elend sind. Das Elend, das auch noch einmal konkret zu hinterfragen wäre, hat vielerlei Ursachen, für nicht eine von ihnen trägt Deutschland die Schuld. Genauso falsch ist die Behauptung, dass unser Wohlstand auf dem Elend anderer Teile der Welt beruht und deshalb alle das Recht besäßen, nach Deutschland zu kommen, um am Reichtum in Deutschland zu partizipieren. Abgesehen davon, dass die Behauptung, Deutschland wäre ein reiches Land zu den wirkungsvollsten Propagandalügen gehört, würde die weitere ungebremste Einwanderung in unsere Sozialsysteme nicht zu einer gerechten Verteilung, sondern zu heftigen Verteilungskämpfen führen, schließlich zur Vernichtung des überschaubaren Reichtums.

Wer weiter verantwortungslos über Integration wie die Grünen phantasiert, muss sich die gescheiterte Integration anschauen, beispielsweise in Berlin-Neukölln, wo libanesische Clans die Macht in ganzen Straßenzügen übernommen haben und einem Innensenator bei der Stadteilbesichtigung von seinen Sicherheitskräften abgeraten wird, trotz Personenschützer eine bestimmte Shisha-Bar zu betreten. Oder die Polizei die Beisetzung eines Clanmitgliedes, das von konkurrierenden Clans an einem sonnig-warmen Sonntag auf einem Vergnügungsareal, auf dem zu diesem Zeitpunkt sich auch viele Familien und Kinder befanden, erschossen wurde, zu bewachen und Straßenabsperrungen vorzunehmen haben, weil über 1.200 Personen es sich nicht nehmen ließen, dem Clanmitglied die letzte Ehre zu erweisen.

Herles fällt auf - Spezial
Mit blauem Auge davonkommen, heißt nichts lernen
Nicht nur in Berlin vermag der Staat nicht mehr vollständig seine Hoheitsrechte durchzusetzen. Doch in den gentrifizierten Hochburgen des neuen juste milieus, in den Szenevierteln wie Berlin Prenzlauer Berg oder München Schwabing und Bogenhausen gerät die Realität aus dem Blick. Vielleicht ist der Begriff juste milieu auch nicht richtig, sondern womöglich fasst es der alte deutsche Ausdruck Spießbürgertum viel besser.

Das postmoderne Spießbürgertum ist sehr bedacht auf seinen Wohlstand und leistet sich eine hohe, allerdings abstrakte Moralität, weil sie vollkommen eigener Verantwortlichkeit enthoben ist. Kürzlich hat dann auch ein Gericht festgestellt, dass diejenigen, die für „Flüchtlinge” gebürgt haben, nun doch nicht für die Kosten aufkommen müssen, das darf dann der Steuerzahler.

Mehr Demo oder Konzert-PR?
Bei Klaus Kleber: Merkels letztes Aufgebot unterm Häääschtäg unteilbar
Darin besteht der Urgrund der spießigen Ideologie der Grünen: in der entkoppelten Verantwortung: ich leiste mir eine hohe Moral, für die andere aufkommen müssen, auf die ich die Kosten meiner hohen Moral abwälze. Nicht nur in der „Flüchtlingsfrage”. Will man ein Beispiel für grüne Heuchelei sehen, braucht man nur zum Hambacher Forst zu schauen. Die Grünen als Regierungspartei haben die Abholzung des Hambacher Forsts mitbeschlossen – nun wollen sie es nicht mehr gewesen sein und erklären den Widerstand gegen die Abholzung zum Lackmustest der richtigen Gesinnung. Dass für die Errichtung eines Windrades doppelt soviel Wald gerodet werden muss, erwähnen sie nicht einmal. Merke: es gibt gute und schlechte Waldvernichtung.

Der Diesel wird abgeschafft, das gleiche Schicksal soll der Benziner erleiden, um die Welt mit E-Autos zu beglücken, die dann auch mit Atom-Strom aus Frankreich fahren. Merke: es gibt guten und schlechten Atomstrom. Die Grünen wollen mit der Bundeskanzlerin „Fluchtursachen” bekämpfen. Die Umweltzerstörung und Ausbeutung auch von Kindern bei der Förderung der Rohstoffe in Afrika, die für die Batterien von E-Autos notwendig sind, gehören zu den „Fluchtursachen”. Gibt es also auch gute und schlechte „Fluchtursachen”? Ist Umweltzerstörung in Afrika okay? Gibt es gute und schlechte Umweltzerstörung?

Republik der Selbsttäuschung
"Hambi muss leben" - wie Symbol-Politik bittere Realitiät wird
Die Grünen interessieren sich nicht für die Umwelt, sie haben aus ihr eine Ideologie gemacht. So wie bei der Eiskönigin im Märchen alles, was sie berührt, zu Eis wird, wird alles, was die Grünen berühren zu Ideologie. Darin besteht in der Mobilisierung ihr Vorteil, doch da jede Ideologie früher oder später an der Realität zerbricht, auch ihr Nachteil, die Frage ist nur zu welchen Kosten für das Land und seine Bürger.

