Tichys Einblick
Brüsseler Beschlüsslein

CSU: Fällt Seehofer um?

Noch können Wetten abgeschlossen werden: Steht die CSU - oder fällt sie um? Geschickt hat die CDU Nebensächlichkeiten in den Raum gestellt und die kleine Schwester ausmanövriert. Notwendigkeiten werden wieder zerredet, um Entscheidungen zu vermeiden.

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Welch ein Jubel, welch ein Trubel, welche Freude nach dem Gipfel: Jetzt also ist sie da, die „europäische” Lösung der„ Flüchtlingsfrage”. So ging es los am Samstag. Dumm nur: mit jeder Stunde wurde die entspannte Sommerstimmung hitziger. In Brüssel wurde nichts geklärt. Die „Basler Zeitung“ spottet über den „Gipfel der Beschlüsslein“.

Die Beschlüsslein von Brüssel

Pressekonferenz zum EU-Gipfel
Merkel: Frankreich ist sicheres Herkunftsland
Tatsächlich: Die Europäische Grenzsicherung soll bis 2020 ausgebaut werden. Bis 2020? Fällt uns das jetzt erst ein? Die „Flüchtlingszahlen” steigen seit 2013 oder noch früher! Und die Rechtslage ist eine andere. Halten wir fest: Im Zuge der Beschlüsse zur inneneuropäischen Grenzöffnung seit 1985, dem sogenannten „Schengen-Raum“ stand immer im Zentrum, dass das jeweils beitretende Land seine Außengrenzen zu schützen hat. Während innerhalb des Schengen-Gebietes die Personenkontrollen bis auf Stichproben hinter den Landesgrenzen weggefallen sind, werden Personen an den Außengrenzen zu Drittstaaten nach einem einheitlichen Standard kontrolliert. Dazu wurde das Schengener Informationssystem (SIS; ein elektronischer Fahndungsverbund) geschaffen und einheitliche Einreisevoraussetzungen für Drittausländer festgelegt. Daher ist an jedem Punkt der Schengen-Außengrenze die Einreise zu verweigern, wenn kein Schengen-Visum vorhanden ist oder aus anderen Gründen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit eines Schengen-Staates festgestellt wird.

Genau diese Kontrollen und Zurückweisungen finden nicht statt. Schengen verstößt gegen seine eigenen Regelungen – millionenfach und bewusst. Denn diese Regelung ist aus dem kollektiven Gedächtnis und dem der Politik völlig verschwunden.

Das Schengen-System beinhaltet auch Aufenthaltsverbote für den gesamten Schengen-Raum. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Straftäter, die aus einem Schengen-Staat wegen einer dauerhaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit fernzuhalten sind, grundsätzlich auch in den anderen Ländern unerwünschte Personen sind.

Und wenn unerwünschte Personen einreisen, können sie aufgegriffen ud rücküberstellt werden.

Die bedingungslose Öffnung der Grenzen

Dokumentation
WerteUnion zu Beschlüssen des EU-Gipfels: "Brüsseler Mogelpackung"
Deutschland hat diese Regelungen mit den umstrittenen Kanzlerinnen-Entscheidungen vom September 2015 praktisch unterlaufen. Wenn heute gesagt wird, dass sie die Grenzen nicht habe öffnen können, weil diese bereits offen waren, dann sind das die üblichen Spielchen der Refugee-Fraktion. Die Grenzen waren nie bedingungslos offen, wie heute die Kanzlerin und ihre Anhänger Glauben machen wollen. Sie waren immer nur bedingt, und zwar nach strengen Regelungen und Begrenzungen offen.

Und daher gab es immer Kontrollen entlang der Grenzen und einem breiten Streifen dahinter – bis 2015, sowie jede Menge Rückführungen. Erst seit 2015 wird diese Rücküberstellung nicht mehr durchgeführt – Deutschland wurde ein offenes Land, das unkontrolliert Menschen einwandern lässt, seien es politisch Verfolgte und damit Asylberechtigte, Kriegsflüchtlinge für vorübergehenden Schutz, Wirtschaftsmigranten, Abenteurer, Unterstützungssuchende, Terroristen oder bereits verurteilte Mörder – egal. Mit der weit überdehnten Auslegung des Flüchtlingsbegriffs wurden die Schengen-Regelungen unterlaufen und jede Kontrollmöglichkeit abgeschafft – einseitig. Von Deutschland.

Jetzt also Wischiwaschi 

Blick zurück - nach vorn
Blackbox KW 26 – Merkels Wischiwaschi & unser Diridari
Wenn jetzt fabuliert wird über angeblich notwendige „europäische” Lösungen, über Fronten, über Ankerzentren oder über „Ausschiffungsplattformen“ in Nord-Afrika, dann ist das alles Gerede. Denn es gibt sie nicht; die nordafrikanischen Staaten spielen nicht mit, und wenn, vielleicht in ferner Zukunft. Was die Kanzlerin vorträgt, ist nur Gerede, das die Rechtslage verdrängt. Und die Einigung der Brüsseler Politik ist nur Wischiwaschi. Die Regierungschefs habe sich darauf „verständigt“, dass ein angeblicher Flüchtling nur in einem Land, nämlich da, wo er angekommen ist, einen Asylantrag stellt. Das ist geltendes Recht. Brauchen wir zukünftig für jede Lohnsteuerklärung einen Brüsseler Gipfel, der sich darauf „verständigt“, dass Steuern zu zahlen sind, vielleicht, wenn der Betroffene mitmacht? Was ist das für eine Gesellschaft von Sprüchemachern!

