Tichys Einblick
Ernüchterung in den USA

Ein Jahr Joe Biden genügt: Neue Welt will alten Schwung

Immer weniger Amerikaner sind mit der Politik von US-Präsident Joe Biden zufrieden. Barack Obamas verheerende Jahre waren schon schlimm für Wirtschaft, Sicherheit und Außenpolitik der USA. Aber das erste Biden-Jahr übertrifft alles.

IMAGO / UPI Photo

Kalifornien ist kaum wiederzuerkennen. Wie die gesamten USA: Inflation, Depression, Resignation. „It is a sleepy city right now“, meinte der Portier in meinem Hotel in Santa Barbara. Ein Student der Nuklearphysik mit drei Nebenjobs. Niemand, der nach dem 28. BAföG-Semester ohne Abschluss eine Bundestags-Berechtigung oder die Leitung der Frauenunion hätte. Und der junge Mann fügt augenzwinkernd und vielsagend hinzu: „… and a sleepy president.“

Ein Jahr nach dem Ende von Trumps Präsidentschaft hat die USA eine beispiellose Ernüchterung erfasst. Einen Blick in sein Leib-und-Magen-Blatt sollte sich Joe Biden ersparen: Laut Washington Post sind nur noch 39 Prozent der Amerikaner mit seiner Wirtschaftspolitik zufrieden. Nur 41 Prozent meinen, dass er insgesamt einen guten Job macht. Obamas verheerende Jahre waren schon schlimm für Wirtschaft, Sicherheit und die außenpolitische Stärke. Aber das erste Biden-Jahr übertrifft alles.

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Bei all meinen Begegnungen rund um Silicon Valley, Clint Eastwoods Nobelort Carmel-by-the-Sea oder weiter im liberalen Süden muss ich an Deutschland 1998 denken. Auf meinem Schreibtisch hatte ich demonstrativ eine Kaffeetasse platziert, ein Geschenk des damaligen CDU-Generalsekretärs Peter Hintze. Aufschrift: „Jammert mir nichts vor! Ich habe CDU gewählt.“ Die ersten Wochen von Rot-Grün, von Schröder und Fischer waren ein Alptraum. Niemand wollte es gewesen sein. Ja, ich bekenne mich zu dem Tassen-Motto. Wer konnte damals ahnen, dass es einst 16 Jahre CDU und nur 16 Monate CSU brauchte, um diese altehrwürdigen Volksparteien zur Unkenntlichkeit zu ruinieren.

Genauso ist die Stimmung derzeit in den USA. Jung und alt, liberal oder evangelikal, egal aus welcher sozialen Schicht: Keiner will es gewesen sein, der Trump abgewählt hat. „He was a businessman“, der nicht nur für Unterhaltung, sondern für Arbeitsplätze und Aufschwung gesorgt hat. Kein ideologischer Philosoph und wohlfeiler Schönredner. Weg mit all den Bremsen namens Pariser Klimaabkommen, Behördenwillkür, WHO-, NATO- und Gender-Finanzierung. Vier gute Jahre. Das ist nun alles vorbei! In nur einem Jahr! Baustellen liegen brach, die Infrastruktur ist katastrophaler denn je. Hauptsache scheint zu sein, dass von den marodesten öffentlichen Gebäuden und brüchigsten Brücken weht der Regenbogen. Die Preise für Mieten und Lebensmittel kann kaum einer mehr bezahlen, geschweige denn für Urlaub. Die einst billigen Energiepreise explodieren.

Trendwende in den USA
Empfindliche Niederlage für Biden in Virginia: Republikaner gewinnen in einer Hochburg der Democrats
Diverse Wahlen in den letzten Wochen zeigen die Stimmung in Zahlen. Alles andere als Fake News. Dramatische Verluste für Bidens Demokraten. Selbst sein deutsches Hof- und Jubelorgan, die Süddeutsche Zeitung, kommentiert drastisch: „John Biden war irgendwo über dem Nordatlantik auf dem Heimflug vom Klimagipfel in Schottland nach Washington, als sich das Ergebnis der Gouverneurswahl in Virginia abzuzeichnen begann. Das passte insofern gut, als die Titanic damals ebenfalls in diesen kalten Gewässern unterwegs war, als sie den Eisberg rammte.“

