Tichys Einblick
Migrationspolitik

Migranten: Neue Härte Frankreichs oder nur Faustpfand Richtung Berlin?

Schaut man sich genauer an, was Paris da medienwirksam inszeniert, handelt es sich eher um Nadelstiche gegen Angela Merkel, während Frankreich weiter über Spanien einreisende illegale Migranten einfach nach Deutschland durchwinkt.

Paris. November 07, 2019

imago images / Le Pictorium

Frankreich lässt ein paar wilde Camps von illegalen Migranten vor den Stadttoren von Paris räumen und die deutschen öffentlich-rechtlichen Medien sehen daran ein Zeichen neuer Härte in der Migrationspolitik in Frankreich. Wirklich?

„Wir müssen eine Gang höher schalten, deshalb greifen wir hier heute durch“, verkündete gerade Didier Lallement, der Polizeipräfekt von Paris. Und Ministerpräsident Edouard Phillippe sprach vollmundig davon, Frankreich wolle die Kontrolle über seine Migrationspolitik zurückgewinnen, was immerhin einem Eingeständnis gleich kommt, dass diese Kontrolle verloren ist. Vertreter der Stadt Paris räumen gegenüber dem deutschen Fernsehen ein, dass die Zustände in den Lagern, dass also die unschönen Bilder bisher durchaus gewollt waren als Abschreckung, wenn sich immer mehr abgewiesene und vor der Abschiebung stehende Personen für diese Form der Illegalität in diesen Zeltcamps entscheiden.

Zunächst allerdings will Präsident Emmanuel Macron hier augenscheinlich den Rechten in Frankreich ein Mobilisierungsthema nehmen, nicht mehr und nicht weniger. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass der Staat hier durchgreift aus einer Erkenntnis des fundamentalen Versagens heraus, oder um endliche seine staatliche Souveränität in der Frage illegaler Migranten zurückzuerlangen.

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Für Deutschland könnte es trotzdem noch düsterer werden: Deutschland muss sich jetzt die bange Frage stellen, was für Folgen diese angebliche neue französische Härte insbesondere für Migranten in die Bundesrepublik hat, wenn auf der Fluchtroute über Spanien die Migranten schon vom roten Kreuz per Bus bis zur französischen Grenze gebracht werden und auch bei der Durchquerung von Frankreich keine wesentlichen Probleme auftauchen, unregistriert nach Deutschland zu kommen. Spanien und Frankreich sind, zumindest was diese illegale Zuwanderungsroute angeht, faktisch längst zu Schleuserhelfern nach Deutschland geworden. Wenn also wirklich von einer neuen Härte gegenüber illegalen Migranten in Frankreich die Rede ist, dann steht zu befürchten, dass das auf Kosten einer zunehmenden Einwanderung nach Deutschland geht.

So wird dann eine halbgare Abschreckungspolitik der einen zur Folge der freiwilligen Einladungspolitik für die anderen. Soviel also zunächst zur Verständigung der EU-Achse Frankreich-Deutschland in der Migrationsfrage.

Nun sind solche medienwirksam inszenierten Räumungen von Zeltstädten keine Neuheit. Immer wenn es politisch Wirkung zeigen soll, wenn der Staat handlungsfähig aussehen möchte, räumt Frankreich gerne einmal eine Zeltstadt wie schon zuvor beim so genannten Dschungel von Calais, einer Art Staubecken für Migranten, die nach England wollten und am Kanal auf ihre Gelegenheit oder den erfolgreichen Schlepper warteten.

Schauen wir mal auf die generelle Situation im Nachbarland Frankreich, was Migranten angeht. Die Herkunftsländer der Migranten bilden dort auch ein stückweit die ehemaligen Kolonien Frankreichs ab, von Algerien bis nach Indochina.

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Dieses Frankreich ist übrigens ein Sonderfall in Europa, was die Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung angeht. Inwieweit das allerdings schon überproportional auf Familien mit Migrationshintergrund zurückzuführen ist, müsste statistisch einmal genauer betrachtet werden. Jedenfalls lag die Geburtenrate 2016 noch bei 1,93 Kindern pro Frau, 2010 sogar noch bei 2,01 Kindern während sie in Deutschland mit etwas mehr als 1,5 Kindern gerade auf einem für Deutschland schon als Allzeithoch zu bezeichnenden Niveau liegt, schlicht deshalb übrigens, weil gerade aus der verhältnismäßig hohen Zahl von Töchtern der geburtenstarken Jahrgänge welche Mütter werden.

