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Bill Gates bei Maischberger: Impfen und Atomkraft

Ein prominenter Gast ist zugeschaltet bei Maischberger: Bill Gates. Wohltäter oder Schurke, je nach Sichtweise, jedenfalls Pfeffer und Salz im langweiligen Einerlei des sonst immer wieder aufgewärmten Gästeeintopfs.

Screenprint: ARD/maischberger - Die Woche

Nachdem Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer vergangenes Wochenende sagte, dass sich die Bürger den Osterurlaub wegen Corona abschminken können, durfte er das am Mittwochabend bei Sandra Maischberger erneut erklären. „Ich bin dafür, Wahrheiten auszusprechen. Osterurlaub in Deutschland kann es dieses Jahr leider nicht geben.“ Wann wir unser Leben zurückbekommen „entscheidet nicht die Politik, sondern das Virus“. Das Virus also regiert uns, nicht mehr Menschen. Aha.

Tagesthemen-Moderatorin Pinar Atalay, ARD, kann das wie so vieles verstehen, aber die Menschen bräuchten doch jetzt mal Motivation. Ulrich Reitz, Wirtschaftschef bei n-tv, findet so eine Aussage von Kretschmer im Februar über den zu streichenden Osterurlaub im März/April reichlich früh. Parlamentskorrespondentin Contanze von Bullion, SüZ, glaubt, dass Kretschmer damit recht hat, nicht, ohne ihn zuvor für seine monatelange Wankelmütigkeit bei den Corona-Maßnahmen zu kritisieren. So viel zur Journalistenrunde, dieser Garnitur am Talkshow-Teller, dazugehörig wie die Zitronenscheibe beim Schnitzel.

Pandemie „austreten“

„Zu große Mobilität etwa durch Reiseverkehr und Tourismus bereits im April ist Gift. Wir würden alles zerstören, was wir seit Mitte Dezember erreicht haben,“ droht Kretschmer. „Wollen wir die hart erkämpfte Inzidenz von 60 jetzt leichtfertig aufgeben?“ Immer wieder spricht er davon, die Pandemie „auszutreten“, was ebenso bizarr und gestelzt klingt, wie das in die Welt geblasene Wort „Mutante“. Das klingt personifiziert gefährlicher, feindseliger.

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Maischberger hakt mehrmals scharf nach. Am Montag öffnete Sachsen Schulen und Kitas (und wo Lehrer nun mit AstraZeneca geimpft werden sollen), weitere Öffnungen seien bei den 7-Tages-Inzidenzzahlen derzeit aber nicht drin. Warum nicht, fragt Maischberger? Es gebe doch Widerstand auch von den Ministerpräsidentenkollegen. Schleswig-Holsteins Landeschef Daniel Günther sagte, das sei sehr wohl möglich. Ob der denn lügen würde, bohrt Maischberger. 

Kurz entsteht der Eindruck, dass Kretschmer Sachsens Bürger gegebenenfalls mit einem ‚Negative Approach‘ zum  Einhalten der Corona-Verhalten disziplinieren möchte. Wer die Möglichkeit eines Osterurlaubs abräumt, erwartet dadurch eine Verstärkung der Anstrengungen der Bürger. Das ist zu viel nachgedacht – es ist ganz einfach nur die Unfähigkeit eines komplett überforderten Politikers. 

„You eventually run out of other people’s money”

Dass die Nerven blank liegen, kann man auch daran erkennen, dass keiner der anwesenden Studiogäste die Rufe der Menschen nach Öffnungen auch nur versucht  als „Coronaleugnerei“ zu diffamieren. Zu groß ist die Not, zu zahlreich sind die Proteste angewachsen, die Reserven bei sehr vielen aufgebraucht. Zu viele mussten bereits aufgeben, weil die versprochenen Hilfen nicht ankommen. Weil die Oktober- und Novemberhilfen vielerorts immer noch nicht da sind.

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Für Ulrich Reitz ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier darum auch „Verlierer der Woche“, der lauter Versprechungen gegeben habe, die er nicht einhalte. Reitz spricht von „reiner Polit-PR“ und dass Versprechen allenfalls zum Teil eingelöst seien, wäre „das Fiasko“. Auch aus dem Grund müsse es eine Öffnungsperspektive geben – der Staat könne doch nicht dauerhaft alles finanzieren: Ein origineller Gedanke angesichts der sonst verbreiteten Staatsallmachtsphantasie.