Zwölf Prozentpunkte sackte die Biden-Partei gegenüber den Präsidentschaftswahlen ab. Ein erzkonservativer Trump-Anhänger, „Pro life“-Kämpfer gegen Abtreibung und Gender-Ideologie, machte das Rennen. Kein Softie-, sondern ein Hardcore-Republikaner. Noch spektakulärer in New Jersey letzte Woche: Ein Nobody und Newcomer, ein LKW-Fahrer mit einem Wahlkampfbudget von 153 Dollar, fegte den langjährigen demokratischen Senatspräsidenten aus dem Amt. Der 58-jährige dreifache Vater und vierfache Opa beschreibt sich in Interviews auf allen Kanälen als Familienmensch: „Ich glaube an Gott und arbeite hart.“ Auch er gehört zur Lebensrechtsbewegung. Ähnlich zum Beispiel dem Wetzlarer Ex-MdB Hans-Jürgen Irmer, von den eigenen C(!)DU-Leuten aufs Abstellgleis befördert. Das absolute Antiprogramm zur Biden/Harris-Ideologie: eins zu eins mit Trump.

Plötzlich dämmert selbst deutschen Journalisten: Da tut sich was in der neuen Welt. Die Amerikaner sind eben keine Deutschen, die brav das Motto von den „dümmsten Kälbern“ verinnerlicht haben. Meine sogenannte demokratische geschätzte Wählerstimme in Berlin ist ein Fanal. Selbst linke Blätter sehen die US-Kongresswahlen im nächsten Jahr bereits verloren. Und wären jetzt Präsidentschaftswahlen: Zu Trump bräuchte es keinen Gegenkandidaten.

Manipulierte Ermittlungen gegen Trump
Quelle des Steele-Dossiers wegen Verbindungen zur Clinton-Kampagne festgenommen
Die deutschen „Qualitätsjournalisten“ erlebten vor fünf Jahren ihr Waterloo. Das soll sich nicht wiederholen. Die Biden-Kritik schwillt an, und der Unaussprechliche ist plötzlich wieder in aller Munde. Mir fiel vor Tagen nicht nur ein Zacken aus derselben, sondern eine ganze Krone aus dem Mund. Ich rief am Veterans Day „meinen“ Zahnarzt in Carmel-by-the-Sea an. Und der kam extra aus seinem freien Tag. Er erinnerte sich sofort: „Vor exakt fünf Jahren saßen Sie in meiner Praxis und wollten die Wartezeit nicht mit Musik oder dem neuesten Hollywood-Streifen überbrücken. Sie schauten Trumps letzten Wahlkampfauftritt live in Florida und sagten: Der Mann gewinnt, dafür verwette ich alles. Wir haben nur gelacht über diesen naiven deutschen TV-Moderator.“

Ich bin heute noch „proud and happy“, das Gespött der Kollegen ertragen zu haben. Ich war wirklich der einzige bekannte Journalist in Deutschland, der öffentlich auf Trump gewettet hat. Die Leute waren es satt, das alte Clinton-Establishment neu etablieren zu sollen. Ähnlich jetzt die CDU mit einem männlichen Merkel aus Gießen.

Die US-Wahlen werden eben nicht in Hollywood, an der Wall Street oder rund um Washington entschieden, auch nicht im Regenbogen-Milieu. Doch jetzt droht der Absturz Bidens flächendeckend. Selbst der großstädtische Schickimicki-Amerikaner will Infrastruktur statt Inflation, Arbeitsplatzpolitik statt Abtreibungsideologie, die alte amerikanische Stärke unter dem Sternenbanner statt Regenbogenidylle. Greta Thunberg und andere Säulenheilige der deutschen Illusionspolitik haben hier keine Chance. Dafür haben vier Jahre Trump deutlich gezeigt, wie es anders und vor allem erfolgreich geht. Man muss den Mann nicht mögen. Doch Politik entscheidet sich an dem, „was hinten dabei rauskommt“ (Helmut Kohl).

Nur ein Schlaglicht, was selbst liberale US-Medien in diesen Tagen zum Schäumen bringt – die Ideologie der Trump-Gegner ist nicht besser zu entlarven: Deren Hochburg San Francisco wird zum Eldorado der Ladendiebe. Wer dort Waren unter dem Wert von 950 Dollar klaut, wird nicht mehr belangt. Ja, das ist kein Scherz. Der weltbekannte Drogeriemarkt Walgreens schloss am Montag weitere fünf Filialen in San Francisco. Die neue Welt sehnt sich nach dem alten Schwung.

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