Tichys Einblick
Der Tag vor der Wahl in Italien

Meloni: „Das Italien der Linken geht seinem Ende entgegen“

Endspurt in Rom: Die verbündeten Parteien rechts der Mitte haben in der Hauptstadt ihre Abschlussveranstaltung beendet. Vereint schlagen, aber mit verschiedenen Schwerpunkten, lautete offenbar das Motto von Berlusconi, Salvini und Meloni.

MAGO / NurPhoto

Die italienischen Wahlen kennen einige für deutsche Gewohnheiten sehr ungewöhnliche Rituale. Dazu gehört, dass zwei Wochen vor der Wahl keine Umfragen mehr veröffentlicht werden dürfen. Ähnlich ungewöhnlich sind die langen Wahlzeiten: Am Sonntag sind die Wahllokale von 7 Uhr bis 23 Uhr geöffnet. Bei regulären Wahlen war und ist es übrigens nicht ungewöhnlich, dass auch bis Montagmittag noch gewählt werden darf.

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Wenn es derzeit in der älteren Bevölkerung ein Thema gibt, das die Gespräche beherrscht, dann die Angst vor langen Schlangen. Nur 16 Stunden Zeit – wer soll denn da bitte wählen können? Wer da mit deutschen Gewohnheiten bei einer deutlich größeren Wählerschaft ankommt, den erwartet Staunen. Die Deutschen, effizient wie immer – hört man, und schweigt über die Berlin-Wahl.

Zu den Wahlriten gehört auch die Wahlstille vor dem Urnengang. Das gilt auch für den vorangehenden Samstag. Die letzten Wahlveranstaltungen enden deswegen am Freitag, häufig auch schon am Donnerstag. Das rechte Lager lud deswegen schon am 22. September zur gemeinsamen Abschlussveranstaltung. Wahlbündnisse organisieren demnach eine einzige Abschlussveranstaltung für alle Parteien. Auch das: ungewöhnlich für den deutschen Wähler, aber Tradition. Die Reihenfolge der Sprecher zeigte dabei schon eine gewisse Rangordnung. Zuerst durfte Silvio Berlusconi, dann Matteo Salvini, zum Abschluss Giorgia Meloni reden. Das war noch vor anderthalb Jahren deutlich anders.

Berlusconi: „Werden die Steuern nicht erhöhen“

Silvio Berlusconi, der sich trotz seiner geschrumpften Forza Italia (FI) – ihr wird ein Ergebnis von 8 Prozent zugerechnet – kaum mit der Rolle eines bloßen Mehrheitsbeschaffers zufriedengeben wird, demonstrierte an diesem letzten offiziellen Wahlkampftag nochmals Geschlossenheit. „Italien will nicht von der Linken regiert werden“, sagte der Ex-Premier. „Wir sind uns einig, dass wir nicht unsere Hände in die Portemonnaies der Italiener stecken oder die Steuern erhöhen.“

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Die FI, die auf EU-Ebene der Europäischen Volkspartei angehört, und damit als Schwesterpartei der CDU gilt, fungiert als die pro-europäischste Partei des Bündnisses. Berlusconi machte diese Eigenheit deutlich, um nicht unter die Räder der anderen Rivalen zu kommen, und sich zugleich offenbar in Zukunft als Vermittler in Brüssel anzubieten. „Wie Sie wissen, waren wir schon immer Teil Europas, Teil der Atlantischen Allianz und Teil des Westens“, betonte Berlusconi. „Und was Europa betrifft, so wollen wir: ein besseres Europa, ein Europa der Bürger, ein Europa, das ein Protagonist in der Welt sein kann und endlich eine Militärmacht auf globaler Ebene wird.“

Ob Berlusconi damit der Vision einer EU-Armee folgt, oder lediglich eine Aufstockung der Verteidigungsetats aller europäischer Länder vorsieht, ließ der alternde Cavaliere offen. Berlusconi ist in Wahlzeiten allerdings für seine großspurigen Ankündigungen bekannt, weshalb man bei solchen Äußerungen eher abwarten sollte, was davon übrigbleibt. Am Ende könnte eine neue italienische Regierung vor allem auf der Erfüllung des 2-Prozent-Zieles der Nato beharren. Ähnlich wie Deutschland gibt Italien derzeit nur rund 1,5 Prozent seines BIPs für die Verteidigung aus.