Die Grundlage der grünen Ideologie ist utopisch und totalitär, sie beruht auf dem Hypermoralismus, dem Genderismus und der political correctnes. Eine Ideologie. Sie ist utopisch, weil sie versucht, eine neue Realität zu schaffen, was in der Geschichte bisher nur zu Zwang, Gewalt und Unterdrückung geführt hat. Sicher gehört zu den Vorteilen der Grünen, dass rot-grüne Ideologie bereits Lehrplan geworden ist. Im Geschichtsunterricht in Brandenburg wird bspw. das Thema Migration a-historisch und revisionistisch behandelt, indem die Einwanderung der französischen Hugenotten im 17. Jahrhundert, die deutschen Kriegsflüchtlinge und Heimatvertriebenen im Zusammenhang mit dem II. Weltkrieg mit der Massenmigration seit 2015 gleichgesetzt werden.

Lauter Déjà-vus für gelernte Ostdeutsche
Sie sind wieder da
Das alles begünstigt zwar die Grünen, doch reicht es nicht allzu weit über die gentrifizierten Stadtquartiere und die Szeneviertel hinaus. Dass rot-grüne Lager verzeichnet in seiner Gesamtheit keine Zuwächse. Im inzwischen verzweifelten Kampf um die Deutungshoheit wird kein Mittel mehr gescheut. Wer eine Katharina Schulze im Wahlkampf beobachtete und den sprachlich schwachen Beiträgen von Robert Habeck lauscht, erkennt, welches geistige Niveau die Grünen inzwischen erreicht haben. Auch darin besteht eine Stärke und eine Schwäche der Grünen, denn die Wohlfühlphrasen, die allgemeinmenschelnde Kumpanei, die Vereinnahmung kommt im selbstreflexionsfreien juste milieu gut an, doch auch nur dort.

In Bayern werden nach dem Stand der Dinge, die Grünen der CSU und den Freien Wählern beim Regieren zuschauen. Wenn die Freien Wähler ihren Regierungsauftrag erfüllen, drängen sie die CSU wieder zur stärkeren Besinnung auf ihre konservative Bestimmung. Die Welle der Euphorie wird abklingen, so dass, wenn die CSU und die Freien Wähler keine gravierenden Fehler machen, die Grünen in der Opposition wieder in der Achtung der Bürger schrumpfen werden. Da wird ihnen auch die Spaltung des Landes durch #unteilbar-Demos nichts nutzen, nicht, dass sie mit Salafisten, mit Linksextremisten, mit Islamisten, mit der Roten Hilfe Seit an Seit marschieren, auf Demos, auf denen Redner Merkel und Seehofer als Schweine bezeichnen und Demonstranten mit Deutschlandfahnen angepöbelt werden, weil nur Regenbogen- und Antifafahnen gelitten sind.

Es kann sein, dass nach der Hessen-Wahl die Groko zerbricht, es kann sogar sein, dass die grüne Bundeskanzlerin mit dem schwarzen Parteibuch die Grünen in die Regierung holt und die FDP die Lebensgeister verlassen und das ermöglicht, nur würde diese Stärkung der Grünen ihre finale Schwäche werden, weil sie mit Angela Merkel untergehen würden, wie die FDP übrigens auch. Es gilt die Regel: Versuche niemals ein fallendes Messer aufzufangen.

Wer Angela Merkel und ihre Entourage entmachten will, der darf in Hessen weder CDU, noch SPD und Grüne wählen. Es würde, so paradox es klingt, auch helfen, die CDU wieder auf den Kurs der Mitte zu zwingen.

Denn eines bestätigt die Bayernwahl: gestärkt wurden die Parteien, die eine klare Botschaft hatten: die Grünen, die AfD und die Freien Wähler. Die SPD hat vor allem verloren, weil sie ihren Positionen misstraute und einen Schlingerkurs fuhr. Der Zusammenbruch der SPD hängt damit zusammen, dass die Partei nicht mehr weiß, wer sie ist, wie soll es da der Wähler wissen? Für die CDU sollte die SPD ein Menetekel sein, sie muss, will sie wieder Wahlen gewinnen, klare Positionen beziehen, auf die Mitte setzen, auch auf den Teil der Mitte, der als rechts verketzert wird, es aber nicht ist. Sie müsste sich von der Deutungshoheit der Grünen befreien, sich nicht deren Schlagworte aufdrängen lassen. Funktionäre, die man genauso gut bei den Grünen verorten könnte – wie Laschet oder Günther – helfen der CDU dabei nicht.

Die CDU muss begreifen, dass ihr politischer Gegner die Grünen sind, deshalb darf sie nicht das Geschäft der Grünen erledigen – es  würde ihr dann so ergehen, wie den Sozialdemokraten, denn die Grünen wuchsen auf Kosten der SPD.