Tichys Einblick
Hamburger Gemütlichkeit

In Schweinfurt jetzt Schnellurteile und einst in Hamburg sanfte Justiz

Keine 24 Stunden dauerten Verurteilungen durch ein Schnellgericht in Schweinfurt. Nach den schweren Ausschreitungen beim G20-Gipfeltreffen in Hamburg im Sommer 2017 dagegen wurden bis 2020 einzelne Gerichtsurteile gefällt. Auffällig sind Dauer der Ermittlung und Strafmaß.

Keine 24 Stunden nach der sonntäglichen Demonstration von Schweinfurt gegen Corona-Maßnahmen hat das dortige Gericht bereits am Montag drastische Verfahren verhängt. Zur Anwendung kam ein beschleunigtes Verfahren. Ein 50-jähriger Mann, der mit Fäusten auf Polizisten eingeschlagen haben soll, wurde zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Zusätzlich bekam er eine Geldstrafe von 6.000 Euro, teilt das Polizeipräsidium Unterfranken mit, wie der staatliche Sender BR berichtet hat.

Teils drastische Bewährungsstrafen

Auch eine 34-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt stand vor Gericht. Sie hatte mehrfach versucht, Absperrungen der Polizei zu durchbrechen. Die Frau habe mit gestrecktem Bein gegen die Einsatzkräfte in einer Absperrkette getreten. Außerdem habe sie einem Beamten die Maske vom Gesicht gerissen. Sie bekam sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Ihr Freund, ein 31-Jähriger, versuchte seine Freundin aus dem Gewahrsam der Polizei zu befreien. Er muss sich jetzt wegen versuchter Gefangenenbefreiung verantworten.

Ein 25-jähriger Mann habe einen Polizisten von hinten gegen den Kopf geschlagen und ihn in den Schwitzkasten genommen. Er wurde zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Zu einer Geldstrafe wurde ein 22-jähriger Mann verurteilt, da er Einsatzkräfte massiv beleidigt und sich gegen Polizisten gewehrt habe.

Kind auf Demo: Jugendamt eingeschaltet

Für Aufsehen hatte eine 27-jährige Frau gesorgt, die ihr vierjähriges Kind bei sich hatte. Sie wollte eine Polizeikette durchbrechen. Einsatzkräfte setzten Pfefferspray ein, um das zu verhindern. Das vierjährige Kind kam mit dem Reizgas in Kontakt und musste wegen einer Augenreizung medizinisch versorgt werden. Gegen die Frau wurde Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz erstattet. Außerdem meldete die Polizei das Ereignis dem zuständigen Jugendamt.

Die Härte der Strafen fällt auf, wenn man sie etwa mit der juristischen Aufarbeitung der Demonstrationen anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg vergleicht. Wir aktualisieren hier eine Ausarbeitung aus 2019 und 2020 über die strafrechtlichen Folgen, die sich lange hingezogen haben.

Hamburger Urteile gegen Randalierer des G20-Gipfels

Bis Juli 2020 brauchte die Justiz, um drei von über 200 Randalierern auf der Elbchaussee zu ermitteln. Der Haupttäter musste danach für drei Jahre in Haft.

Es war das erste und voraussichtlich einzige Verfahren im Zusammenhang mit den Krawallen auf der Hamburger Elbchaussee während des G20-Gifels im Juli 2017. Nach anderthalb Jahren Prozess und rund 70 Verhandlungstagen hat das Landgericht geurteilt: 120 Arbeitsstunden für zwei damals jugendliche Täter, Bewährungsstrafen von siebzehn und fünfzehn Monaten für zwei weitere und drei Jahre Haft für den Haupttäter.

Die Elbchaussee war nur ein Teil des Geschehens. Zwei Tage lang gelang es rund 31.000 Polizisten aus ganz Deutschland und aus Österreich nicht, die bürgerkriegsähnlichen Unruhen in den Griff zu bekommen, die die Hansestadt Hamburg am 7. und 8. Juli 2017 erschütterten. Viele Plünderungen hat es besonders in der zweiten heißen Nacht der Ausschreitungen gegeben. Etliche Autos wurden angezündet. Viele Personen, vor allem Polizeibeamte, sind schwer verletzt worden.

Auch ein eher hilfloser Video-Appell des damaligen Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) hatte die zumeist politisch linksextremistisch orientierten Gewalttäter aus Hamburg, aus anderen Regionen Deutschlands, aus Europa sowie aus Argentinien und Israel nicht beruhigen können.