Salvini: Gegen Dieselverbot und Runfunkgebühren

Matteo Salvini betonte, dass die Rechte nach dieser Wahl fünf Jahre zusammen regieren werde. Die Instabilität seit 2011 soll damit ihr Ende finden. Als besonderen Trumpf spielte Salvini die Ankündigung aus, das Diesel- und Benzinerverbot, das die Europäische Union ab 2035 angesetzt hat, mit einem Referendum zu beantworten: „Wenn Europa denkt, Arbeiter in Italien zu entlassen, um China einen Gefallen zu tun, indem es Dieselautos verbietet, dann wird die nächste Regierung ein Referendum abhalten, um die Italiener zu fragen, ob sie mit diesem Unsinn einverstanden sind.“

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Ein weiteres Thema, mit dem Salvini, der gegenüber Meloni am Sonntag Federn zu lassen droht, punkten konnte: die Fernsehgebühren. Die Italiener müssten derzeit 90 Euro im Jahr hinblättern. „Ich frage mich, und ich frage Sie: müssen alle Italiener diese Pflicht zahlen, damit linke Pseudo-Intellektuelle linke Reden halten dürfen? Sie bezahlen ihre Reden. Über die Rai-Lizenzgebühr“, erklärte der Capitano. Der Lega-Chef konzentrierte sich damit deutlich mehr auf die Alltagsprobleme der Italiener.

Die Chefin der Fratelli d’Italia (FdI), Giorgia Meloni, nahm dagegen die staatsmännische Rolle vorweg. Stichwort Verfassungsänderung hin zum Präsidialsystem. Kaum ein anderes Thema hat die Linke in den letzten Tagen genutzt, um die vermeintlich autoritären Absichten der kommenden Regierung so sehr zu unterstreichen wie der anberaumte Umbau nach gaullistischem Vorbild. Dieselbe Verfassung, die noch 2016 der PD-Ministerpräsident Matteo Renzi über ein Referendum umfassend umbauen wollte, gilt nun demselben linken PD als unantastbar aufgrund ihres „antifaschistischen“ Inhalts.

Meloni: „Wir werden eine Nation auf der Grundlage von Leistung aufbauen“

Meloni versprach, dass die Reform kommen würde, wenn ihr die Italiener eine Mehrheit verschafften. Natürlich freue sie sich, würden die Linken daran mitarbeiten, die Institutionen des Landes effizienter zu machen, doch „wenn die Italiener uns genügend Stimmen geben, werden wir es auch so tun“. Ohne Zwei-Drittel-Mehrheit wird es dazu freilich ein Referendum brauchen und das letzte Mal, als die italienische Verfassungsordnung grundlegend reformiert werden sollte, schickten die Italiener den Verantwortlichen in die Wüste. Das war damals der genannte Matteo Renzi.

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Meloni versprach eine stabile Regierung mit einem starken Mandat der Italiener. Dabei war auffällig, dass der typische FdI-Tonfall meritokratische Positionen übernahm, wie man sie in der Vergangenheit eher von FI und Lega hörte. Historisch betrachtet hat der Staat durchweg eine große Rolle für die Nationalkonservativen gespielt, mit einem gewissen „Wert an sich“. Meloni akzentuierte dagegen einen Stil, der etatistische Ideen allein der Linken zuschiebt. „Wir werden eine Nation auf der Grundlage von Leistung aufbauen. Das ist ein großer Unterschied zu den Linken, die Institutionen als etwas betrachten, das man besitzen muss.“

Überhaupt, die Linken: Zum Abschluss folgte die Abrechnung. Während die Rechten ihr Programm und ihre Punkte verteidigt und vorgestellt hätten, seien die Linken nur darauf aus gewesen, anzugreifen und die Parteien in eine „Schlammschlacht“ zu ziehen – „ein Gebiet, das dem Wesen der Linken entspricht“. Die Linke habe „ihren Kopf verloren“, sei panisch geworden, gar gewalttätig, weil sie darum fürchte, ihr „konsolidiertes System der Macht“ zu verlieren. Daraufhin kündigte Meloni gegenüber der Menge an: „Das Italien der Linken geht seinem Ende entgegen.“ Ob die Prophezeiung in Erfüllung geht – das bleibt nun den Italienern am Sonntag an den Urnen überlassen.

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