Tichys Einblick
Die Sozialismus-Falle

„Enteignung ist die halbe Miete“

55.000 demonstrierten gegen hohe Mietpreise. Ursachen wie Zuwanderung und Euro-Politik wurden dabei ausgeblendet – aber zuhauf sozialistische Parolen und Enteignungsphantasien. Bis hin zu Grün-Habeck.

Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images)

„Keine Profite mit der Miete“, „Gier macht geil“, oder „Wohnraum statt Kapitalismus“ – Losungen wie diese waren bei den bundesdeutschen Mieterprotesten am Wochenende zu sehen. Allein in Berlin gingen nach Schätzungen der Polizei „weit über 10.000 Menschen“ auf die Straße – die Veranstalter zählten 35.000, bundesweit sollen es in 19 Städten 55.000 gewesen sein. Mit dabei an vorderster Demo-Front: ausgerechnet eine der Verantwortlichen für die aktuelle Situation, Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher von der „Linken“. Die hat, als sie noch SED hieß, schon einmal gezeigt, wie man Wohnungsnot bis ins Extrem … nein, nicht bekämpft, sondern verschärft (etwa durch Enteignung, doch dazu später mehr).

Berlin - Freibier für Alle
Dass die Mieten vor allem in den Ballungsräumen massiv steigen und viele Bürger damit finanziell überfordert sind, ist tatsächlich ein großes Problem. Auch der Unmut darüber ist verständlich. Erstaunlich ist aber die Form und vor allem die Richtung des Protestes. Dieser wurde, wie allein ein Blick auf die Plakate am Wochenende zeigt, von Linken und militanten Kapitalismus-Feinden gekapert. Es wurde auch gewalttätig. Von mehr als 50 Verletzten wurde bei der Mietendemo in Stuttgart berichtet; in Berlin ging ein Mob geht auf Polizisten los, neun Beamte wurden verletzt.

Den Plakat-Spruch „Genug gelabert und verarscht – Häuser besetzen“ nahmen manche Demo-Teilnehmer offenbar wörtlich. Rechtsbrecher (in vielen Zeitungen wurden sie verharmlosend „Aktivisten“ genannt, ebenso wie die Kundgebung als „Mietwahnsinn-Demo“ bezeichnet wurde) besetzen am Rande einen Laden in der Wrangelstraße. Die Polizei musste das Geschäft räumen.

Vorbild Venezuela
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So verständlich Unmut über die Mietpreise ist – so wenig ist Gewalt zu entschuldigen. Und so erstaunlich ist es, dass viele der ganz wesentlichen Faktoren für den horrenden Preisanstieg in den vergangenen Jahren offenbar völlig tabu sind bei den Veranstaltern und auch auf den Demos: Zum einen die massive Zuwanderung. Man braucht keinen Wirtschafts- und Mathematik-Leistungskurs besucht haben, um zu verstehen, dass ein Zuwachs der Bevölkerung Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben muss. Auch wenn man zuweilen den Eindruck hat, dass man von manchen stramm ideologischen Zeitgenossen allein für den Hinweis auf solche banalen logischen Zusammenhänge gedanklich zum Ketzer (neudeutsch: Hetzer oder Nazi) erklärt wird. Aber die Fakten sprechen für sich: Allein im Jahr 2017 wanderten mehr als 1,55 Millionen Menschen in die Bundesrepublik zu – 416.000 mehr als auswanderten.

In den Jahren zuvor war das Bevölkerungsplus noch größer: Im Jahr 2015 fast 1,14 Mio. Personen und rund 0,5 Mio. im Jahr 2016. Allein in den vergangenen drei Jahren also rund zwei Millionen Zuwanderer und damit potentielle Mieter. Auch wenn man davon ausgeht, dass viele von ihnen als Ehepaare oder Familien ankamen und die Zahl der benötigten Wohnungen damit deutlich unter den zwei Millionen liegt, ist der Faktor Zuwanderung angesichts von knapp 42 Millionen Wohnungen in Deutschland nicht zu vernachlässigen. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass es viele Migranten in die Metropolen lockt, wo die Wohnungsnot am größten ist – ebenso wie ins untere Preissegment, in dem die meisten suchen. Zudem hat die Wohnungspolitik nicht mit solch einem Zuwachs gerechnet – so wurden massenhaft vom Staat, etwa in Form des Landes Berlins oder des Freistaats Bayern, staatliche Wohnungen privatisiert, oft unter zweifelhaften Bedingungen. Und ohne dass etwas von nennenswerten Protesten bekannt wurde.