Fahndungsaktionen führen zu 3.567 Strafverfahren

Sage und schreibe 3.567 – kostspielige – Strafverfahren wurden zunächst 2019 eröffnet. Etliche der Gewalttäter hatten Spezial-Polizeikräfte („Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten“) schon während der schweren Unruhen festgenommen. Zusätzlich ist bald darauf eine der größten Fahndungsaktionen in Deutschland gestartet worden.

Mediale und politische Verharmlosung
G20-Gipfel: Angriff auf die Demokratie in Hamburg
Die Beweissicherungs-Gruppen hatten während der tage- und nächtelangen Ausschreitungen unzählige Fotos gemacht und Videos gedreht. Aufgenommen wurden dringend Verdächtige, die möglichst später dingfest gemacht werden sollten. Auf diese Weise wurden später „Öffentlichkeitsfahndungen“ möglich, die unter Linken in aller Regel streng verpönt sind.
Wer sind die Täter?

Die beschönigende Vermutung vieler Medien und Politiker, die große Mehrheit der Gewalttäter stamme nicht aus Hamburg, hat sich im September 2019 endgültig als falsch herausgestellt. Das hat eine neuerliche „Regierungsantwort“ des rot-grünen Senats (Drucksache 21/18133) auf eine Parlamentarische Anfrage der AfD-Fraktion (vom 26.8.2019) in der Hamburger Bürgerschaft (dem Landesparlament) ergeben.

DIE LINKE zu Gewaltexzessen
G20 in Hamburg: „Polizei hat die Bilder erzeugt“
In der „Antwort des Senats“ heißt es, eine genaue und endgültige „Auswertung“ von mehr als „3.500 Vorgängen“ sei in der Kürze der Zeit im Landeskriminalamt (LKA) nicht möglich gewesen. Es liege aber eine (vorläufige) „Auswertung des LKA 7 zu den ermittelten Tatverdächtigen vom 3. Juli 2019 vor“.

Danach hatten von den insgesamt „ermittelten 942 Tatverdächtigten zum Tatzeitpunkt 802 Personen ihren Wohnsitz in Deutschland und 103 Personen im Ausland“. Zu insgesamt 37 Personen, schreibt die Senatsverwaltung, „lagen dem LKA 7 zum Zeitpunkt der Auswertung keine Erkenntnisse zu ihren Wohnsitzen vor“.

Die gewalttätigen Gruppierungen sind offenbar von der Hamburger linksextremistischen „Antifa“ gesteuert worden. Die meisten Festgenommenen – 436 – kommen eindeutig aus Hamburg. An zweiter Stelle steht Schleswig-Holstein (76 Festnahmen), gefolgt von Niedersachsen (67), Berlin (41), Baden-Württemberg (44), NRW (36), Hessen (21) und Bayern (19). 62 Verhaftete wohnen in acht weiteren Bundesländern.

Wer demonstriert macht sich schuldig
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Aus dem Ausland waren offenkundig relativ wenig Gewalttäter angereist. Hier steht Frankreich mit 19 Festgenommenen an erster Stelle. Dann folgen die Schweiz (18), Niederlande (15) und Spanien (12). 37 Intensivtäter stammen aus anderen 17 Staaten.

Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Dirk Nockemann, sagte dazu im September 2019, die Behauptung des sozialdemokratischen Bürgermeisters der Hansestadt, Peter Tschentscher, die meisten Täter seien von weit her angereist, „kann als Verharmlosung der linksextremistischen Szene in Hamburg verstanden werden“.

Nur 148 Gerichtsstrafen – und fast immer „auf Bewährung“

Eine personalstarke Polizei-Sonderkommissionen ermittelt wegen der G20-Unruhen. Auch größere Teile der Hamburger Staatsanwaltschaft sind dadurch blockiert. Wie lauten die Ergebnisse?

Im Zuge der 3.567 Strafverfahren ist es lediglich in 148 Fällen zu Gerichtsverurteilungen gekommen. 92-mal verhängten Richter eine Freiheitsstrafe – doch fast immer mit Bewährung. Bis heute haben nur in zehn Fällen Angeklagte eine Strafe ohne Bewährung erhalten.

Action an der Alster
G20 in Hamburg ist eine tolle Sache. Aus vielerlei Gründen.
Diese extrem milden Urteile der Justiz in der Hansestadt werden hinter vorgehaltener Hand auch von vielen Polizeibeamten und von einigen Staatsanwälten scharf kritisiert: Eine solche Rechtsprechung sei nicht geeignet, potenzielle Gewalttäter wirklich davon abzuschrecken, neuerliche Gewaltexzesse zu verüben.

