Tichys Einblick
Trifft der Drache den Falken

China und Deutschland vor der Herausforderung Trump

Bei der neu entdeckten Liebe deutscher Meinungsführer-Medien zu Xi Jinping drängt sich der Eindruck auf, dass es dabei gar nicht so sehr um China geht, sondern um eine heiß herbeigesehnte Allianz gegen Trump. Doch China ist der falsche Partner.

© Feng Li - Pool/Getty Images

Neuerdings scheinen viele etablierte deutsche Medien in Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping durch dessen Auftritt in Davos einen Hoffnungsträger und eine Gegenkraft zu dem neuen US-Präsidenten Donald J. Trump zu sehen. Die Frankfurter Allgemeine titelte beispielsweise „China für Globalisierung – Trump für Mauer“. Die deutsche Tageszeitung Die Welt erhob Xi Jinping mit seiner Botschaft in Davos gar zum „neuen Führer der freien Welt“. Das Handelsblatt indes glaubt, in Xi Jinping einen „Anti-Trump“ zu sehen.

Neue Allianz der Willigen

Die neu entdeckte Liebe dieser Art Leit-Medien in Deutschland zum chinesischen Staatspräsidenten drängt einem geradezu den Eindruck auf, dass es dabei gar nicht so sehr um China an sich geht – schließlich stand das Reich der Mitte noch wenige Monate zuvor anlässlich des China-Besuches des Wirtschaftsministers Gabriel unter dem Dauerbeschuss der deutschen Medien, die dem chinesischen Staat vorwarfen, deutschen Unternehmen den Zugang zu den Kernbereichen der chinesischen Industrie zu verweigern und durch seine protektionistische Wirtschaftspolitik auf dem chinesischen Markt systematisch zu benachteiligen – sondern es hauptsächlich darum geht, sich eine internationale „Allianz der Willigen“ gegen das neue Feindbild USA unter Trump herbeizuwünschen.

Die offene Frage indes bleibt, wie die in Davos angekündigte Unterstützung der chinesischen Regierung für die weitere Globalisierung zu deuten ist und ob China tatsächlich die Ambition hat, sich als „Anführer“ der Globalisierungsbefürworter und als ein Gegenpol zur Trump-Administration zu positionieren und außenpolitisch aktiv gegen Amerika zu agieren.

Die Neue Weltordnung
Spiel der Weltmacht
In einer vorherigen Analyse auf Tichys Einblick kam ich bereits zu dem Resümee, dass die Volksrepublik China gerade durch die Globalisierung und den damit zusammenhängenden Transfer von Industrien, Kapital und Know-how von entwickelten Staaten in die Schwellenländer (vor allem) Asiens eine beispiellose wirtschaftliche Aufholjagd hingelegt hat und in nur drei Jahrzehnten eine der einflussreichsten Wirtschaftsmächte der Welt wurde. 1978 war China ein kommunistisches Land am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Kaum eine chinesische Familie, soweit sie nicht den hochrangigen Kaderfamilien angehörte, blieb von den materiellen Nöten inklusive Hunger in der Zeit der Planwirtschaft vor der wirtschaftlichen Öffnung des Landes verschont. Heute verfügt China über mehr Dollar-Milliardäre als die USA und eine zahlenmäßig vergleichbare Mittelschicht wie die US-Mittelschicht, für die ein Auslandsstudium ihrer Kinder und westliche Lebensstandards selbstverständlich sind. China, insbesondere sein Staat, seine Privilegierten und seine Mittelschicht haben daher mitunter am meisten von der Globalisierung profitiert.

Während der absolute Wohlstandzuwachs der chinesischen Gesellschaft seit 1978 für jeden ersichtlich ist und real ausgelebt wird, sind die Mittelschicht und die untere Mittelschicht der USA im gleichen Zeitraum durch den Wegfall von Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie wegen der Auslagerung und Automatisierung stark geschrumpft. Daher rührt auch Trumps Kernforderung und die seiner Wähler nach einer Neuverteilung des globalen Wohlstandzuwachses zugunsten der US-Mittelschicht und Arbeiterschaft.

Gleichwohl ist Chinas bisheriges Wirtschaftsmodell mehreren gravierenden strukturellen Problemen ausgesetzt, sodass China sich einen Handelskrieg mit den USA schlicht nicht leisten kann.