Immer mehr von den Unternehmern und Selbstständigen melden sich zu Wort, so wie Mike Schmitt, der in Pretzfeld die Brauerei Nikl Bräu führt und im eingeblendeten Video sehr deutlich wird: “Ich will jetzt mal konkret wissen – Scholz, Altmaier, Merkel, Söder: Wie soll diese Sch… weitergehen?” Auch bei Schmitt kommen keine Hilfen an, er fällt durch alle Raster. “Wir fordern dass Ihr SOFORT was macht!“… “Es geht so nicht mehr weiter – die machen uns alle platt!”

Am Ende ist es doch so: Da gibt es einen Ministerpräsidenten Kretschmer, der über den abgesagten Osterurlaub spricht und die vielen Rufe nach Öffnungen ungehört lässt. Warum überhaupt über einen Osterurlaub sprechen, den sich kaum noch jemand leisten können wird außer Staatsbediensteten, Funktionären und Auftragnehmern wie zB PR-lern, die ebenfalls aus Steuermitteln finanziert jeden Regierungskritiker auf Social Media diffamieren?  

Gemeinsamkeiten der Milliardäre

Der zweite Gast bei Maischberger lässt das Netz Kopf stehen: Microsoft-Gründer und größter Privatspender der WHO, Bill Gates. Bill Gates ist für Impfkritiker so etwas wie Donald Trump für die politische Linke. Alles mögliche und unmögliche wird projiziert und interpretiert, vermutet und gemurmelt. Ins Reich der Murmeleien fallen Legenden von geheimen Illuminaten-Handschlägen und Kellern und Bunkern, wo immer wieder irgendwas passiert, was dann Xaivier Naidoo zum Weinen bringt.  

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Wie kommt Bill Gates eigentlich zu Pandemie-Zeiten ins Studio, fragen sich manche. Pah, als ob der Linie fliegen würde. Im Privatjet natürlich. Nun – für einen Moment ist es noch ganz lustig, wenn man nach vielen Jahren der Gewohnheit immer noch ins Denkmuster einer Zeit vor Corona hineinrutschen kann. Bill Gates befindet sich in Corona-Zeiten in Seattle und wird natürlich zugeschaltet … hoffentlich über Teams. Sandra Maischberger spielt einen kurzen Ausschnitt aus Gates‘ sagenumwobener Rede beim TED-Talk 2015 ein, in der Gates eindringlich vor den Gefahren einer Pandemie warnte, u.a. mit diesen Worten:

Wenn etwas in den nächsten Jahrzehnten über zehn Millionen Menschen tötet, dann wird es höchstwahrscheinlich ein hochansteckendes Virus sein und kein Krieg. Keine Raketen, sondern Mikroben.“ Weiter: „Nehmen wir an, das Virus würde durch die Luft übertragen, wie die Spanische Grippe 1918. Folgendes würde passieren: Das Virus würde sich sehr, sehr schnell auf der ganzen Welt ausbreiten. An der Spanischen Grippe starben damals mehr als 30 Millionen. Das ist also ein ernstes Problem, über das wir nachdenken sollten.“

Prophetisch wirkende Worte, die nicht Wenige dahingehend dehnen und interpretieren, dass hinter Corona womöglich auch Bill Gates persönlich stecken könnte. TE-Autor Ansgar Neuhof hat im Juni 2020 sehr detailliert beschrieben, in welchen Bereichen sich Bill Gates engagiert; dass Gates zwar nicht der Oberschurke ist, für den er gehalten wird, aber Fragezeichen definitiv angebracht sind.

Drei Bereiche sind es, in denen er sich hauptsächlich engagiert: Gesundheit (insbesondere Impfungen), digitales Geld (Bargeldabschaffung), digitale Identitäten. Wobei alles irgendwie miteinander verwoben ist. Sein Vehikel ist die Bill & Melinda Gates Foundation (Gates-Stiftung), die reichste Privatstiftung der Welt, in die er und die Investorenlegende Warren Buffet einen erheblichen Teil ihrer Vermögen eingebracht haben. Jahr für Jahr verteilen sie etliche Milliarden Dollar über die ganze Welt. Das Mittel der Wahl ist die Bildung von sogenannten Allianzen, in die Regierungen, supranationale Organisationen (UN, G20, Weltwirtschaftsforum), Konzerne und Nichtregierungsorganisationen eingebunden sind.“ Es ist ein undurchsichtiges Gewirr von Interessen, demokratisch nicht legitimiert.