Und was bedeutet die Gipfelerklärung, wonach die Flüchtlinge „solidarisch“ umgesiedelt werden? Hat bisher nicht geklappt, und wird nicht klappen, kann nicht funktionieren: Werden also Flüchtlinge aus Deutschland nach Litauen umgesiedelt und erhalten sie dort Leistungen nach Litauer Niveau oder nach deutschem, das für Flüchtlinge in etwa dem Durchschnittseinkommen von Litauen entspricht? Herrgott, wer kann solchen Schwachsinn bejubeln? Gut, Ankerzentren sind erlaubt, aber das waren sie vorher auch schon. Man muss sie nur wollen. Aber Merkel und die SPD wollen sie nicht.

Die Kanzlerin als Lachnummer Europas

Immer noch keine Einsicht
Wie tief ist die Regierungskrise?
Und als Oberpunkt der Peinlichkeit dann, dass Ungarn und Tschechien sofort widerrufen, inzwischen auch Polen, was die Kanzlerin als Verhandlungserfolg feiert: Dass sie irgendwelche „Flüchtlinge” aus Deutschland aufnehmen würden. Die Kanzlerin hat sich zur Lachnummer gemacht. Zur Lautsprecherin mit leeren Händen. Übrigens – nicht zum ersten Mal:

Griechenland – das gerade mit einer erneuten Milliardenspritze eingekauft wurde – will zukünftig aus Deutschland solche Zurückgewiesenen übernehmen, wie übrigens  vorher auch schon, auch so ein toller Erfolg. Das Problem ist nur: Es gibt keine Abschiebungen aus Deutschland Richtung Griechenland; weil dies ein Gericht wegen der angeblichen Inhumanität griechischer, also mit deutschen Geld finanzierter „Flüchtlingslager” entschieden haben soll.

Griechenlands Zusage ist also faktisch gefahrlos.

Die deutsche Politik ist das Problem

Deutschland hat durch die ständige Ausdehnung seines Flüchtlingsbegriffs auf jeden, unabhängig von seinem Herkunftsland und seiner Identität, dieses Problem erst geschaffen. Da Migranten sich in Deutschland den Aufenthaltsstatus faktisch durch lange Gerichtsverfahren ersitzen können – ist Deutschland der Magnet für Afrikas aus dortiger Sicht überzählige wie unzufriedene Generation geworden. Dazu kommen die hohen Sozialleistungen, die den Zugang zum kostenlosen Wohnen und zu allen Sozialleistungen inklusive Renten bis zum Lebensende für jeden bedeuten, der die Grenze überschreitet. Nirgendwo sonst gibt es das. Stellen wir uns vor, die USA oder Australien würden eine bedingungslose Einreise ermöglichen und den vollen Lebensunterhalt inklusive Kranken- und Rentenversorgung an einem Ort Ihrer Wahl, ohne eigene Arbeitsleistung: Was würden Sie tun? Ich ahne es.

Die Summe aller Wünsche
EU: Alles und Nichts
Die Konsequenzen sind klar: Seit 2015 betteln die osteuropäischen Staaten in Berlin darum, dass der deutsche „Flüchtlingsmagnet“, wie sie es zu Recht nennen, abgeschaltet wird, weil sie bekanntlich auf der Balkanroute überrannt wurden. Auch Italien befindet sich in dieser Situation; wieso soll es Flüchtlinge festhalten, die doch eigentlich nach Deutschland wollen, weil dort ein Pass und lebenslanger Unterhalt winken? Ohne eigene Leistung, inklusive Familiennachzug? Warum?

Deutschland in der Mitte Europas ist damit für die Zustände an den Außengrenzen Europas verantwortlich. Eine Rücknahme des pervertierten Asylrechts, das nicht im Grundgesetz so formuliert wurde, sondern von den Gerichten, wird die Probleme lösen – nicht ein paar hilflose Frontex-Beamte mehr ab dem Jahr 2020.

Das ist Merkels eigentlich Verantwortung: Sie versteht sich als Kanzlerin bedingungslos offener Grenzen und hat sich einer Politik verschrieben, die sonst nur von rotgrünen Träumern getragen wird. Sie hat von anderen EU-Regierungschefs nur ein paar folgenlose Worte erhalten, damit sie sich innenpolitisch Seehofer und seine lästige CSU vom Leib halten kann.

Es geht wieder nur um Machterhalt, nicht um Problemlösung.

Denn dann müsste Merkel eingestehen: Sie hat das Schlamassel angerichtet – und sie schafft die Lösung nicht. Jetzt werden die üblichen politischen Spielchen veranstaltet, jede Lösung tot geredet. Und nichts ändert sich. Ob Seehofer umfällt oder nicht.