Chinas Wirtschaftswachstum basiert bislang vor allem auf zwei Pfeilern: den staatlichen Investitionen und dem Export, wobei staatliche Anlageinvestitionen spätestens seit der globalen Finanzkrise 2008 und des daraufhin großflächig angelegten Konjunkturprogramms eine dominante Stellung beim Wirtschaftswachstum einnahmen. Deren Gelder führten in der Folge nicht nur zu enormen Überkapazitäten der Industrien und unrentablen Geisterstädten und Infrastrukturen, sondern auch zu einer riesigen Immobilienblase mit astronomischen Immobilienpreisen in den chinesischen Großstädten. Zeitgleich leidet Chinas Export nicht nur unter der geschwächten Nachfrage nach chinesischen Gütern in den klassischen Industrieländern, die zum Teil selbst mit Rezession kämpfen,  sondern aber auch an den gestiegenen Löhnen und explodierenden Herstellungskosten von Industriegütern infolge der verteuerten Energie- und Grundstückkosten. Chinas Auslandshandel fiel 2015 um acht Prozent. Während die chinesischen Exporte im 2016 um 7,7 Prozent zurückgingen, war ein Rückgang der Importe nach China um 5,5 Prozent zu verzeichnen.

Im Zusammenhang mit dem zunehmenden Verlust der Wettbewerbsvorteile bei den industriellen Herstellungskosten sind in China ein schleichender Rückzug von ausländischen Industrieunternehmen und Kapitalflucht aus China zu beobachten. Ausländische Direktinvestitionen in China, welche Jahrzehnte lang maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufstieg Chinas zur “Weltfabrik” beigetragen haben, sind im Jahr 2016 gemessen an der chinesischen Währung RMB nur um 4,1 Prozent gestiegen. Gemessen am US-Dollar sind Auslandsinvestitionen in China 2016 gar gesunken. Der Abfluss von Kapital aus China wurde für 2015 auf eine Billion US-Dollar geschätzt, während die Kapitalabwanderung für 2016 nach Schätzung von Christopher Balding der Pekinger HSBC Business School 1,1 Billion Dollar betragen haben dürfte. Die Situation war für die chinesische Regierung derart bedrohlich, dass sie umfangreiche Kapitalverkehrskontrollen verhängte.

Eine Sicht von innen
China - Der Drache im Teufelskreis
Der Binnenkonsum in China wiederum kann in absehbarer Zeit die Lücke gar nicht füllen, die fehlende Exporte und staatliche Investitionen im Wirtschaftswachstum hinterlassen. Obgleich China potentiell aufgrund seiner Bevölkerungszahl den größten Binnenmarkt der Erde aufweist, hat der chinesische Staat es versäumt, parallel zur Industrialisierung des Landes ein flächendeckendes Sozialsystem einzuführen. Die allermeisten Chinesen müssen nicht nur für die Bildung ihrer Kinder (insbesondere für den Besuch in Kindergärten, höheren allgemeinen staatlichen Schulen und Hochschulen) hohe Gebühren bezahlen, sondern müssen auch für den Großteil ihrer Gesundheitskosten bei größeren Operationen trotz einer etwaigen Krankenversicherung aufkommen (für städtische Parteikadern der KP und Beamten werden die meisten Gesundheitskosten freilich vom Staat erstattet). Gerade Gesundheitsprobleme stellen angesichts der gravierenden Umweltverschmutzung in China eine immer größere gesellschaftliche Herausforderung dar. Das bedeutet, dass die meisten chinesischen Haushalte ihre Ersparnisse nicht für den Konsum, sondern für ihre etwaig anfallenden Gesundheitskosten, für die Bildung ihrer Kinder (die aufgrund der konfuzianischen Mentalität und der lange chinesischen Geschichte eines sozialen Aufstiegs durch Bildung und die Staatsprüfung Keju einen immensen Stellenwert hat) und für den Erwerb einer eigenen Immobilie und einer Eigentumswohnung für ihre Kinder (denn Eigentumswohnung ist in China in der Regel Bedingung für eine Ehe) zurücklegen müssen.