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Bei Maischberger spricht Gates über die Stiftung, die Investition in Impfstoffe und versteht sich dabei ganz wie ein alter Hase im Politikgeschäft darauf, mit sehr vielen Worten nicht allzu viel zu sagen. Mit dem nüchtern freundlichen Charme eines Volkshochschullehrers für den Fortgeschrittenen-Kurs Informatik, referiert er über die Stiftungsarbeit, seine Visionen, die darin bestehen, Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose weltweit zu besiegen. Hier auf der Erde gibt es genug zu tun, die Vision von Tesla-Chef Elon Musk, den Mars zu erreichen, teilt er nicht, als ob der gerade gesagt hätte: „Der Mars ist nicht groß genug für uns beide, Bill“. 

Apropos Raumfahrt, da kommt an dieser Stelle das Zitat des Enterprise-Kapitäns Jean-Luc Picard in den Sinn: „Schurken, die ihre Schnurrbärte zwirbeln, sind leicht zu erkennen, aber diejenigen, die sich in gute Taten kleiden, sind hervorragend getarnt. Wachsamkeit, das ist der Preis den wir kontinuierlich für unsere Freiheit zahlen müssen.“ In Bill Gates den puren Philanthropen hineininterpretieren zu wollen, der die Welt völlig selbstlos besser machen möchte, ist verfehlt. Dass das auch ein Impetus bei allen Bemühungen ist, soll damit keineswegs ausgeschlossen werden. Aber hinter Gates Bestrebungen stecken natürlich knallharte Interessen. 

Kurz streift das Gespräch über neue Impfstoffe auch einmal fast wie beiläufig den neuen von Johnson & Johnson, der als nächstes auf den Markt kommen soll – und mit denen die Bill & Melinda Gates Stiftung im September letzten Jahres eine Vereinbarung abgeschlossen hat. Ebenso werden AstraZeneca, Sanofi und Novavax von Gates unterstützt; mit Biontech und Moderna gibt es ebenfalls Kooperationen. 

Reiche Länder sollten nach Möglichkeit bis Ende diesen Jahres allen Bürgern ein Impfangebot gemacht haben: „Das Ziel ist es, so viele impfbereite Menschen wie möglich zu impfen“, bis Ende 2022 sollte dann die ganze Welt mit den Impfungen durch sein, antwortet Gates auf Maischbergers Frage danach, wann wir seiner Meinung nach mit der Pandemie durch sein. „Während der Pandemie werden wir unseren Impfstoff gegen COVID-19 für den Notfallgebrauch auf Non-Profit-Basis zur Verfügung stellen, sobald dessen Sicherheit und Wirksamkeit nachgewiesen sind. Entschlossenes, gemeinsames Handeln wird uns jetzt helfen, diese Pandemie zu besiegen“, so Alex Gorsky, Vorsitzender und CEO von Johnson & Johnson.“

Aus dem Konzept

Einmal gerät Gates dann doch leicht aus dem lockeren Elan, der Blick wandert flink zur Seite, er wird zappelig und verschränkt die Arme, als das Gespräch auf das Thema seines neuen Buchs wechselt. Dann nämlich, als Sandra Maischberger nachfragt, ob er Angela Merkel (gemeinsames Foto beim Shakehands wird eingeblendet) heute sagen würde, dass es ein Fehler war, aus der Atomkraft auszusteigen. Da ist Gates wieder wie der Politikerpudding, der sich auf keine Frage konkret festnageln lässt. 

„Wie wir die Klimakatstrophe verhindern – Welche Lösungen es gibt und welche Fortschritte nötig sind“  lautet der Titel dieses neuen Buchs. Wenn „Kernkraft-Nein-Danke“-Anhänger jetzt hektisch die Kurzwahltaste ihres Buchladens um die Ecke wählen wollen, dann lassen sie in dem Moment entsetzt den Hörer wieder fallen, in dem ihnen gewahr wird, dass Gates‘ zum Erreichen der Klimaziele Atomkraft für absolut unerlässlich hält. „Deutschland habe der Welt mit der Subvention des Solarpanels „einen großen Gefallen getan“, sagte Gates. Allerdings reichten Solar- und Windenergie wegen ihrer Unzuverlässigkeit bei der Stromerzeugung bei Weitem nicht aus.“  Na sowas. Das sind so Momente, wo die Linke dann wieder das Gates-Nein-Danke-Schild aus dem Schrank holen möchte. Als Gates zu guter Letzt viele lobende Worte für die neue US-Regierung hat, die die Menschen zusammenführe und so hoffnungsvoll sei, da stimmt die Welt wieder und Maischberger nickt: Trump war eben doch schlecht, haben wir doch auch immer gesagt.

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