Tichys Einblick
"Polittalk zum aktuellen Thema der Woche"?

Putin, Trump und Illner – „Atombomben sind keine Lösung!“

Rund ein Jahr vor der US-Wahl, bei der voraussichtlich ein alter kauziger Typ und ein noch viel älterer dementer Typ antreten werden – beide haben uns bereits gezeigt, was sie als Präsident machen –, wird bei Illner heute also über die Angst gesprochen, dass Amerika Deutschland mit Putin allein lassen könnte.

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Nachdem Maybrit Illner den Januar den Alltagssorgen des Durchschnittsbürgers in einem Land wie Deutschland gewidmet hat – mit durchwachsenem Erfolg –, ist es nun im Februar wieder Zeit für die extravaganten Sorgen des politischen Berlins, für die wir Illner so lieben: „Wehrlos ohne USA – ließe Trump uns mit Putin allein?“ war der Titel der Sendung, welcher an die Zuschauer gleich drei Anforderungen stellte.

Erstens, dass man sich noch für den Ukraine-Krieg interessiert, obwohl doch die Ukrainer selbst angeblich schon seit Monaten immer kriegsmüder werden. Zweitens, dass man darüber hinaus die Trumps Einstellung zum Ukraine-Krieg kennt und/oder sich für seine Meinung interessiert. Drittens, dass man sich für die US-Wahlen interessiert, die wohlgemerkt erst im November sind, und man Trump eine ernsthafte Chance zurechnet, zum US-Präsidenten gewählt zu werden. Ich will ihm gar nicht absprechen, dass er diese Chance hat, ich möchte nur nochmal betonen, dass das eine zwingende Voraussetzung ist, um sich jetzt – einen Monat nach Jahresbeginn – über den möglichen Gewinner einer Wahl einen Monat vor Jahresende Gedanken zu machen, einer Wahl, die auf einem vollkommen anderen Kontinent stattfindet.

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Wenn man dann auch noch bedenkt, dass Trump, sollte er gewinnen, erst am 20. Januar 2025 vereidigt wird und seine erste Sorge nicht die amerikanische Beteiligung an der Sicherheit Europas sein wird – wir uns also jetzt Gedanken machen über eine Situation, die ziemlich genau in einem Jahr möglicherweise eintritt –, wird es so richtig abgedreht. Das kann man natürlich machen. Ich würde nur behaupten, dass es in Deutschland gerade andere Probleme gibt. Ich zitiere das Sendungskonzept von Maybrit Illner, so wie es das ZDF beschreibt: „Intelligent, scharfzüngig, rasant – der Polittalk zum aktuellen Thema der Woche. Bei Maybrit Illner und ihren Gästen wird kontrovers debattiert und leidenschaftlich um Lösungen gerungen.“

Ich möchte jetzt auch gar nicht weiter darauf herumreiten, in was für einem abgehobenen Elfenbeinturm die Illner-Redaktion tagen muss, um Trumps Meinung zu Putin in einem Jahr für das aktuellste Thema der Woche zu halten. Aber wir können ja mal schauen, ob die Illner-Sendung dieser Woche überhaupt irgendeine der Anforderungen erfüllt hat, die sie selbst an sich stellt. Erstmal zu den Gästen, von denen wir ja angeblich eine kontroverse und leidenschaftliche Debatte erwarten dürfen.

