Tichys Einblick
Vermeintliche oder vermeidbare Odyssee?

400 Migranten auf NGO-Schiffen im Mittelmeer

Nachdem die Medien und diverse private Organisationen wieder so etwas wie eine breitere Akzeptanz geschaffen haben, erhöht sich erneut die Zahl der NGO-Boote, die vor der libyschen Küste die Arbeit der Schlepper vollenden.

Crew members of the 'Ocean Viking' rescue ship, operated by French NGOs SOS Mediterranee and Medecins sans Frontieres (MSF), stand ready on board of a "rhib", an inflatable dinghy, as they approach an inflatable boat carrying migrants on August 10, 2019, during their second rescue operation in the Mediterranean Sea.

ANNE CHAON/AFP/Getty Images

Dank einer massiven Unterstützung diverser Institutionen und prominenter Personen wie zuletzt von Schauspieler Richard Gere – und wir müssen diese Feststellung jetzt leider treffen –, werden in Zukunft aller Wahrscheinlichkeiten nach und auf der Erfahrung von 2017 auf 2018 basierend wieder mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken. Demgegenüber werden die Nichtregierungsorganisationen (NGO) und die co-finanzierenden Institutionen wie die evangelische Kirche diese Toten damit rechtfertigen, dass es eine größere Anzahl von Migranten dank NGO-Schiffe nach Europa geschafft hat – so man sie denn bald an einem Hafen landen lässt, was bisher immer geschehen ist. Noch dazu unter großem medialen Getrommel.

Die italienische Regierung muss sich hier fragen, ob ihre Verweigerungsaktionen, Schiffe anlanden zu lassen, nicht am Ende das Gegenteil dessen bewirken, was man erreichen wollte, wenn die Meldungen großer Solidarität verschiedener Player auf Wegen auch dort landen, wo sich beispielsweise in Zentralafrika dann erneut Migranten aufmachen ins unsichere Libyen als Tor ins vermeintliche Paradies Europa.

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Nachdem nun also die Medien und diverse private Organisationen so etwas wie eine breitere Akzeptanz geschaffen haben, erhöht sich erneut die Zahl der Boote, die vor der libyschen Küste die Arbeit der Schlepper vollenden, die dafür sorgen, dass wieder weitere Schlauchboote zu Wasser gelassen und irgendwie notdürftig in internationale Gewässer oder wenigstens in diese Richtung befördert werden. An der Stelle dürfen wir die mehr als 200 Bundestagsabgeordneten nicht vergessen, die diese Aktionen sogar mit einer Petition befördert haben. Auch an sie wird zu denken sein, wenn sich beim nächsten großen Unglück auf dem Mittelmeer die Schuldfrage stellt.

Aktuell hat Ärzte ohne Grenzen gemeinsam mit der NGO SOS Mediterranee den ehemaligen Offshoreversorger Ocean Viking für den Transfer von Migranten aus Schlauchbooten vor die libyschen Küste bewegt und dort schon Passagiere aufgenommen. Nach wie vor scheut man sich nicht, diese Unternehmungen „Seenotrettung“ zu nennen, wohl wissend, dass dieses Tun damit wenig zu tun hat. Und wohl wissend, welches hohe Risiko man damit eingeht, wenn die erneute Anwesenheit solcher Schiffe wieder vermehrt Schlauchboote zu Wasser bringt, was wiederum das Risiko zu ertrinken eklatant erhöht.

Hinzu kommt hier, dass die mannigfaltigen Erzählungen KZ-ähnlicher Unterbringungen in Libyen den realen Verhältnissen nicht mehr standhalten. Nicht, dass es diese furchtbaren Sammellager nicht gäbe, die in keiner Weise vergleichbar sind mit Sammelunterkünften in Europa, die sogar lebensgefährlich für ihre Insassen sein sollen. Aber die Information, dass von den über 600.000 afrikanischen und anderen Migranten, die in Libyen auf ihre Überfahrt hoffen, lediglich ein Prozent, nämlich 6.000 in solchen Lagern ausharren müssen, ist nun in der Welt. Und muss von Journalisten nur korrekt recherchiert bzw. verifiziert werden.

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Die Ocean Viking nahm nun erstmals Flüchtlinge genannte illegale Einwanderer auf. Die Heldenverehrung der Schiffsführerin „Kapitänin“ Carola Rackete wird hier ihren Anteil gehabt haben, die Akzeptanz für solche weiteren mittels Pullfaktor Menschenleben gefährdenden Abenteuer zu schaffen. „Die Menschen seien in einem Schlauchboot in internationalen Gewässern vor Libyen in Seenot geraten, aber sicher an Bord gelangt, twitterten „Ärzte ohne Grenzen“, die gemeinsam mit dem Verein SOS Mediterranee das Schiff betreiben.“, berichtete wiederum die evangelische Kirche die „Erfolgsmeldung“.

