Tichys Einblick
Oppositionsrolle nicht gefunden

Das Scheitern der FDP in der Opposition

Die FDP muss sich jetzt entscheiden, ob sie liberale Politik machen oder ob sie zum Wadenbeißer der Schwarzrotgrünen werden will. Die Partei hat einen Wählerauftrag bekommen, sie hat ihn angenommen im Nein zu Jamaika, jetzt muss sie ihn aber auch erfüllen.

© Sean Gallup/Getty Images

Wer gehofft hat, dass die FDP liberale Oppositionspolitik im Bundestag machen würde, sieht sich nach dem vielversprechenden Anfang eines kräftigen Neins zu einer Jamaika-Koalition enttäuscht. Verfolgt man die letzten Debatten im Bundestag drängt sich der Eindruck auf, dass die FDP einer informellen Jamaika-Koalition angehört. Natürlich leidet die Partei unter dem medialen Liebensentzug, weil sie den Wunschtraum vieler Journalisten einer schwarz-grünen Regierung verhindert hat, indem sie sich weigerte für ein, zwei Ministerämter die fehlenden Stimmen beizusteuern. Dass die Partei lieber nicht, als schlecht regieren will, ist ihr hoch anzurechnen, umso mehr, weil verantwortungsethische Gründe aus der aktuellen Politik nahezu verschwunden sind. Von einer Gemengelage aus Machterhalt, Pragmatik und einer bis ins totalitäre spielenden Gesinnungsethik wurde Verantwortung verdrängt. Dagegen hat sich die FDP in bester liberaler Tradition entschieden. Von diesem Standpunkt aus ist es möglich, eine eigenständige, vor allem liberale Opposition zu werden, die sich nicht um die links oder rechts von ihr sitzenden Parteien kümmert, sondern die eigenen Inhalte einbringt und dort, wo aus ihrer Sicht die Regierung politisch falsche oder gar verhängnisvolle Entscheidungen fällt, dagegen mit allen rechtstaatlichen Mittel zu opponieren. Doch so, wie es besser ist, lieber nicht statt schlecht zu regieren, so ist es besser, Opposition gegen die Regierung zu machen, anstatt Opposition gegen die Opposition zu betreiben.

Die Opposition muss die Regierung angreifen

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Es ist die Aufgabe einer Oppositionspartei die Regierung zu kontrollieren, nicht, die Opposition anzugreifen. Man gerät dabei in der öffentlichen Wahrnehmung nur allzu schnell in die Rolle des Wadenbeißers für die Regierenden. Doch einem Wadenbeißer nimmt man kein inhaltliches Engagement mehr ab.

Wäre ich FDP-Politiker, würde es mich außerordentlich beunruhigen, dass die parlamentarische Arbeit meiner Partei nur dann mediale Aufmerksamkeit erhält, wenn sie sich im Bundestag gegen die AfD in Stellung bringt. Doch so, wie es keine Koalition in der Opposition gibt, existiert auch keine Opposition zur Opposition in der Opposition. Wo sind die eigenen Anträge der FDP? Wo ihre Angriffe auf die Regierung? Wo die bohrenden Fragen?

Anstatt die AfD für den Missbilligungsantrag gegen Deniz Yücel anzugreifen, hätte die FDP den Antrag der AfD ablehnen und einen eigenen einbringen können. Gerade in der Causa Yücel stellen sich ganz andere Fragen als eine lächerliche Missbilligung. Die FDP hätte, so wie es die Linke unternahm, nachhaken können, ob für die Freilassung von Deniz Yücel ein Deal mit der Türkei geschlossen wurde. Sie hätte geradezu inquisitorisch als Liberale die Regierung befragen müssen, ob es zu deutschen Lieferungen von Waffen gekommen ist, die im schmutzigen Krieg gegen die Kurden verwandt werden. Mehr noch, sie hätte Klarheit von der Regierung darüber einfordern müssen, ob auch die Causa Yücel zum Stillhalten gegenüber Ankara im Krieg gegen die Kurden, zu den Gräueln von Afrin geführt hat.

Eine dringende Frage in diesem Zusammenhang stellt sich nach der Agenda des Außenministers. Hat die Causa Yücel ein unvergleichlich höheres Zeitvolumen beansprucht, als andere Angelegenheiten, in denen es möglicherweise auch oder im weit höheren Maße um Menschenrechte und menschliches Schicksal geht? Die Frage, die im Raum steht, lautet, ob ein geschäftsführender Außenminister in eigener Sache gehandelt hat, um wieder Außenminister zu werden und dabei möglicherweise weit- oder zu weitreichende Zugeständnisse machte?