Ein flächendeckendes Sozialsystem zur Ankurbelung des Binnenkonsums setzt allerdings große strukturelle Reformen in China voraus. Zum einen müsste die Verteilung der Ausgaben der chinesischen Regierung grundlegend neu geregelt werden. 2010 betrug der Anteil der Sozialausgaben (Bildungswesen, Gesundheitswesen und soziale Sicherungssysteme) an den öffentlichen Gesamtausgaben in China lediglich 20,6 Prozent (Chinesisch: http://view.qq.com/a/20111102/000042.htm). Eine drastische Erhöhung der Sozialausgaben hätten allerdings zwangsläufig eine Reduzierung der Ausgaben etwa im Bereich Militär und innere Sicherheit (Polizei Gongan, Paramilitärs Wujing), die jedoch derzeit aus Sicht der chinesischen Regierung für den Erhalt der „öffentlichen Ordnung“ im Staate und damit für den Machterhalt der Kommunistischen Partei unverzichtbar sind.

Die Ausgaben für die innere Sicherheit werden in China unter dem Stichwort „Wahrung der Stabilität“ zusammengefasst und haben in den letzten Jahren die Ausgaben für die reguläre Volksbefreiungsarmee übertroffen. Gerade im Hinblick auf fehlende staatliche Einnahmen infolge verlangsamten Wirtschaftswachstums ist eine radikale Neuverteilung des staatlichen Budgets zugunsten der Sozialausgaben unwahrscheinlich. Zum anderen setzt ein flächendeckendes Sozialsystem im eigentlichen Sinne die vollständige Abschaffung des aus der Planwirtschaft der Mao-Zeit stammenden Hukou-Systems voraus, welches etwa Stadtbürger und Landbürger oder aber auch einheimische Stadtbürger und Bürger aus anderen Städten hinsichtlich der sozialen Systeme oft extrem unterschiedlich behandelt, selbst wenn diese in derselben Stadt arbeiten und leben. Obwohl das Hukou-System in den letzten Jahren bereits mehrfach reformiert wurde, ist eine Abschaffung der Ungleichbehandlung der Bürger insbesondere in den Metropolen wie Peking oder Schanghai in absehbarer Zeit nicht zu erwarten und gegen den extrem starken Widerstand der einheimischen Hukou-Inhaber der Metropolen, die dank der Nähe zum politischen und wirtschaftlichen Zentrum politisch oft gut vernetzt sind, kaum durchsetzbar.

Wirtschaftliche Probleme verschärfen die inneren, sozialen Spannungen Chinas. In Zeiten hohen Wirtschaftswachstums können Millionen Chinesen aus den unteren sozialen Schichten trotz der auseinander klaffenden Schere zwischen Arm und Reich auf das Versprechen eines wirtschaftlichen und damit verbunden eines sozialen Aufstiegs durch harte Arbeit ruhig gestellt werden. Die Aussicht auf einen sozialen Aufstieg würde sich jedoch als schwierig erweisen, sobald Millionen Arbeitsplätze aufgrund der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums wegbleiben und die soziale Mobilität dadurch weiter erschwert würde.

Im Gegensatz zu den klassischen Industrieländern wie Deutschland, die in Zeiten hohen Wirtschaftswachstums nahezu Vollbeschäftigung aufwiesen, ist die Arbeitslosigkeit für den chinesischen Staat auch in Zeiten hohen Wirtschaftswachstums eine der größten Herausforderungen überhaupt. In der offiziellen chinesischen Arbeitslosenstatistik werden lediglich registrierte Arbeitslose der städtischen Bevölkerung berücksichtigt. Unbekannt ist dagegen die Zahl der Arbeitslosen vor allem in der Landbevölkerung oder von Personen, die zwar in der Stadt leben, auf dem Papier aber als Angehörige der Landbevölkerung gelten (im deutschsprachigen Raum Wanderarbeiter genannt). Über die wahre Arbeitslosenzahl in China wissen vermutlich nur hochrangige Beamte der chinesischen Regierung sowie eingeweihte Experten. Ein paar Hinweise lassen jedoch einen Einblick gewähren. So behauptete der damalige chinesische Premier Wen Jiabao 2010 im Gespräch mit ausländischen Wirtschaftsvertretern, dass China 200 Millionen Arbeitslose hätte. 2015 behauptete der  Vizepräsident der Weltbank Justin Yifu Lin auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, dass 124 Millionen Arbeitsplätze in Chinas produzierendem Industriesektor infolge der Lohnerhöhungen in andere Länder verlagert würden.