Härtere Strafen hat es nur in zwei Fällen gegeben. Die mit Abstand zweithöchste Strafe – drei Jahre und drei Monate – erhielt Ümüt Y. (28 Jahre). „Ümüt“ kommt aus der persisch-arabischen Sprache und ist zu übersetzen mit: „ein hoffnungsvoller Mann“.

Ihm wurde in einem Prozess vor dem Schöffengericht vorgeworfen, am Abend des 7. Juli 2017 über mehrere Stunden an mehreren Orten im Altonaer Schanzenviertel immer wieder sogar „faustgroße Steine sowie Flaschen geworfen und dabei teilweise auch Polizeibeamte getroffen zu haben“.

Zudem hat der Kriminelle sich laut Anklage an Plünderungen von drei Geschäften beteiligt. Bei den Plünderungen entstand, so berichtete das „Abendblatt“ vor zwei Jahren, „ein Gesamtschaden von rund 4,6 Millionen Euro, weil von den marodierenden Tätern auch Einrichtungsgegenstände zerstört und in einem Fall ein Feuer gelegt wurde“.

Die härteste Strafe trifft einen 23-mal vorbestraften Täter 

Noch ein weiterer Fall hat vor Kurzem Schlagzeilen gemacht – sogar beim NDR, der sich sonst nicht mit besonders kritischen Berichten über die bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Hamburg hervorgetan hat: Am 8. Juli 2019 wurde ein schon lange polizeibekannter Gewaltkrimineller zu einer empfindlichen Haftstrafe verurteilt – Jörg R. erhielt vier Jahre Haft.

Ohne Rechtsstaat braucht's den Polizeistaat
G20-Gewalt: Am Ende verlieren wir alle
Er hat am 7. Juli 2017 leere Flaschen „zielgerichtet und kraftvoll“ auf Polizeibeamte geworfen, um diese zu verletzen“ („Hamburger Abendblatt“). Außerdem ist der Täter überführt worden, Demonstranten in seiner Nähe aufgestachelt zu haben – zum Beispiel mit den Worten: „Los Leute, macht alle mit!“.

Entscheidend bei dem Urteil von 2019 war freilich eine ganz andere, schwere Körperverletzung, die der 23-mal vorbestrafte Jörg R. schon im März 2017 begangen hat. Der 36-Jährige hatte einen behinderten Mann mit „Faustschlägen und Tritten so massiv traktiert, dass dieser unter anderem eine Armn- und einen Nasenbeinbruch davon trug und noch anderthalb Jahre nach der Tat unter diesem Geschehen litt“ („Hamburger Abendblatt“).

2019: Die Partei Die Linke macht sich große Sorgen – um die kriminellen Täter

Die Partei „Die Linke“ sorgt sich heute sehr. Ihre Sorge gilt freilich nicht den Opfern der Gewalttaten, sondern den Tätern aus der linken, stets gewaltbereiten „Antifa“-Szene. Die linke Bürgerschaftsfraktion beschwert sich tatsächlich darüber, dass von den vielen Anzeigen, die von Anarchisten gegen Polizisten gemacht wurden, keine zu staatlichen Sanktionen geführt hat.

Tatsächlich haben die Ermittlungsbehörden alle Ermittlungen gegen Beamte eingestellt, weil sich kein hinreichender Tatverdacht ergeben hat. Das erzürnt die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider schwer. Die Parlamentarierin hält es für „sehr bedenklich“, dass es zu keinen Anklagen gegen Polizisten gekommen ist, obwohl es angeblich „Videoaufnahmen und deutliche Hinweise auf sehr harte Gewaltausübung durch Polizisten gab“ („Hamburger Abendblatt’’).

Liegt es daran, dass Bayern generell schneller urteilt? Nicht unbedingt.

Nach dem tödlichen Messerangriff am 25. Juni 2021 in der Würzburger Innenstadt, bei dem drei Frauen zum Opfer fielen und mehrere Schwerverletzte zu beklagen waren, sind noch viele Fragen offen. Etwa vier Monate nach dem Angriff liegen nun zwei psychiatrische Gutachten vor: Demnach war der aus Somalia stammende Täter  schuldunfähig, heißt es von LKA und Staatsanwaltschaft. Die Einschätzung der Gutachter bedeute aber nicht, dass seitens der ermittelnden Stellen Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten bestehe. Eine Verhandlung, Gerichtsurteil oder Ähnliches – steht noch in den Sternen….


Der ursprüngliche Beitrag stammt von Dr. Manfred Schwarz. Er war jeweils acht Jahre Medienreferent in der Hamburger Senatsverwaltung und Vizepräsident des nationalen Radsportverbandes BDR [Ressort: Medien] sowie Mitglied des Hamburger CDU-Landesvorstandes.

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