Warum lässt sich die FDP ins Bockshorn jagen?

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Von diesen Fragen ist der in der Tat überflüssige Missbilligungsantrag, der einzig propagandistisch zu verstehen ist, weit entfernt – und er ist auch nicht seriös. Aber muss sich eine Oppositionspartei davon ins Bockshorn jagen lassen? In der Causa Yücel bündeln sich grundsätzliche Fragen, erstens der Umgang mit der Türkei und zweitens die Problematik des Doppelpasses.

Die Tatsache, dass die Türkei Natopartner Deutschlands ist, rückt den Krieg gegen die Kurden in eine besondere Dimension, macht Deutschland letztendlich zur Partei. Paradoxer wird die Angelegenheit, wenn man sich erinnert, dass 2014 die Bundesregierung beschlossen hatte, die Kurden mit Waffen auszurüsten, und Deutschland zugleich die Türkei mit Waffen beliefert. Das ganze erhält eine besondere Brisanz dadurch, dass der Krieg in Syrien eben nicht beigelegt wird, sondern durch den Natopartner Türkei sogar noch stärker auflebt.

Durch die Entscheidung der Bundesregierung unter Beifall der Grünen ist die deutsche Innenpolitik mit diesem Krieg synchronisiert. Zum einen dadurch, dass Deutschland jeden Kriegsflüchtling aus Syrien aufnimmt und die Ereignisse den Flüchtlingsstrom anschwellen lassen werden und zweitens dadurch, dass sich die Bundesregierung durch den Flüchtlingsdeal mit der Türkei in die Abhängigkeit von Erdogans Willkür begeben hat. Man könnte sogar die Frage stellen, inwieweit der Flüchtlingsdeal auch dazu beigetragen hat, das Selbstbewusstsein des türkischen Präsidenten zu stabilisieren. Dabei lautet doch das immer wiederkehrende Karma der Bundesregierung, dass man Fluchtursachen bekämpfen wolle. Bekämpft man so Fluchtursachen? Fakt ist, dass die Auseinandersetzung zwischen Türken und Kurden diesen Krieg auch nach Deutschland tragen und die innere Sicherheit Deutschlands weiter destabilisiert wird.

Eine wirkliche Oppositionspartei hätte den nun wirklich nebensächlichen AfD-Antrag rechts liegen lassen können und die wichtigen, aber unangenehmen Fragen, die von der Causa Yücel ausgehen, stellen müssen. Statt Opposition hat die FDP hier nur Entertainment geliefert. Wolfgang Kubicki ist der AfD „ein bisschen böse“ – noch eine Nummer kleiner geht es nicht mehr.

Oppositions- oder Funktionspartei?

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Die FDP darf sich in ihrer Arbeit nicht einzig und allein davon leiten lassen, sich von der AfD zu distanzieren. Wenn die FDP politisch überleben will – über eine Legislaturperiode hinaus – muss sie liberale Partei werden, denn die wird in Deutschland wirklich gebraucht. Die FDP ist es noch nicht, aber sie kann es werden. Auch wenn es der Liberalismus in Deutschland traditionell schwer hat, so hat er an historisch entscheidender Stelle diesem Land in herausragender Weise gedient. War es in der Frankfurter Paulskirche, als die Vision eines demokratischen Deutschlands begann, Gestalt anzunehmen, oder war es der Liberale Walter Rathenau, der Deutschland in Rapallo aus der Isolation führte oder gar der große Gustav Stresemann.

Die Oppositionsarbeit wird derzeit bestimmt durch die Fronstellung aller Parteien zur AfD im Bundestag. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Parteien den Kampf gegen den sogenannten Rechtspopulismus mit aller Leidenschaft führen, weil er als Politikersatz so gut schlechte Dienste leistet. Weil man entweder keine eigenen politischen Vorstellungen und Ziele mehr hat oder diese den Wähler nicht vermitteln kann, nicht weil sie so komplex sind, sondern weil sie im diametralen Gegensatz zu den Interessen der Bürger stehen, muss letztlich der gemeinsame, der schreckliche Feind die eigenen Reihen zum letzten Mal schließen helfen.