China und Rom
Aufstieg und Niedergang von Zivilisationen
Besonders problematisch ist auch die Gruppe der sogenannten „Drei-Ohne-Bauern“: d.h. Angehörige der Landbevölkerung ohne Land, ohne Arbeit und ohne soziale Sicherung. Die Zahl dieses Personenkreises wird auf mehrere zehn Millionen geschätzt. Die chinesische Regierung ist sich der von landlosen und erwerbslosen Bauern ausgehenden potentiellen Gefahr für die innere Stabilität bewusst. In der Geschichte Chinas stellten landlose und erwerbslose Bauern oft die größte Bedrohung für die innere Stabilität der Kaiserreiche dar. Diese waren es, die unter der Führung des Rebellen Huang Chao im 9. Jh. den reichen Süden des chinesischen Reiches verwüsteten, ganze Metropolen entvölkerten und schließlich den Kaiser aus der Hauptstadt jagten. Diese waren es aber auch, die Anno 1644 Peking eroberten und den Kaiser zum Selbstmord zwangen, bevor die verbliebenen kaiserlichen Truppen an der Grenze zur Mandschurei den Rebellen die Gefolgschaft verweigerten und den Mandschu die Tore des Shanhai-Passes der Großen Mauer öffneten, die daraufhin die Geschicke Chinas für fast dreihundert Jahre bestimmen sollten.

Ein hohes Wirtschaftswachstum ist daher für Chinas innere Stabilität unabdingbar, um einerseits das riesige vorhandene Arbeitslosenheer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und andererseits 15 Millionen junge Chinesen, die jedes Jahr auf den Arbeitsmarkt hinzukommen, in Beschäftigung zu bringen. Per Regierungsvorgaben muss daher in China auf jeden Fall ein Wirtschaftswachstum von sechs bis sieben Prozent aufrechterhalten werden. Das Erzielen vom Wirtschaftswachstum gehört übrigens seit jeher zu den wichtigsten Kriterien, welche über die Beförderung chinesischer Provinzkader entscheiden.

Man sollte wissen, dass für Chinas Führung der Machterhalt der Kommunistischen Partei die oberste Priorität genießt. Der Erhalt des Machtmonopols der KPCh  zählt spätestens seit dem realen Nicht-Ausleben der kommunistischen Ideologie des Klassenkampfs zum obersten Richtwert der chinesischen Politik. Die Aufnahme der Privat-Unternehmer in die Partei seit der Einführung der Parteileitlinie des sogenannten „Dreifachen Vertretens“ im 2002, wodurch der Markenkern einer Kommunistischen Partei de facto obsolet wurde, diente in diesem Sinne auch dazu, um den Machterhalt der KPCh in der veränderten gesellschaftlichen Lage zu sichern. Eine stabile Gesellschaft indes ist Voraussetzung für die Stabilität der Machterhaltung der KPCh.

Ein hohes Wirtschaftswachstum und damit die Voraussetzung eines stabilen Chinas können aber über staatliche Investitionen langfristig kaum aufrecht erhalten werden. Die Verwirklichung der Idee der Ausschöpfung der industriellen Überkapazitäten durch von China gesponserte Infrastrukturprojekte in benachbarten Staaten (sog. Neue Seidenstraße) gestaltet sich als schwierig. Die ohnehin schon prekäre Lage des chinesischen Exportsektors droht sich nun wegen der zu erwartenden protektionistischen Maßnahmen der neuen USA-Regierung zu verschärfen. Gerade der amerikanische Markt ist aber der größte und wichtigste Absatzmarkt für chinesische Güter. Setzt sich der Rückzug westlicher Unternehmen aus dem chinesischen Markt verstärkt fort, so fehlt es China an Technologie und Kapital, um einerseits eine wirtschaftliche Transformation zu einer auf Forschung und Innovation angelegte Volkswirtschaft zu transferieren und andererseits hochwertige Exporte zu generieren (denn die Mehrheit aller High-Tech-Exporte und die Hälfte aller Exporte Chinas stammen letztendlich von in China produzierenden ausländischen Firmen). Zudem würden Steuereinnahmen und Arbeitsplätze wegfallen, die die Staatsfinanzen und den Arbeitsmarkt zusätzlich belasten würden.

Xi Jinping lud in Davos zu Investititonen in China ein

Vor diesem Hintergrund sind die befürwortenden Worte des chinesischen Staatspräsidenten für die Globalisierung vor allem als Aufforderung an internationale Konzerne gedacht, weiter verstärkt in China zu investieren. Denn Chinas Regierung braucht diese ausländischen Investitionen dringend, um weiterhin  Wirtschaftswachstum zu erzeugen und Chinas Gesellschaft stabil zu halten.