Sie werden sich so sehr freuen wie ich, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann es als FDP-Spitzenkandidatin für die Europa-Wahl im Juni als Teil ihres Wahlkampfes sieht, uns an diesem Abend ihre Meinung über Trump und Putin kundzutun. Ihr gegenüber sitzt der Europaabgeordnete Manfred Weber (CSU), wohl als politischer Gegenspieler gedacht. Wenn es im Öffentlich-Rechtlichen um Amerika geht, dann weiß man schon, dass Claus Kleber schon gedroht hat, aus dem Kellerfenster zu springen, wenn er nicht auch dabei sein darf. Es ist also physikalisch und moralisch gar nicht anders möglich, als ihn als Gast willkommen zu heißen. Dann haben wir noch die Friedensforscherin Ursula Schröder und den Sicherheitsexperten Frank Sauer im Studio. Kurzum: Eine kontroverse Diskussion dürfen wir wohl nicht erwarten.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann wäre nicht Marie-Agnes Strack-Zimmermann, wenn sie nicht erstmal mehr Waffenlieferungen fordern würde. „Wir müssen deutlich mehr tun und wir haben keine Zeit!“ Und das tut sie auch konsequent leidenschaftlich – dafür, dass sie auf den Pro-Ukraine-Zug erst aufgestiegen ist, als er bereits im Trend war. Und Claus Kleber wäre nicht Claus Kleber, wenn er nicht als Wahrsager irgendwelche gewagten Thesen über das amerikanische Wesen mit so einer dreisten Überzeugung zum Besten geben würde, als ginge es um die Farbe des Himmels. „Das ist die gute Nachricht: Trump wird die Wahl nicht gewinnen“, wirft er als sichere Vorhersage in den Raum.

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Tja, blöd nur für Illner, für die damit das ganze Sendungskonzept zusammenbricht. Claus Kleber lässt sich von seiner Ankündigung auch so gar nicht abbringen und ist kaum dazu zu bewegen, trotzdem Mutmaßungen für den Fall anzustellen, dass Trump doch gewählt wird. Illner gibt sich alle Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen, und witzelt: „Es gibt ein tiefes Luftholen hier am Tisch“, doch Kleber tut ihr auch hier nicht den Gefallen, darauf anzuspringen. Ob Trump gewählt wird oder nicht, mache im Ukraine-Kontext keinen Unterschied, erklärt er. Unabhängig vom Inhalt, können wir so zumindest bei der versprochenen Leidenschaft einen Haken machen.

Allerdings soll mit dieser Leidenschaft ja auch um „Lösungen gerungen“ werden. Da tun sich vor allem die Frauen hervor. Wie sich nach etwa zwei Dritteln der Sendung herausstellt, ist der Grund, weshalb wir über den Ukraine-Krieg und die US-Wahl heute diskutieren, der, dass man ohne die amerikanische Unterstützung ja auf sich gestellt wäre und man sich unter anderem militärisch bei Zeiten darauf vorbereiten muss. Wie Manfred Weber dazu sagte: „Wenn Trump sagt, dass Europa sich um seine eigenen Probleme kümmern muss, dann hat er damit recht.“ Wenn Sie jetzt glauben, dass das nun das Stichwort war, um in der Sendung über unsere Probleme zu sprechen, Pustekuchen. Silke Schröder erklärt, den Menschen wäre – konfrontiert mit den vielen Krisen, Katastrophen und Kriegen auf der Welt – klar: „Hier wandelt sich gerade eine Weltordnung.“ Ihre Stromrechnung, liebe Leser, interessiert hier keinen.

Wie wappnet man sich für eine Änderung der Weltordnung? Man ändert die eigene Ordnung gleich mit. Die Friedensforscherin hat da einen konkreten Vorschlag. Die EU sei in Fällen wie dem Ukraine-Krieg so schwer und nur träge handlungsfähig, wegen Vorgaben wie der nötigen Einstimmigkeit solcher Beschlüsse. „Und das wird sich nicht ändern, wenn es nicht eine Reform der politischen Institutionen der Europäischen Union gibt.“ Sie erntet prompt eifrige Zustimmung von Strack-Zimmermann. „Es geht darum – man wagt es kaum zu sagen“, setzt Schröder fort und man bekommt es schon mit der Angst zu tun, „eine Vertragsveränderung. Qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik liegen schon lange auf dem Tisch.“

