Tichys Einblick
Polizeigewerkschafter zu Klima-Extremisten

Rainer Wendt: Diesen Chaoten darf man keinen Millimeter entgegenkommen

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt hält die „Letzte Generation“ für Extremisten. Ein Gespräch über die Nötigung von Verfassungsorganen, unerträgliche Rettungseinsätze und Polizeigewahrsam als mögliches Mittel gegen die Klima-Kleberei.

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Tichys Einblick: Herr Wendt, es sind immer mehr Fälle, in denen sich sogenannte „Klima-Aktivisten“ auf den Straßen und in Museen festkleben, Infrastruktur beschädigen und Sachbeschädigungen begehen. In Berlin kam es jetzt zur tragischen Zuspitzung. Wie groß ist das Problem und wen betrifft es?

Rainer Wendt: Inzwischen waren ja auch die Berliner Zentralen von politischen Parteien betroffen. Das war mal was Neues. Aber vor allem sind ja vollkommen unschuldige Bürger betroffen, die ihrer Freiheit beraubt werden, die stundenlang im Stau stehen und nicht einmal, sondern offenbar mehrere Male schon gefährlichen Situationen ausgesetzt wurden, und zwar durch eine winzig kleine Minderheit sogenannter Aktivisten. Ich nenne die immer anders, das sind für mich Extremisten, die glauben, nicht nur Verfassungsorgane zu einem bestimmten politischen Handeln nötigen zu dürfen, sondern dafür auch einen Teil der Bevölkerung in Mithaftung nehmen zu dürfen. Das ist natürlich völlig inakzeptabel und gefährlich auch für unsere Demokratie. Eins muss für alle politische Akteure wichtig sein: Diesen Chaoten darf man keinen Millimeter entgegenkommen. Da darf es keine Verhandlungen, auch keine Gespräche geben. Denn dann würden die sich nur bestätigt fühlen. Und das wäre auch ein Schaden für die Demokratie, wenn man nur Gewalt anwenden muss, und dann kriegt man seinen politischen Willen. Unser Land ist ja anders organisiert nach unserer verfassungsmäßigen Ordnung.

Was bedeuten die Einsätze konkret für Ihre Kollegen?

Wir haben allein in der Hauptstadt, und da liegt ja der Schwerpunkt der Aktionen, eine riesige Arbeitsbelastung für die Bereitschaftspolizei. Das ist völlig klar. Mehr als 1.900 Anzeigen sind mittlerweile geschrieben, und jeder Anzeige ging ja ein entsprechender Polizeieinsatz voraus, viele tausend Einsatzstunden, die da schon draufgegangen sind. Die Polizei erfüllt ihren gesetzlichen Auftrag, und das macht sie sehr, sehr gut, aber die Beamten werden natürlich auch an vielen anderen Stellen gebraucht. Und manchmal fehlt die Polizei halt. Das heißt, Menschen geraten in Not und müssen länger auf die Beamten warten. Sie haben einen Unfall und stehen auf der Kreuzung, alles ist blockiert, weil die Polizei nicht kommen kann. Warum? Weil sie mit diesen Klebe-Aktionen beschäftigt ist. Das ist also eine völlig unerträgliche, unnötige Belastung für die Polizei, übrigens auch die Justiz. Auch die Staatsanwälte und Richter haben ja nicht auf diese Fälle gewartet. Insofern ist das völlig unerträglich, dass hier einige Leute meinen, sich so aufführen zu dürfen.

Sie haben es schon angesprochen: Wo sehen Sie den Übergang vom „Aktivismus“ zur Radikalisierung und zum Extremismus?

Das Unterscheidungsmerkmal ist die Bereitschaft zur Gewaltanwendung, die Bereitschaft, Gesundheit und Menschenleben notfalls zu beschädigen, das zumindest billigend in Kauf zu nehmen, und natürlich das Nötigungspotenzial gegenüber Verfassungsorganen. Das alles trifft hier zu und hat mit Aktivismus nichts mehr zu tun. Solange man im Rahmen bestehender Gesetze, so wie die Verfassung das vorsieht, Versammlungen abhält und seine Meinung sagt, ist alles in Ordnung. Die Versammlungsgesetze lassen hier einen sehr, sehr großen Spielraum für sehr kreative Aktionen. Auch die Gerichte sorgen dafür, dass der erhalten bleibt. Aber wenn Straftaten begangen werden, ist das genau die rote Linie zwischen Aktivismus und Extremismus.