Zugleich wird die chinesische Regierung mit aller Macht versuchen, einen Kompromiss mit der Trump-Administration zu finden, damit die USA weiterhin als wichtigster Absatzmarkt chinesischer Güter fungieren können. In diesem Zusammenhang ist es auch erwähnenswert, dass die Propagandaabteilung der KPCh laut Financial Times die chinesischen Medien angewiesen hat, die Feiern zur Amtseinführung von Trump in der Berichterstattung einerseits herunterzuspielen und andererseits Hasskommentare von chinesischen Nutzern gegen Trump zu zensieren. Nach Bericht des Washington Post haben chinesische Beamte den staatlichen Medien zudem „unautorisierte Kritik an Trumps Worte und Verhalten“ verboten. Dies alles deutet darauf hin, dass die chinesische Regierung noch intensiv an einer Strategie gegenüber der neuen US-Administration arbeitet und Trump auf keinen Fall provozieren will.

In der Tat mehren sich Anzeichen dafür, dass sich die chinesische Regierung bereits vorsichtig an die neue Trump-Administration herantastet, um Kooperationsmöglichkeiten mit der neuen US-Regierung, die China als ihren neuen außenpolitischen Hauptgegner zu betrachten scheint, auszuloten. So traf Jack Ma, CEO einer der einflussreichsten chinesischen Konzerne: Alibaba Group, vor wenigen Wochen Trump, um über mögliche Zusammenarbeit zu sprechen. Ma machte Trump das Angebot, den Zugang von klein-und mittelständischen US-Agrarunternehmen zum chinesischen Markt zu ermöglichen, um über die Internetplattformen der Alibaba Group Produkte an die chinesische Mittelschicht zu verkaufen. Dadurch könnten über eine Million Arbeitsplätze in den USA geschaffen werden, so Ma. Unabhängig von der Ernsthaftigkeit und von den Erfolgsaussichten dieses Vorhabens (bislang sind Internetbörsen für grenzüberschreitende Agrarprodukte eher wenig konkurrenzfähig etwa gegenüber dem Großhandel), zeigt das Treffen, dass die chinesische Regierung und ihre inoffiziellen Vertreter durchaus aktiv versuchen, Trump von dem Nutzen der chinesisch-amerikanischen Zusammenarbeit zu überzeugen. Über die politische Vernetzung von Alibaba Group zu einflussreichen chinesischen Polit-Familien berichtete die New York Times. Am 25. Januar wurde eine Liste der Massenvernichtungswaffen und deren Technologien von fünf nationalen chinesischen Behörden veröffentlicht, die nicht nach Nordkorea exportiert werden dürfen. Trump hatte China Anfang Januar noch auf Twitter vorgeworfen, Nordkorea in seiner Bestrebung nach Besitz der Atomwaffen nicht gestoppt zu haben. Die jetzt verhängte Blacklist der chinesischen Exporte nach Nordkorea könnte demnach als Maßnahme der chinesischen Regierung gedeutet werden, um Trump entgegenzukommen.

Man kann von China halten, was man will. Eins ist die aktuelle chinesische KP aber gewiss nicht: ideologischer Dogmatiker. Das chinesische politische Establishment ist außenpolitisch erstaunlich flexibel, wenn es dem Zweck der Stabilität des KPCh-Staates und damit des eigenen Machterhalts dient. Genau aus diesem Grund werden die etablierten Medien in Deutschland letztendlich enttäuscht feststellen, dass die chinesische Regierung ihre herbeigewünschte Führungsrolle von internationalen Allianzen gegen Trump nicht annehmen wird, solange noch Spielräume für eine Zusammenarbeit Chinas mit der neuen US-Administration existieren. Zu wichtig ist Amerika für Chinas Wirtschaft und auch Chinas Sicherheitspolitik in Asien.