Nun kreuzt mit der Open Ams noch ein paar Tage länger ein weiteres mit Migranten beladenes privates NGO-Schiff durchs Mittelmeer. Jenes Schiff, das Besuch von Hollywoodgröße Gere bekommen hatte, gefilmt von einer deutschen Journalistin der Welt, die mindestens zu diesem Zeitpunkt an Bord gewesen sein muss. Also ein munteres „Hallo!“ auf der Open Arms mit afrikanischen Migranten als exotische Kulisse? Diesen meist männlichen jungen Glückrittern kann jede Aufmerksamkeit recht sein, erhöht sich doch damit die Chance, zeitnah nach Europa zu gelangen. Denn dort hin gelangen werden sie immer, manchmal dauert es eben nur ein paar Tage länger, bis gewisse politischen Kräfte und die Medien sich dahingehend organisiert haben.

Die Zeit spricht schon von einer „Irrfahrt“ und eine Sprecherin der Brüsseler EU-Behörde ruft bereits zur Solidarität mit den „Migranten“ auf. „Flüchtlinge“ zu sagen, traut sich mittlerweile schon kaum noch ein Medium. Es sind immer auch die EU und die UN, die diese Zuwanderung über das Mittelmeer massiv befördern. Wieder die Brüsseler Sprecherin: „Wir haben zu diesem Zeitpunkt von keinem Mitgliedsstaat eine förmliche Anfrage erhalten.“ Die EU-Länder zieren sich also noch, wer als erstes fragt. Noch.

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Beide NGO-Schiffe zusammengenommen, sitzen derzeit rund 400 Migranten auf dem Mittelmeer fest. Selbst die Zeit spricht also mittlerweile von Migranten, hat aber bisher an keiner Stelle erklären wollen, warum das jahrelang gebrauchte „Flüchtlinge“ so sang- und klanglos aus dem Vokabular verschwunden scheint, wenn es darum geht, diese Schlauchboot-Passagiere zu benennen.

Die Ocean Viking nahm zuletzt am Sonntag 81 Migranten auf und hat damit nach drei „Einsätzen“ in wenigen Tagen nun 251 Passagiere zusätzlich zur Besatzung mit an Bord. Fahren auch Pressevertreter? Sind schon Prominente auf Stippvisite angemeldet? Das Schiff fährt zurzeit unter norwegischer Flagge.

Die Open Arms befand sich –  jetzt mit zusätzlich Obstkisten und guten Wünschen von Richard Gere an Bord – nach Angaben der Zeit rund 70 Seemeilen vor der maltesischen Küste. Aber auch Malta lässt das Schiff im Moment noch nicht landen, lediglich zwei erkrankte Frauen an Bord plus sechs Familienmitglieder durften an Land kommen. Unter den Passagieren befinden sich, was durchaus selten ist, auch 30 Kinder. Was für ein unfreiwilliges Faustpfand für die privaten Seenotorganisatoren.

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Der Gründer der Open Arms befeuert derweil die Medien mit der Nachricht von „ernsthaften Sicherheitsproblemen an Bord“, die Geretteten litten unter „unerträglichen Angstzuständen“. Wovor? Es am Ende doch nicht nach Europa zu schaffen? Oder Angst, basierend auf so genannten posttraumatischen Belastungszuständen? All das ist möglich. Sicher sogar wahrscheinlich, wenn man sein Leben und seine Zukunft in die Hände von Schleppern gelegt hat und nun so kurz vor dem Ziel tagelang auf dem Meer auf Anlandung warten muss. Beide Schiffe allerdings wissen um die Schließung der italienischen Häfen und sie wissen längst auch um den Pullfaktor ihre Tuns. Dennoch zählt für sie alleine die Zahl der erfolgreichen Überfahrten. Was für eine zynische Quote ist das eigentlich?

Nicht auszudenken, wenn zukünftig einem Passagier an Bord etwas Schlimmes zustoßen würde, während diese Schiffe noch auf dem Mittelmeer auf ihren europäische Hafen warten. So ein Unglücksfall würde die Karten schnell neu mischen und auch die Position beispielsweise der italienischen Regierung gefährden, die schon jetzt viele Gegner hat: Die EU, die UN, die Kirchen, die etablierten politischen Parteien in Europa und nicht zuletzt die Medien und damit auch eine breite öffentliche Zustimmung für „Seenotrettung von Flüchtlingen”  – oder präziser: zur Zeit noch unkonventionelle, unpünktliche Fährverbindungen für afrikanische und andere Migranten vornehmlich in die deutsche Vollversorgung samt späterem sicheren Familiennachzug per Flugzeug in selbige.

Die internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet aktuell, dass es bisher 2019 „nur“ etwas mehr als 4.000 Migranten nach Europa geschafft haben. 2016 waren es noch annährend 200.000 Migranten, die in Italien angekommen sind.