Doch der „Kampf gegen rechts“ ist weder die Aufgabe der FDP im Parlament, noch das, was ihre Wähler von ihr erwarten, auch wenn ihr diese Auftritte das Schulterklopfen von Grünen, SPD oder CDU einbringt. Die FDP sollte eher danach streben, von den anderen Parteien gefürchtet, als geliebt zu werden. Sie hat kein Mandat zum Kuscheln. Weder die Wähler, noch die Parteimitglieder der Grünen, der SPD, noch der CDU werden die FDP dafür wählen, doch läuft sie Gefahr, genau die Wähler zu verlieren, die eben die CDU oder die SPD nicht mehr ihre Stimme geben, weil sie sich von diesen Parteien in den Fragen Europapolitik, Energiepolitik, Sicherheitspolitik, wozu die inneren Sicherheit zählt, Sozialpolitik, Bildungspolitik und Wirtschaftspolitik nicht mehr vertreten fühlen.

Tages-Themen-Dämmerung
Das hatte die Redaktion der Tagesthemen nicht geplant
Es sind die vielen Bürger in diesem Land, denen es zwar noch gut geht, die aber bereits im öffentlichen Raum erleben, wie ihre Lebensqualität sukzessive zerstört wird, die wissen, dass sie ihren Lebensstandard nicht werden halten können, obwohl sie ein Leben lang gearbeitet und eingezahlt haben und die es wütend macht, dass es ihren Kindern nicht besser gehen wird als ihnen. Und dass alles nur aus einem Grund, weil ein Establishment beschlossen hat, ohne die Bürger zu fragen, „ein historisch einzigartiges Experiment“ zu wagen, „und zwar eine monoethnische, monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln“. Diese Worte entstammen nicht den Vorstellungen rechter Publizisten, die einen großen Bevölkerungsaustausch (Renaud Camus) befürchten, sondern werden als Ziel von dem Politikwissenschaftler Yascha Mounk in den Tagesthemen der ARD ohne Widerspruch oder Nachfrage der Moderatorin mit großer Begeisterung verkündet.

Doch was Mounk einzigartig nennt, ist es nicht. Schon J.W. Stalin hatte ein „historisch einzigartiges Experiment“ unter dem Stichwort Nationalitätenpolitik durchgeführt, in dem er Völker umsiedelte, um die Bevölkerungsstruktur der Sowjetunion zu verändern. Nicht nur, dass Millionen unfreiwillige Teilnehmer an dem „Experiment“ unter schlimmsten Bedingungen umkamen, liegt in dieser Politik Stalins der Grund für den Krieg in der Ukraine, den wir gegenwärtig erleben. Zudem sagt die historische Erfahrung, dass diese „historischen Experimente“ zu Lasten derjenigen gingen, die Probanden des Experiments waren, und dass sehr viele Menschen darin umkamen. Doch das Schicksal der 80 Millionen Deutschen, die Mounk mal schnell zu Labormäusen erklärt, kümmert den Politikwissenschaftler nicht, denn in Deutschland hat er sich nach eigenem Bekunden nie wohl gefühlt und nahm deshalb die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Mounk meint, das Experiment kann „klappen“, was immer das auch heißt. Wenn das Experiment doch schiefgehen sollte, shit happens. So oder so, eines ist jetzt schon klar: „dabei kommt es natürlich auch zu vielen Verwerfungen.“ Pech für die Bürger, für die Familien, deren Leben bei „dem historisch einzigartigen Experiment“ zerstört werden, das sich Yascha Mounk mit großem Interesse von Harvard aus anschauen wird. Werden ihm die Opfer leid tun – sicher nicht.

Willkommen in der neuen bunten Republik
Im Sechs-Parteien-System gelten alte Gewissheiten nicht mehr
Strebt die FDP danach, sich an diesem Sozialexperiment zu beteiligen, oder will sie für die Bürgerrechte kämpfen, denn die Bürger wurden nicht gefragt, ob sie dieses Sozialexperiment möchten? Oder will sie sich im Kampf gegen die AfD verkämpfen?

Nach ihrem starken Auftritt als Partei beim Abbruch der Koalitionsverhandlungen, fällt die FDP wieder in die alten Muster der Funktionspartei zurück, wegen der sie aus dem Bundestag geflogen war. Aus diesem Muster wird sie, wenn sie eine wirklich liberale Partei sein will, endgültig ausbrechen müssen. Man kann der FDP nur dringend empfehlen: Lasst die AfD rechts liegen! Es ist vollkommen uninteressant, was man rechts oder links von euch denkt! Ihr seid Opposition! Ihr müsst keine Kompromisse eingehen! Kämpft für die Rechte der deutschen Bürger und gegen alle Sozialexperimente, die bisher immer inhuman und freiheitsfeindlich verliefen! Denn sie dienten nicht dem Volk, sondern immer nur dem Machterhalt eines Establishments oder einer Clique! Macht liberale Politik für die deutschen Bürger! Eine andere Aufgabe habt ihr nicht – und auch keine andere Chance.