Heute konnte man die radikalen Parolen eines der Anführer noch auf Twitter lesen: „Es ist Klimakampf, nicht Klimakuscheln, & shit happens.“ Kommt da noch Schlimmeres auf uns zu, etwa eine „grüne RAF“?

Ich bin sehr davon überzeugt, dass Teile dieser Bewegung, wobei man über die Größe nur spekulieren kann, direkt auf dem Weg in den Terrorismus sind. Da sind Leute unterwegs, die nicht nur ihre fast religiös anmutende Ideologie bei sich führen, sondern offensichtlich auch eine sehr, sehr profunde Persönlichkeitsstörung haben. Und das kombiniert mit einer politischen Ideologie, die hoch aggressiv daherkommt, und dem strikten Willen, unser System auf diesem Wege ändern zu wollen. Die träumen ja von irgendwelchen Räten, die sie einrichten wollen, wo dann die Entscheidungen getroffen werden. Also nichts mehr mit parlamentarischer Demokratie. Wenn man all das zusammennimmt, ist das eine sehr, sehr gefährliche Kombination. Ich bin davon überzeugt, dass der größte Teil der Beteiligten irgendwann sagen wird: Nee, hier ist dann für mich auch mal eine Grenze. Aber es gibt einige, denen ist überhaupt nicht mehr zu helfen.

Wie schaffen wir Abhilfe? Mit dem Strafrecht? Wie wäre aus Ihrer Sicht mit solchen Tätern umzugehen?

Das Strafrecht muss Anwendung finden, völlig klar. Die Staatsanwaltschaften sind ja auch schon tätig. Da wurden schon Hunderte von Strafbefehlen verschickt. Aber das Polizeirecht ist natürlich auch ein Spielfeld, das man nutzen kann. Diese Aktionen werden ja immer für einen gewissen Zeitraum angekündigt, nach dem Motto: „Wir machen jetzt mal eine Woche lang Aktionen in Berlin“. Und um solche Aktionen abzuwenden, gäbe es den sogenannten Unterbindungsgewahrsam. Das heißt, die Leute müssen dann zur Gefahrenabwehr in Gewahrsam genommen werden, um weitere Straftaten zu verhindern. Wer also am Tag 1 einer angekündigten einwöchigen Aktion angetroffen wird bei einer solchen Aktion, muss genau für diese Woche in Polizeigewahrsam verbringen. Dazu brauchen wir natürlich richterliche Beschlüsse, weil es eine Freiheitsentziehung ist. Aber das wäre ein wirkungsvolles Instrument.

Was wir aber auch brauchen, neben zivilrechtlichen Forderungen, durch die man diese Menschen zur Kasse bittet für die Schäden, die sie anrichten, wäre ein anderes Verhalten der Politik. Und das nenne ich schon einigermaßen bigott, was hier in Berlin so passiert. Eine Innensenatorin und eine Regierende Bürgermeisterin (beide SPD, Anm. d. Red.), die mit Krokodilstränen erklären, wie schrecklich das alles sei, und aber am nächsten Tag wieder mit den Parteien im Koalitionsbett kuscheln, die sie kurz davor noch kritisiert haben. Denn diese sogenannten „Klima-Aktivisten“ sind ja nichts anderes als politische Vorfeldorganisationen von Linken und Grünen. Und ja, wer mit diesen Parteien koaliert, der soll mir nicht erzählen, dass er mit diesen Aktionen nichts zu tun habe. Durch solche Regierungsbündnisse fühlen sich natürlich die Leute, die sich da festkleben, bestätigt und sagen: So schlimm kann’s ja nicht sein, wenn sogar eine Partei wie die SPD mit unseren Kumpels koaliert.

Angesichts solcher Verstrickungen: Glauben Sie, dass es am Ende auch Freiheitsstrafen geben wird?

Strafbefehle hat es ja schon einige gegeben. Manchen kommt das zu gering vor. Mir auch, aber ich sage immer: Vorsicht, es liegt in der Systematik der deutschen Rechtsprechung, bei Verurteilungen anfangs zurückhaltend zu sein, um die Wirkung von Urteilen abgestuft zu testen. Wer also Ersttäter und geständig ist, einen festen Wohnsitz hat und so weiter, der wird nicht sofort zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, solange er kein Kapitaldelikt begangen hat. Und insofern liegen diese Geldstrafen durchaus in der Systematik der deutschen Rechtsprechung, auch wenn sie uns nicht zufriedenstellen.

Herr Wendt, vielen Dank für dieses Gespräch.

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