„Heute leben rund 13,1 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Frankreich. Das sind rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung.“ In Deutschland waren es 2009 mit 16 Millionen Personen bereits knapp 20 Prozent und 2019 haben mit 20,8 Millionen bereits ein Viertel der Bevölkerung fremde Wurzeln und das bei einer höheren Geburtenrate eben dieser Klientel. Zum Bild dazu gehört hier allerdings auch: Es findet eine schleichende Anpassung an die niedrige Geburtenrate einheimischer Frauen statt.

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Frankreich hat also ein geringeres Nachwuchsproblem als Deutschland, aber die Bundesrepublik hat es in den letzten Jahrzehnten nie vermocht, hier einmal zu schauen und dann zu kopieren, was Frankreich besser macht, welche Familienpolitik hier so besonders erfolgreich war. Ein Armutszeugnis übrigens für alle deutschen Regierungen seit dem Abknicken der Kurve bei den geburtenstarken Jahrgängen Ende der 1960er Jahre.

Parallel übrigens zu den besagten medienwirksamen Räumungen von ein paar Lagern vor Paris soll das Verhältnis zwischen Bundeskanzlerin und Präsident auf einem Tiefpunkt angekommen sein.  Schuld seien hier aber offiziell nicht Fragen der illegalen Massenzuwanderung, es soll viel mehr um Macrons Nato-Kritik, seine Annährung an Putin und eine Reihe von Absagen an Berlin gehen, beispielsweise in Fragen der Handelspolitik mit den Vereinigten Staaten. Tagesschau.de fasst es in einem heutzutage für einen öffentlich-rechtlichen Sender bemerkenswerten Satz zusammen:

„Mit Merkel zusammen zu gehen, daran hat Macron weder in Sachen EU noch NATO erkennbares Interesse.“ Wie sieht es also in der Frage der illegalen Migranten aus? Muss sich Angela Merkel hier ebenfalls Sorgen machen? Oder gibt Macron hier schon den Erdogan und droht mit einer neuen Migrationswelle nach Deutschland, wenn er seine Migranten etwas härter anfasst?

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Die französische Regierung demonstriert nun also zumindest offiziell auch in der Massenzuwanderungsfrage eine gegensätzliche Haltung zur Einladungspolitik von Angela Merkel. Jedenfalls will man es so aussehen lassen. Was da vor den Toren von Paris geschehen ist, soll aber wohl lediglich so etwas wie eine vorübergehende klare Kante suggerieren und zudem Stimmen am rechten Rand einsammeln, ebenso wie es als Warnschuss nach Berlin verstanden werden muss. Der gallische Hahn hat mal eben zwei dicke Körner auf einmal aufgepickt, nicht mehr.

Warum auch sollte Frankreich sich Sorgen machen? In der Migrationspolitik wird sich wenig ändern, solange Deutschland willig alle Migranten aufnimmt, die über die sperrangelweit offene Grenze aus Frankreich illegal einwandern.

Frankreich wird erst dann eine wirklich ernstzunehmende neue Härte in der Migrationsfrage an den Tag legen, wenn Deutschland lückenlose Grenzkontrollen einführt, anstatt sich europaweit unglaubwürdig zu machen in einer Grenzsicherungspolitik der „tausend Nadelstiche“, wie es zuletzt ein Länderinnenminister formuliert hatte, während der Bundesinnenminister sich einmal mehr lächerlich machte mit Aussagen, die im Übrigen an Frechheit gegenüber den Bürgern kaum noch zu übertreffen sind, wenn Horst Seehofer sagt: „Der Fall Miri ist ein Lackmustest für die wehrhafte Demokratie. Wenn sich der Rechtsstaat hier nicht durchsetze, verliere die Bevölkerung das Vertrauen in das Asylsystem.“

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