Tichys Einblick
Der linke Richter als Monarch?

Trump setzt sich durch: konservative Kandidatin für Oberstes Gericht endgültig bestätigt

Der Präsident hat den Kampf um den offenen Sitz am Supreme Court für sich entschieden und wird damit das Land auf Jahrzehnte prägen. Der linke Sturm gegen diese Entscheidung basiert auf einem aberwitzigen Mythos, nach dem linke Richter unantastbare, unfehlbare Instanzen sind.

imago images / UPI Photo
Unter massiven Protesten der Demokraten wurde jetzt Trumps Kandidatin Amy Coney Barrett als neue Richterin am Obersten Gericht vom Senat mit 52 zu 47 Stimmen bestätigt. Ein harter Machtkampf um diesen Richterposten wurde prognostiziert. Jetzt hat sich Trump in nur wenigen Wochen durchgesetzt und verändert damit die politische Landschaft in den USA vermutlich auf Jahrzehnte. Denn mit der Ernennung Barretts ergibt sich eine konservative 6:3-Mehrheit im Obersten Gericht der USA. Das ist besonders brisant, weil bei der anstehenden Präsidentschaftswahl mit vielen Ungereimtheiten zu rechnen ist, über die letztendlich der Supreme Court entscheiden könnte. Im Jahr 2000 wurde so bspw. das extrem knappe Rennen zugunsten von George W. Bush entschieden.

Mit dem Tod der linken Vorgängerin Richterin Ruth Bader Ginsburg fingen viele US-Linke an zu hyperventilieren, die USA seien einen Sitz auf der Richterbank entfernt vom Faschismus. Es war die Rede von Ginsburgs angeblichem Todeswunsch, dass ein anderer Präsident ihren Nachfolger nominieren solle, und so wurde von vielen beschworen, dass man nicht zulassen dürfe, dass Ginsburgs Sitz “gestohlen” werde.

Das Ganze geht so weit, dass einige Demokraten die absurde Idee haben, der jeweilige Sitz gehöre mehr oder weniger dem Richter, und dieser könne seine Nachfolge bestimmen. Als ob die USA eine Monarchie wären. Ist das Weiße Haus dann auch Trumps Besitz, der ihm “gestohlen” wird, wenn das amerikanische Volk einen anderen Präsidenten wählt?

Entfernung vom Geist der Gründerväter

Der Supreme Court hat tatsächlich von jeher eine enorme politische Bedeutung. Viele grundlegende Fragen der amerikanischen Politik wurden in den letzten Jahrzehnten von ihm entschieden. Und das, obwohl ihm diese Rolle nie zugedacht war. Die Gründerväter der USA entwarfen ein damals revolutionäres System der Gewaltenteilung, das eine Blaupause für das moderne Verständnis einer Republik ist. Sie machten auch deutlich, dass zwar alle drei Staatsgewalten gleichberechtigt sind, aber dennoch nicht allen die gleiche politische Bedeutung zufallen sollte.

An erster Stelle steht die Legislative; da sie die Gesetze macht, soll ihr die größte Bedeutung zufallen. An zweiter Stelle dann die Exekutive; sie führt die beschlossenen Gesetze aus, hat aber eine eigene Verantwortung insbesondere in außenpolitischen und militärischen Belangen. An dritter Stelle schließlich die Judikative, nur zuständig für die Rechtsprechung.

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Aus der Sicht ist es auch verständlich, wieso die mächtigste Staatsgewalt, der Kongress, in zwei Kammern aufgeteilt wurde und die Abgeordneten der einen gerade mal für zwei Jahre gewählt werden. Der Präsident wird für vier Jahre gewählt, die US-Richter aber auf Lebenszeit ernannt.

Heute ist dieses Gefälle in mancher Hinsicht auf den Kopf gestellt worden. Der Supreme Court hat oft das letzte Wort, der Präsident eine enorme Machtfülle und der US-Kongress viel seiner Verantwortung an Letzteren delegiert.

Grund dafür ist ein juristischer Aktivismus, der in den letzten Jahrzehnten an Fahrt aufgenommen hat. Entscheidungen wie die landesweite Einführung der Homo-Ehe wurden vom Supreme Court gefällt, nicht von gewählten Volksvertretern. Diese Neuinterpretation der Verfassung durch linke Richter ist absurd, schließlich ist die Verfassung nicht ein Gedicht, in das man reininterpretieren kann, was man will – oder denkt jemand ernsthaft, dass Alexander Hamilton damals ein Recht auf gleichgeschlechtliche Ehen in die Verfassung geschrieben hat?

Richterin Barrett fasste es am besten zusammen, mit einem Satz aus ihrer Senatsanhörung: „Richter können nicht einfach eines Tages aufwachen und sagen: ‚Ich habe eine Agenda, ich mag Waffen, ich hasse Waffen, ich mag Abtreibung, ich hasse Abtreibung‘ und wie eine Königin ankommen und der Welt ihren Willen aufzwingen.”

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Die linken Richter werden zu unanfechtbaren Instanzen stilisiert. Gerechtigkeit soll nicht mehr als Resultat eines politischen Ringkampfes aus Checks and Balances entstehen, sondern von unfehlbaren Richtern von oben diktiert werden.

In den USA versuchen die Republikaner dem entgegenzuwirken, indem sie möglichst viele originalistische Richter ernennen und bestätigen, also Richter, die die Verfassung und ihre Zusatzartikel nach ihrer ursprünglichen Bedeutung interpretieren. 

Aber das Problem gibt es nicht nur in den USA. Auch in Europa gibt es juristischen Aktivismus. Es heißt dann z.B. gerne, das Parlament habe bei einem Thema nicht gehandelt, also müssen die Gerichten aktiv werden. Aber Gerichte sind keine Ersatzparlamente und haben eine viel geringere demokratische Legitimation als Abgeordnete oder Regierungschefs. 

Besonders aktiv in Europa abseits der nationalen Ebene sind europäische Gerichtsinstitutionen wie z.B. der Gerichtshof der Europäischen Union. Er legt das EU-Mandat oft sehr breit – tatsächlich zu breit aus, wie selbst das Bundesverfassungsgericht dieses Jahr entschied.

Es wäre also wichtig, dass solche politischen Entscheidungen zurück in die Parlamente kommen. Hoffentlich kann Richterin Barrett einen Beitrag dazu leisten.


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