Tichys Einblick
Rund 2.800 neue Asylplätze geplant

In Teilen von Pankow kommt ein Asylbewerber auf einen Bürger

Der Berliner Großbezirk Pankow klagt über eine hohe Belastung durch Asylzuwanderer. Das Bezirksamt beschließt immer neue Wohnanlagen, zentral und in Randlage. Die CDU will das verhindern, die Bürger rebellieren. Ein Abflauen der Neuzugänge ist nicht in Sicht.

Rathaus Pankow, 12.02.2022

IMAGO / Andreas Gora

Pankow ist einer der neuen Superbezirke von Berlin, die in einer Verwaltungsreform vom Anfang des Jahrtausends entstanden. Noch vor zehn Jahren galt es als „der geburtenreichste Bezirk der Stadt“ mit einer „eher vorteilhaften Sozialstruktur“, wie der Handlungsorientierte Sozialstrukturatlas Berlin 2013 mitteilt. Das sind aber Nachrichten aus der Nach-Wende-Zeit, als viele „Neuberliner“ den noch nicht bestehenden Superbezirk besiedelt hatten. Inzwischen bekamen sie eben auch ein paar Kinder.

Wie die Berliner Morgenpost berichtet, hat inzwischen kein anderer Bezirk mehr Asylbewerber untergebracht als Pankow. Immer wieder einigten sich der Senat, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten und das Bezirksamt auf die Umwandlung von Brachen oder leerstehenden Gewerbeimmobilien in Unterkünfte für Zuwanderer via Zauberwort Asyl.

Fatales Signal
Ampel-Asyl-Paket: Grüne feiern Zugeständnisse auf breiter Front
Mit dem nach wie vor beliebten Prenzlauer Berg beginnt die Kette der Ortsteile im Süden. Und man möchte es kaum glauben, aber das als grün verschriene Ex-Studentenviertel beherbergt heute eine der stärksten Konzentrationen von Asylbewerbern im Land Berlin. Hier lässt man der „Willkommenskultur“ Taten folgen, obschon freilich nur gemeinschaftlich finanzierte.

2.200 Asylzuwanderer sind auf einem kleinen Areal im Osten des Ortsteils, zwischen S-Bahnhof Landsberger Allee und Volkspark Prenzlauer Berg, untergebracht, in vielleicht einem Dutzend Blocks. Das bedeutet, dass fast ein Antragsteller oder „Flüchtling“ hier auf einen alteingesessenen Bürger oder „Stammbewohner“ kommt: 42 Prozent der Bewohner wurden über das bundesdeutsche Asylsystem und den maßgeblichen Königsteiner Schlüssel in das Viertel gebracht. Sie haben im Behördensprech einen (vermeintlichen) „Fluchthintergrund“ (damit aber noch keinen anerkannten Fluchtgrund). Und für den Juni ist die Inbetriebnahme von weiteren 540 Plätzen geplant. Doch damit würde sich die „klare Unwucht“, von der der CDU-Politiker David Paul spricht, noch einmal deutlich steigern, hin zum Nicht-mehr-Aufnehm- und Verarbeitbaren.

Erst vor wenigen Tagen hob ein Gericht ein Baumfällverbot in der Ortslage Pankow auf, das bisher den Neubau eines Heims für 400 Asylbewerber verhindert hatte (TE berichtete hier und hier). Bausenator Christian Gaebler (SPD) rechtfertigte das Bauprojekt für Flüchtlinge, verstand aber, dass Menschen bei „Veränderungen in ihrem Wohnumfeld“ nicht begeistert seien. Aufgrund des Berliner Wohnungsmangels müsse man gezwungenermaßen landeseigene Grundstücke bebauen. „Sonderbaurecht“ erlaubt nun das generalstabsmäßige Hochziehen von Wohnungen für Asylbewerber. Sicher ist das Argument, dass später ja auch zahlende Kundschaft darin wohnen könne.

Aber in Berlin wird aus Zeit- und Kostengründen oft auf die „modulare Bauweise“ ausgewichen. Also ein Containerbau in haltbar. Vernebelt wird so der grenzenlose Umbau des Gemeinwesens aufgrund der getroffenen Wahl für offene Grenzen: 400 Plätze hier, 500 da, so wird Heim auf Heim geschichtet, bis Land und Stadt es irgendwann nicht mehr leisten können. Insgesamt leben im Bezirk Pankow heute rund 5.000 Asylbewerber, das sollen 16 Prozent der Berliner Gesamtzahl sein. Die prognostizierten und teils schon durchgeplanten Zuwächse könnten das System und die es umgebende Gesellschaft an den Rand des Scheiterns bringen.

Für die Grünen bleibt es ein Win-Win-Geschäft

Ein solches 1:1-Verhältnis ist dabei eigentlich nichts Ungewöhnliches mehr im Land der Willkommenskultur: Des politischen Engagements für die Asylzuwanderung unverdächtige Orte wie Upahl im nordwestlichen Mecklenburg sind längst vor ganz ähnliche Zahlenverhältnisse zwischen Einheimischen und Unterzubringenden gestellt und protestieren anhaltend gegen diese Zumutung. Die wird umso größer, als die kleinen Dörfer und Randgebiete nicht über ausreichende Infrastruktur (Läden, Ärzte, Schulen usw.) verfügen, um die Zugewanderten irgendwie einzuordnen.