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Provokativ, auch auf die Gefahr, von Leuten mit verfestigtem Weltbild mit einer Bannbulle als Ketzer belegt zu werden, lässt sich sagen: Die Anstiege der Mieten sind auch – natürlich keinesfalls nur – eine Folge der deutschen Refugee-Welcome-Politik. Insofern wäre die Frage spannend – aber hämisch und deshalb unschön – ob nicht manche von denen, die heute gegen höhere Mieten auf die Straße gehen, 2015 mit anderen Spruchbändern dort standen. Wie sagte doch Katrin Göring-Eckard: „Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch.“ Soll keiner sagen, er sei nicht gewarnt worden. Aber mit Konsequenz haben es viele nicht mehr so sehr: Hier sei an die Flüchtlings-Bürgen erinnert, die damals Bürgschaften für Zuwanderer übernahmen, um sich dann bitter zu beklagen, als sie dafür Jahre später tatsächlich in Haftung genommen wurden und bezahlen sollten. Genau das, wofür eine Bürgschaft da ist. Inzwischen haben sie Gerichte von dieser Haftung befreit. Ursache und Wirkung, Kausalzusammenhänge und Verantwortung für eigenes Handeln, ja für verbindliche Zusagen, die man als Erwachsener eingeht – all das ist quasi amtlich entkoppelt im selbsternannten „besten Deutschland aller Zeiten“. Die Infantilisierung, das berauschte Ergötzen am eigenen Gutsein, bekam die richterliche Absolution. Nur blöd dass manchmal die Realität so widerborstig ist, so böse – jetzt etwa in Form des Marktes, von Angebot und Nachfrage.

Wochenrückblick
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Ein zweiter wesentlicher Faktor für die Explosionen der Mietpreise wird ebenfalls tabuisiert: Die Euro-Politik mit ihren massiven Anleihen-Aufkäufen und Nullzinsen. Diese hat einerseits ein wirtschaftliches Strohfeuer in Deutschland entfacht, dessen Ende sich gerade einzuläuten scheint, was zu weiteren bösen Erwachens-Momenten führen wird. Diese Politik des kostenlosen Geldes (früher Gelddrucken genannt) führte aufgrund sinkenden Vertrauens in das Papiergeld und einer schleichenden Enteignung durch Minuszinsen zu einer massiven Kapitalflucht auch in Wohnungen. Auch aus dem Ausland. Das wirkte auf die Mietpreise wie Hefe auf einen Teig, und es kam zu massiven Verzerrungen auf dem Markt.

Ein dritter, ebenfalls nicht zu unterschätzender Faktor für die dramatische Entwicklungen sind die in den vergangenen Jahren wuchernden, massiven Auflagen für Neubauten, die inzwischen viele potentielle Bauherren abschrecken und auch die Preise in die Höhe treiben. Insider beklagen etwa, dass die neuen Dämmvorschriften derart horrend sind, dass kleinste Steigerungen der Energiebilanz für massive Mehrkosten erkauft werden müssen – teilweise völlig unwirtschaftlich bis ins Absurde.

Enteignen statt bauen
Enteignungen und der Wahn der Grünen, die Welt gehöre ihnen
Ein weiterer Faktor ist etwa in Berlin, dass kein Konsens zur Ausweisung neuer Flächen besteht. Das riesige Tempelhofer Feld, das früher den gleichnamigen Flughafen beherbergte, darf nicht bebaut werden – so entschieden es die Berliner Bürger in einem Volksentscheid. Natürlich ist so eine zentrumsnahe, gewaltige Grünfläche wunderbar. Skateboarder und Sportbegeisterte unterschiedlichster Fasson schwärmen von dem Freizeitgebiet. Das hätte aber auch Platz für gigantische Wohnungsbau-Projekte geboten. Und beides geht halt nur schwer – riesige Grünflächen mit Party im Zentrum und niedrige Mieten.

Solche Realitäten scheinen aber viele der Demonstranten bzw. deren Organisatoren auszublenden. Stattdessen ist alles schwarz und weiß. Böse, böse Kapitalisten sind an allem schuld. Die eingangs erwähnten Plakate mit Sprüchen wie „Keine Profite mit der Miete“ oder „Wohnraum statt Kapitalismus“ sind an Absurdität kaum zu übertreffen. Sie wären zum Lachen, wäre es nicht zum Heulen, dass Menschen im Jahr 2019 in größerer Zahl darauf hereinfallen. Ohne Profite kein Wohnungsbau und damit keine neuen Wohnungen und damit keine Senkung der Mietpreise – das sollte eigentlich ein Grundschüler verstehen. Und wer sich nur ein klein wenig mit der Geschichte des real existierenden Sozialismus befasst hat, kann über die Losung „Wohnraum statt Kapitalismus“ nur den Kopf schütteln: Sozialistische Gesellschaften waren berüchtigt für die schreckliche Wohnungsnot dort. Gar nicht zu reden vom Zustand der bestehenden Wohnungen. Ein Blick in DDR-Bildbände wäre hier sehr hilfreich.

„Enteignung ist die halbe Miete“ war auf Plakaten zu lesen. Ins gleiche Horn stößt das von der „Linken“ und Teilen von „Grünen“ und auch SPD unterstützte Berliner Volksbegehren zur Enteignung von Firmen, die 3.000 oder mehr Wohnungen haben.

