Tichys Einblick
TE-Interview

Berliner Bezirksstadtrat Falko Liecke sieht staatlichen Kontrollverlust in Neukölln

Sozialbezirksrat Falko Liecke (CDU) kritisiert den „Showgipfel“ nach der Silvestergewalt. Das Problem sei das Fehlen der Staatsmacht in Neukölln und ein sozialer Brennpunkt, der von der Landesregierung ignoriert werde. Man müsse auch über „städtebauliche Maßnahmen“ nachdenken.

Falko Liecke, stellv. Landesvorsitzender der Berliner CDU und Bezirksstadtrat in Berlin Neukölln

IMAGO / IPON
Falko Liecke macht fehlende Sozialarbeit und eine fehlende Staatsgewalt im Alltag für die schweren Ausschreitungen in Berlin-Neukölln verantwortlich. Das sagt der CDU-Politiker im Sonderinterview mit Tichys Einblick. Falko Liecke, CDU, ist Bezirksrat in Neukölln und war auch lange Zeit als Jugenddezernent für die Jugendkriminalität im Bezirk mitzuständig. Als besonders problematisch identifiziert er die High-Deck-Siedlung. Diese ist ein Bau der 1970er Jahre, in der gut 3.000 Menschen leben. „Fast alle im Transferleistungsbezug“, so Liecke. „Wenn auf 60 Quadratmetern 7, 8 Menschen wohnen, dann treibt es die Kinder und Jugendlichen auf die Straßen.“

Die High-Deck-Siedlung ist geprägt von arabischen Migranten, die sich hier um die Al-Nur-Moschee angesiedelt haben. Die Moschee ist ein Zentrum islamistischer Bestrebungen: Auch bekannte salafistische und radikalislamische Prediger wie Pierre Vogel sind hier schon in Erscheinung getreten. „Junge Muslima werden auf der Straße angesprochen, warum sie kein Kopftuch aufsetzen“, berichtet Liecke. „Wenn sie eine Schweinefleischsalami kaufen, werden sie angemeckert dafür.“ Aus der Moschee geht Druck auf die umliegende Gemeinde aus. Verbotsversuche waren bisher aber nicht erfolgreich.

Das Problem, so Liecke: Mit der – bisher mangelhaften – Sozialarbeit der Stadt ist es noch nicht getan. „Sicherheit und Ordnung müssen durchgezogen werden.“ Es brauche auch eine Durchsetzung der Staatsgewalt: „Der Staat ist derjenige, der auf der Straße das Sagen hat, und nicht irgendwelche außer Rand und Band gelaufenen Jugendliche.“

Dafür fordert er eine Brennpunktwache, „massive“ Bestreifung und auch weniger „Wattebäuschchen-Urteile“ der Gerichte. Er unterstützt auch die Initiative der Berliner CDU, die Strafmündigkeit – wann das Jugendstrafrecht angewendet werden darf – auf 12 Jahre zu senken. „Jugendstrafrecht ist kein Strafrecht in dem Sinne ‚Wir schicken die Kinder in den Knast‘.“ Aber es ginge darum, „erzieherisch zu intervenieren“ und dem Bildungsauftrag, den der Berliner Senat bisher vernachlässigt, wieder stärker nachzukommen. Ein Drittel aller Schulabgänger in Neukölln verlassen die Schule ohne Abschluss laut Liecke. Daher fordert er mehr Geld für Bildung im Bezirk und eine Kita-Pflicht, um Kinder schon früh in das Bildungssystem zu integrieren.

Mehrfach kommt er aber auch darauf zu sprechen: Sozialarbeit alleine ist nicht genug. „Jetzt werden wieder irgendwelche Showgipfel veranstaltet“, sagt er mit Bezug auf die Pläne der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. Man müsse den gehärteten Kriminellen auch zeigen: „nicht Ihr seid die Chefs der Straße“. Auch wenn dies „dem ein oder anderen linken Politiker“ wehtun würde.

Ein anderer Ansatz ist es, auch städteplanerisch in Neukölln und speziell in der High-Deck-Siedlung einzugreifen. Man müsse nicht so weit gehen wie in Dänemark, wo ähnliche Viertel abgerissen und die Bewohner umgesiedelt werden. Es muss aber ein aktives „Zuzugs- und Vermietungsmanagement“ passieren, an dem sich auch der Vermieter der Siedlung, das Unternehmen Vonovia, aktiv beteiligen soll. „Es kann nicht sein, dass die Vermietungsstrategie Vonovias uns vor die Füße gelegt wird, nach dem Motto ‚Hier habt ihr den Salat‘.“

Seine Thesen vertritt Liecke auch in seinem Buch. „Brennpunkt Deutschland – Armut, Gewalt Verwahrlosung, Neukölln ist erst der Anfang“.


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