Die begeisterte Strack-Zimmermann fordert: „Wir brauchen in Europa eine neue Außenpolitik, die über die Geographie der jeweiligen Länder hinausschaut.“ Vermissen Sie nicht auch die Tage, an denen es in der EU noch um Wirtschaftsthemen ging? Und die FDP sich noch vordergründig für Wirtschaftsthemen interessiert hat? Ich hab die Zeiten nicht erlebt, aber ich habe mir sagen lassen, sie sollen toll gewesen sein. Währenddessen überlegt man dann, wie man ohne den Schutz, den etwa die amerikanischen Atomwaffen uns bieten, sich in Europa denn militärisch aufstellen sollte, bis dann von Claus Kleber der Satz fällt: „Atombomben sind keine Lösung!“ Er redet dann weiter, wie unglaublich kompliziert doch der Schutz durch Atomwaffen sei, als hätte man ihn gebeten, das Konzept der Kernspaltung herzuleiten.

Doch darum geht es mir gar nicht. Dass Claus Kleber sich gern selbst reden hört, ist ja nichts Neues. Vielmehr stelle ich mir die Reaktion eines durchschnittlichen Illner-Zuschauers vor, der die Sendung überhaupt nur noch am Laufen hat, weil er nach der Tagesschau weggedöst ist und es sich mit Hintergrundgeräuschen besser schlafen lässt. Vielleicht wurde er zum Beginn der Sendung von Illners fetziger Titelmelodie wachgerüttelt, hat nach der Fernbedienung gegriffen, um leiser zu stellen, und währenddessen so ungefähr die ersten zehn Minuten mitbekommen. Dann ist er wieder eingeschlafen, um dann plötzlich Claus Kleber in seinen Träumen zu hören, wie er sagt: „Atomwaffen sind keine Lösung!“

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Was für eine Panik. Rund ein Jahr vor einer Wahl, bei der aller Voraussicht nach ein alter kauziger Typ und ein noch viel älterer dementer Typ zur Wahl stehen – zum zweiten Mal –, haben wir jetzt also große Angst, dass Amerika uns verlassen könnte, als wären wir eine paranoide Freundin mit Verlustängsten. Beide alten Typen haben uns bereits vier Jahre lang gezeigt, was sie als Präsident so machen. Donald Trump hat für die ersten Anfänge von Frieden im Nahen Osten gesorgt, hat Putin und Kim Jong-un im Zaun gehalten, und auch sonst ist die Welt während seiner Präsidentschaft nicht explodiert. Joe Biden ist eingeschlafen und als er aufgewacht ist, stand die Welt in Flammen. Putin hätte die Ukraine wahrscheinlich nie angegriffen, wenn der unberechenbare Trump am anderen Ende des Teichs seine Sache abgezogen hätte. Aber eine zweite Amtsperiode mit ihm wäre jetzt wirklich das Schlimmste, das passieren könnte?

Plötzlich wird den Deutschen wieder klar, was sie an Amerika haben, und wir müssen einen Bundeskanzler, der seine eigene Bundeswehr nicht aufgerüstet bekommt, vor die Frage stellen, wo er jetzt Atomwaffen herbekommen soll. Alles wird erwogen – nur nicht, für den Fall einer zweiten Trump-Präsidentschaft, vielleicht einfach nicht die Zusammenarbeit mit seinem Land zu kündigen? Dass unsere Politiker sich dieses Mal nicht wie bockige Kleinkinder verhalten könnten und ihm eben gratulieren, ist nicht drin? Dass Frank-Walter Steinmeier sich nicht noch cholerischer aufführt, als man es Trump je vorgeworfen hätte, ist ein Ding der Unmöglichkeit?

Nein, lieber kappen wir schon vorweg einfach jede Zusammenarbeit, spalten uns ab, lachen Trump auch in Zukunft wieder aus, wenn er uns die Folgen unserer dämlichen Außenpolitik vorhersagt, und werden eben allein mit Putin fertig, das klappt ja gerade schon so gut. Und wenn Trump uns dann nicht hinterherläuft, heulen wir rum, er habe uns allein gelassen. So geht ein besonnenes und weltoffenes Europa.

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