Planwirtschaft und Verstaatlichung
So marschiert Deutschland Richtung Sozialismus
Wäre es erfolgreich, müsste das ohnehin finanztote Berlin, dessen Haushalt nur durch unfreiwillige Spenden aus Bayern im Rahmen des Länderfinanzausgleichs künstlich beatmet wird, bis zu 30 Milliarden Euro Entschädigung bezahlen. Das wäre einer der größten Schildbürgerstreiche des 21. Jahrhunderts: Unsummen für bestehenden Wohnraum ausgeben, ohne eine einzige neue Wohnung geschaffen zu haben. Was für ein Eldorado dagegen für Apparatschiks wie die mit demonstrierende Bausenatorin: Sie wären für die Verwaltung des Mangels zuständig. Göttergleich könnte sie aus dem staatlichen Füllhorn Wohltaten in Form billiger Wohnungen an Auserwählte verteilen – bevor die mangels Instandhaltung zusammenbrechen. Die Geschichte zeigt: Sozialismus und ausreichender Wohnraum schließen sich gegenseitig aus. Aber selbst wenn der Stadtstaat Berlin selbst bauen sollte – der Flughafen Berlin zeigt, wie das wohl enden würde.

„Wohnen zu bezahlbaren Preisen ist ein Menschenrecht“, stand auf den Demo-Plakaten. Auch die DDR-Verfassung garantierte das – auf dem Papier, nur nie in der Praxis. Und schon gar nicht in den besseren Vierteln. „Ich bin davon überzeugt, dass eine Gesellschaft, die nicht auf Profit und Ausbeutung basiert, eine wesentlich bessere Gesellschaft wäre“, sagte einer der Demonstranten und offenbar Mitorganisatoren in die Kamera. Wie richtig! Auch eine Gesellschaft ohne Winter, ohne Stürme, ohne Überschwemmungen, ohne Krankheiten und ohne Kriminalität wäre eine bessere Gesellschaft. Nur funktioniert es eben nicht. Es ist erschreckend, wie schlecht in der Bundesrepublik 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der letzten deutschen Diktatur deren Lehren verinnerlich wurden. Wie groß die Nostalgie nach staatlichen Eingriffen und Sozialismus ist – als hätten sie nicht regelmäßig ganze Länder ins Elend gestürzt.

METZGERS ORDNUNGSRUF 02-2019
Enteignungen in Berlin mehrheitsfähig?
Wobei nicht nur die Geschichte der DDR Lehren bietet, was Populismus gegen Grund- und Wohnungsbesitzer und insbesondere Forderungen nach deren Enteignung angeht: Eine „Bodenreform, Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke. Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation“ – das war Punkt 17 im 25-Punkte-Programm, dem Parteiprogramm der NSDAP, das Adolf Hitler am 24. Februar 1920 im Münchener Hofbräukeller verkündete (Quelle: dokumentarchiv.de, zitiert nach Dushan Wegner) Götz Aly beschreibt in seinem Buch „Hitlers Volksstaat: Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus“ ausführlich, wie die Nationalsozialisten mit Mieterschutz Stimmung für sich machten. Zwischen 1933 und 1945 wurde etwa der Verlust der Wohnung wegen Mietschulden mehrfach erschwert. Aly schreibt von einem „rigorosen Mietpreisstopp“. Sogar Mietpreissenkungen wurden von mehreren Gauleitern vorgeschlagen. Von der „Einführung eines Strafschutzes anständiger und schutzwürdiger Mieter“ war die Rede. Hausbesitzer mussten hohe Sondersteuern bezahlen. Im Haushaltsjahr 1942/43 kamen sie für gut 18 Prozent der inländischen Einnahmen auf.

Diese Punkte sind wie so viele sozialistische Elemente im Programm der NSDAP weitgehend verdrängt. Nicht bewusst sind sie wohl auch dem Vorsitzenden der Grünen (die sich übrigens solidarisierten mit der Mieten-Demo). Robert Habeck, der gefühlte Bundeskanzler mit dem David-Hasselhoff-Charme, erklärte Enteignungen von Wohnungen „notfalls denkbar.“ Glaubt er, dass es Immobilien-Firmen anspornt, mehr zu investieren und mehr Wohnungen zu bauen, wenn man ihnen mit Enteignungen droht? Meint er, dass Enteignen statt Bauen neuen Wohnraum schafft? Oder springt er einfach nur auf einen Gefühlszug auf? Bloß nicht nachdenken, bloß nicht an Ursachen und Wirkungen denken. Hauptsache – gutes Gefühl. Und vor allem Applaus. Viel, viel Applaus. Willkommen im Narrenschiff Utopia Deutschland.


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Seine Kolumne „Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad“ finden sie hier.