Das Reich der Mitte kehrt wieder
Chinas Traum – Russlands Albtraum
So wie es in der recht einseitigen Berichterstattung vieler etablierten Medien in Deutschland über Trump aussieht, scheint es allerdings, dass diese Medien am liebsten auch die deutsche Bundesregierung als „Anführer einer liberalen Europäischen Union“ gegen die USA in Gang setzen möchten. Diese Wunschvorstellung scheint vor dem Hintergrund der europäischen Geopolitik geradezu grotesk, wenn man bedenkt, dass sich die allermeisten EU-Länder in der Nato befinden und sicherheitspolitisch vor allem von den USA, aber viel weniger von Deutschland abhängig sind. Unabhängig von den kommenden Annäherungsversuchen der Trump-Administration mit Russland, bieten die schlagkräftigen und kampferprobten US-Truppen mit nuklearer Abschreckungsfähigkeit den osteuropäischen Nato-Ländern eine wesentlich bessere Sicherheitsgarantie vor möglichen Bedrohungen der russischen Militärmacht als die marode und kaum einsatzfähige deutsche Bundeswehr. Die an Nordafrika angrenzenden südeuropäischen Mittelmeerländer sind schon deshalb stärker an einer sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit den USA interessiert, da die USA anders als Deutschland in Nordafrika und im Nahen Osten eine starke militärische Präsenz haben und als einzige westliche Macht in der Lage wären, die Situation dort halbwegs wieder in Ordnung zu bringen. Ohne die Unterstützung der US-Geheimdienste wären die Sicherheitsbehörden der EU-Länder zudem ziemlich blind. Bezüglich der Asylpolitik scheinen die meisten EU-Länder ebenfalls eher auf der Linie der neuen US-Administration zu stehen als auf der Seite der deutschen Regierung. Darüber hinaus brauchen die europäischen Länder schon aus ihren eigenen Interessen eine starke US-amerikanische Präsenz in Europa, die sie auch als Gegenkraft zum deutschen Einfluss betrachten.

Deutschland kann seine nationalen Interessen in der deutsch-amerikanischen Beziehung angesichts des Machtwechsels in den USA dann am besten bewahren, wenn seine Regierung die neue US-Administration rasch ideologiefrei als einen engen Partner und Verbündeten akzeptiert und sich aktiv um eine gute Beziehung bemüht. Deutschland hätte für eine gute deutsch-amerikanische Zusammenarbeit unter Trump eigentlich sehr gute Aussichten, da die neue US-Administration Deutschland an sich (von ihrer Kritik an der deutschen Asylpolitik mal abgesehen) nie vordergründig als Ursache des wirtschaftlichen Niedergangs der USA der letzten Jahrzehnte oder als Hindernis und Feindbild eines amerikanischen Wiederaufstiegs sieht. Jetzt wäre seitens der Bundesregierung dringend geboten, die neue US-Regierung davon zu überzeugen, dass bei einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Regionen mit ähnlichen Lohn- und Wohlstandsniveau und gesellschaftlichen Systemen, wie es zwischen USA und der EU der Fall wäre, durchaus für alle Beteiligten die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen; dass in einem solchen Fall keine Abwanderung von Arbeitsplätzen infolge der Lohngefälle und des fehlenden Arbeitnehmerschutzs aus Amerika zu befürchten sind, im Gegenteil deutsche Industrieunternehmen Teile jener hochwertigen Vorleistungen liefern könnten, um die US-Infrastruktur zu erneuern, und einen wichtigen Beitrag bei der Schaffung von Arbeitsplätzen bei den vielen angehenden Infrastrukturprojekten in Amerika leisten könnten. Doch dafür wäre es jetzt für die Bundesregierung dringend an der Zeit, vorurteilsfrei und im gegenseitigen Respekt mit den Amerikanern aktiv ins Gespräch zu kommen.

Zu befürchten ist jedoch, dass die Regierungsparteien der Bundesregierung dem Aufruf vieler deutscher Medien folgen, von vornherein eine ablehnende und kritische Haltung gegenüber der neuen US-Regierung einzunehmen, um sogar für eine Zusammenarbeit „moralische“ Bedingungen zu diktieren. Jene Vertreter der deutschen Regierungsparteien tun dies vielleicht auch in der Gewissheit, durch die einseitige ideologische Positionierung die Unterstützung und den Beifall der etablierten Medien und des parteiübergreifenden „linksliberalen“ politischen Lagers zu erhalten, um dann nach den Wahlen mit Koalitionspartnern aus jenem parteienübergreifenden Lager regierungsfähig zu bleiben. Der Preis für einen solchen Fall wäre allerdings die unnötige Maximierung des außenpolitischen Schadens zum Nachteil Deutschlands.