In der Zentrallage des Prenzlberges könnte man das noch anders sehen. Hier leben auch viele Bürger, die den Zuzug grundsätzlich begrüßen und sich ja in der Integrationsarbeit einsetzen könnten, das aber wohl immer weniger tun. Zu sehr ist man mit den Gegen-Rechts-Demonstrationen beschäftigt. Aber langsam scheint auch hier eine Obergrenze erreicht, zumindest für die ortsansässige CDU.

Für die Grünen und Linken reicht es dagegen noch lange nicht. So hat die Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) ein „neues Quartiersmanagement“ vorgeschlagen. „Quartiersmanagement“ – das ist sozusagen Sozialpolitik auf Stadtteilebene, und natürlich müssen dafür Fördermittel fließen und Sozialarbeiter bezahlt werden. Insofern ist das ein Win-Win-Geschäft für die Grünen.

Insgesamt werden gerade 2.800 neue Asylplätze in Pankow geplant

Auch der Sprecher für Antidiskriminierung der Linksfraktion Pankow Oskar Lederer – zugleich Ehemann von Ex-Kultursenator Klaus Lederer – bleibt dabei: „Pankow ist und bleibt Willkommensbezirk.“ Aufnahmeblockaden gehen demnach gar nicht. Das Land solle aber den Bezirken dringend mehr Geld überweisen, und zwar dauerhaft, nicht so sprunghaft wie jetzt, wo der Senat angeblich nur so „von Projekt zu Projekt hüpft“. Der Linken kann es natürlich nicht genug Staatsgeld sein, das es bekanntlich nicht gibt. Nur Steuergeld, aber das muss ja ein Linken-Sprecher für Queer und so weiter nicht verdienen.

Wann kommt die Asylreform?
Fast 30.000 Asylanträge im Januar – 55 Prozent werden abgelehnt
Der zweite Teil des Großbezirks Pankow, in dem das Verhältnis ähnlich unausgewogen ist, ist erwartungsgemäß die Randlage Buch mit großem Baumbestand und knapp 18.000 Einwohnern. Hier leben noch einmal 1.500 Migranten, und auch das gilt einem CDU-Abgeordneten als Überforderung. Nun soll die Platzkapazität allerdings auf 3.000 verdoppelt werden, durch eine neue Großeinrichtung direkt an der Landesgrenze zu Brandenburg. Aber die bestätigt man offiziell lieber noch nicht. Die Berliner Zeitung spricht von einem „Gerücht, einer Idee vielleicht, womöglich einem Plan“. Auch der vom Senat eingesetzte „Koordinator für die Unterbringung von Geflüchteten“, Albrecht Broemme, meint: „Eine Randlage wie in Buch ist nicht zur Integration geeignet.“ Zudem sind die Bucher auch schon auf den Barrikaden. Insgesamt sind demnach allein im Bezirk Pankow zusätzliche Plätze für etwa 2.800 neue Asylbewerber geplant. Das ist dann vielleicht doch Bundesrekord.

Die Pankower CDU will weitere Heime in „Problemkiezen“ verhindern. Überschrift des Antrags: „Unterbringung von Flüchtlingen verträglich organisieren“. Es ist also wie immer mit der CDU: Asylzuwanderung ja, aber bitte verträglich, wenn das denn geht. Laut Kennern der Lage entspräche eine Annahme des Antrags einer Art Aufnahmestopp für Pankow. Oder einem Aufnahmestopp light. Aber die linken Mehrheiten im Bezirksparlament wüssten wohl auch das zu verhindern. Sie sind ja an der Macht. Die Nachwahl 2023 ging so aus:

Letztes Jahr mehr als 1,1 Millionen Asylbewerber in der EU

In der EU wurden im letzten Jahr mehr als 1,14 Millionen Asylanträge gestellt. Auch 2015 oder 2016 waren es EU-weit nicht viel mehr Anträge, nämlich 1,4 Millionen und 1,3 Millionen. Nicht eingerechnet sind natürlich die 4,4 Millionen Ukrainer (in Deutschland rund eine Million), die die Unterbringung weiterer Migranten nicht erleichtern und außerdem stark auf das deutsche Bürgergeld zurückgreifen.

Deutschland ist laut dem aktuellen Bericht der Asylagentur der Europäischen Union – mit Hauptsitz in der maltesischen Hauptstadt Valletta – heute das Hauptzielland von Asylbewerbern in der EU-27. In Deutschland wurde rund ein Drittel aller Asylanträge in der EU gestellt (351.915). EU-weit ergab sich ein Plus von 18 Prozent, in Deutschland eine Zunahme von 44 Prozent. Eine Entlastung ist auch 2024 nicht zu erwarten, eher eine zusätzliche und stärkere Belastung der EU-Staaten und namentlich Deutschlands. Das ist so, weil die EU-Gremien sich im letzten Herbst jede Notfallreaktion versagt haben und lediglich eine mittel- bis langfristige Reform des EU-Asylsystems vorgelegt haben, die wohl ab 2026 greifen könnte.

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