Tichys Einblick
Ohne Gott

EKD: Staatskirchentag im Land der Pastorentochter

Dieser Kirchentag hat 22 Millionen gekostet. Die Hälfte davon zahlen die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund. Ach ja, VW hat als Sponsor mitgeholfen. Ablasshandel für gefälschte Abgaswerte? Da hätte Martin Luther auch katholisch bleiben können.

© Win McNamee/Getty Images

Die „Qualitätspresse“ inklusive Staatsfernsehen hat brav berichtet. Margot Käßmann hat Bilanz gezogen. Merkel ist wieder im Kanzleramt oder im Kanzlerjet. Obama hält irgendwo einen seiner 200.000-Dollar-Vorträge. Die 108.000 Besucher des jüngsten Evangelischen Kirchentages gehen – geistlich gerüstet oder „ent“-rüstet – wieder der Arbeit nach. Wozu dann noch ein Nachruf? Ganz einfach, weil ein paar Peinlichkeiten „nachhaltig“ oder wenigstens „ein Stück weit“ – so sagt man im Öko- und Kirchentagsdeutsch – in Erinnerung bleiben sollten. Vielleicht folgt auf den Betroffenheitsrausch dann doch noch die Ernüchterung.

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„Wenn ich auf einen Evangelischen Kirchentag gehe, dann kann ich gleich auf einen Parteitag der Grünen gehen.“ Dieser Kalauer hat keinerlei Berechtigung mehr. Denn erstens kann, wer einen „grünen“ Parteitag erleben will, kann mittlerweile auch auf einen Katholischen Kirchentag gehen. Und zweitens kommen die „Grünen“ in Person ihres „Spitzen“-Teams auf den Kirchentagen gar nicht mehr so üppig vor. Klar, wenn alles ergrünt ist, wenn es nur noch politisch korrekt und spießig volkspädagogisch zugeht, dann braucht man die Grünen nicht mehr, nicht einmal mehr die Fünf-Semester-„Theologin“ Katrin Göring-Eckardt.

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Kirchentag ohne Messias? Das geht gar nicht! Also holte man sich Barack Obama vor’s Brandenburger Tor. Er war 2008 ja schon einmal in seiner prä-präsidialen Phase ganz in der Nähe wie ein Messias bejubelt worden. Jetzt durfte Merkel beisitzen und sich von ihm loben lassen. Und der post-präsidiale Obama durfte unter allgemeinem Beifall sagen: „Krieg ist immer schmutzig.“ Außer wenn er in der Obama-Ära klinisch sauber mittels Drohnen von der US-Basis Ramstein ausgeführt wird. Aber auch ein Messias ist nicht immer für alles verantwortlich. “Diese Zeit ist ein Stück weit vorbei“, hätte die Kanzlerin pastoral sagen können. Sie hob sich diese Mehltau-Rhetorik indes auf, um damit wenige Tage später das Verhältnis zu den USA zu charakterisieren.
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Zu allem Militärischen, in Sonderheit zur Bundeswehr, hat die Evangelische Kirche seit Jahr und Tag ein gebrochenes Verhältnis. „Nichts ist gut in Afghanistan“, hatte einmal Margot Käßmann gesagt. Und sie meinte damit, dass die Soldaten der NATO, respektive der Bundeswehr eben nicht nur Brunnenbauer sind und waren. Aber als Sanitätshelfer und Brückenbauer beim Kirchentag taugen sie. Immerhin stellte die Bundeswehr dem Kirchentag Sanitäter zur Verfügung. Pioniere im oliven Kampfanzug (!) bauten gar eine 110-Meter-Ponton-Brücke über die Elbe, damit die Leute zum Gottesdienst auf die Festwiese schreiten konnten. Und Ursula von der Leyen durfte eine „Friedenspredigt“ halten. Warum hat man diese Aufgabe nicht der Pastorentochter anvertraut, die im Ernstfall die Oberbefehlshaberin ist?

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Toleranz, Empathie, Achtsamkeit, Menschlichkeit, Wärme! Ja, der in Manchester Ermordeten wurde gedacht. Käßmann hat es in der BamS vom 28. Mai getan. Vergessen hat sie die während ihres Kirchentages in Ägypten ermordeten Christen. Dafür hat die Ex-Bischöfin im Rahmen einer „Bibelarbeit“ (sic!) unter dem Beifall ihrer Fangemeinde die Hardcore-Antifa-Dame gegeben und gemeint: „Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern. Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht.“ (Der Zusammenhang relativiert nicht.) Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au stand kaum nach. Sie bezeichnete es als zynisch, wenn jemand meint: „Wir können nicht allen helfen.“ Oberzyniker Friedrich Nietzsche wüsste dazu zu sagen: „Europa wird an der Mitleidsmoral des Christentums zugrundegehen.“

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Vor allem war dieser Kirchentag im Zeitraffer und hochverdichtet so ziemlich alles, was es innerhalb eines Jahres auf allen Kanälen an daily talk, daily soap und zweibeinigen Talkshow-Wanderpokalen gibt. Und dann erst die Themen! „Ein Leib – viele Geschlechter – Trans- und Intersexualität“ oder „Ver-queeres Willkommen“. Getoppt wurde dergleichen im ehemaligen DDR-Kino „Kosmos“. Es ging um „Oversexed and Underfucked“. Ja, sex sells, auch auf Kirchentagen. Die Berliner Zeitung war dabei und berichtete, dass dort Passagen aus einem Buch einer Soziologin vorgetragen wurden, die erklärte, wie man männliches (sic!) Sperma aus Textilien entfernen könne. Da hätte es im Planungsstab vielleicht doch jemanden geben können, der einen nicht ganz unzutreffenden Spruch Sigmund Freuds hätte parat haben sollen. Sigmund Freud hatte mit Blick auf einen seiner Patienten immerhin gemeint: „Der Verlust der Scham ist der Beginn der Verblödung.“

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Und Gott? Wahrscheinlich ist er spätestens jetzt aus der Kirche ausgetreten. Wir wissen es nicht genau. Wir wissen nicht einmal, ob er Protestant oder Katholik war oder ist oder ob er zum Agnostiker konvertierte. Wir wissen auch nicht, ob Gott beleidigt ist, weil er bei diesem 36. Evangelischen Kirchentag nahezu nicht vorkam. Wir wissen ferner nicht, ob Gott ein Schelm ist. Wenn ja, dann ist er aus dieser Kirche ausgetreten, weil er keine Lust mehr hat, zweimal für einen staatstragenden Zirkus zu zahlen: via Kirchensteuer und via Einkommenssteuer. Und mittels GEZ-Gebühren auch noch die Hofberichterstattung finanziert! Nun, dieser Kirchentag hat 22 Millionen Euro gekostet. Die Hälfte davon haben die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund beigetragen. Ach ja, VW hat als Sponsor mitgeholfen. Ein Ablasshandel für gefälschte Abgaswerte? Deshalb würden wir gerne wissen, ob Martin Luther da nicht gleich hätte katholisch bleiben können. Aber egal! In Sachen Ablasshandel und in Sachen Mainstreaming ist die Ökumene ohnehin weit fortgeschritten.