Tichys Einblick
Corona-Hilfen

Subventionsmentalität: Wer will noch mal, wer hat noch nicht 

Der Staat soll ausgefallene Abfeiern übernehmen und Studenten mit niedrigem Kontostand werden auch bedacht. Längst geht es bei den Soforthilfemaßnahmen nicht mehr nur um die Rettung von Betrieben und Existenzen.

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Nach dem Corona-Lockdown haben die Subventionsleistungen der Bundesregierung und der Subventionsforderungen der Bürger Hochkonjunktur. So wird das Füllhorn künftiger Steuerzahlungen ausgeschüttet über: Taxifahrer, Handwerker (zu denen auch Friseure gehören), Einzelhändler und kleine Unternehmen, Studenten, (pardon: Studierende) – alle können Zuschüsse über ein sogenanntes „Soforthilfe-Paket“ beantragen. Die Antragstellung und Auszahlung werden durch die Bundesländer organisiert und betreffen Reisebüros, Reisebus-Unternehmen, Spediteure, (wegen Preisverfall auf dem Frachtmarkt) Soloselbstständige und Künstler. Die Aufzählung ist womöglich nicht vollständig, doch es gibt kaum eine Berufsgruppe, über die nicht ein „Schutzschirm“ aufgespannt wird – Lebensmittelgewerbe und Supermarktangestellte einmal ausgenommen. 

Und es geht noch weiter. Wie Finanzminister Scholz am Freitag zur Schuldenaufnahme von 218,5 Milliarden Euro für das „Konjunkturpaket“ für die Wirtschaft sagte: „Bei Restaurants und Bars, bei Busunternehmen, bei Reisebüros, bei gemeinnützige Unternehmen und Jugendherbergen, bei mittelständigen Unternehmen und Soloselbstständigen, alle kriegen eine Unterstützung und ich denke, das ist eine gute Entscheidung“. 

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 Dass der Staat bestimmten Zielgruppen ohne Gegenleistung und in der Regel ohne Rückzahlungsverpflichtung Geldleistungen gewährt, ist zu einem Denk- und Verhaltensmuster geworden, zu einer Subventionsmentalität, die sich jetzt in der Coronakrise offenbart und selbst bestärkt.Für die Regierungsparteien scheint es sich ja „auszuzahlen“, wenn man den Umfrageergebnissen Glauben schenken mag. Jedenfalls für CDU/CSU. Die SPD dagegen hat das Nachsehen und liegt nach wie vor um die 15-16-Prozent. 

Noch während am vergangenen Mittwoch die Busunternehmer hunderte von Bussen hupend in Berlin-Mitte für staatliche Förderung demonstrieren ließen, öffnete der Bundesverkehrsminister mit großzügiger Unterstützung von Olaf Scholz auch die Geldschleuse für diesen Wirtschaftszweig mit 170 Millionen Euro.

Zurückhaltung scheint es nicht mehr zu geben. Längst geht es nicht mehr nur um die Rettung von Betrieben und Existenzen. Auch  Studenten demonstrierten am Samstag  für mehr „Soforthilfe“. 500 Euro im Monat „Soforthilfe“ hat Bildungsministerin Anja Kalriczek schon locker gemacht, aber das reiche natürlich nicht. Warum ausgerechnet Studenten zu den großen Leidtragenden der Krise gehören sollen, kann zwar niemand so recht erklären. Klar, irgendwie haben auch sie weniger Geld, wenn sie nicht jobben können. Aber lustig ist es schon, wenn zu den Antragsvoraussetzungen für Studenten ein Kontostand unter 100 Euro gehört. Die einzige echte Hürde ist die Pflicht für Studenten, die eigene finanzielle Notlage schriftlich zu begründen. Für reichlich Lesestoff in den Behörden sorgt die Rettungspolitik der Bundesregierung also auch.

Niemand will offenbar auf privaten Schäden sitzen bleiben, wenn die doch auf den Staat, also letztlich die Allgemeinheit abzuwälzen sind. Letztes Highlight: In Berlin beklagen Abiturienten hohe Stornokosten für ausgefallene Abitur-Bälle wegen Corona. Den Schülern drohen nun Stornogebühren zwischen 500 und 6000 Euro. Nun fordern Eltern und Schüler Hilfe vom Senat. Der Steuerzahler soll’s richten. 

Vorletztes Highlight, ebenfalls Berlin: Die Clubs in der Hauptstadt werden mit vorerst 60 Millionen Euro bedacht. 30 Millionen Euro sind bereits ausbezahlt. Die Betreiber freuten sich, so die „Berliner Abendschau“, über jeden Cent, der hereinkommt. Kredite, so heißt es in der Szene, helfen uns nicht weiter. Man könne aus eigener Kraft nicht überleben. Subventioniert werden soll bis Februar 2021.

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Auch der Sport darf nicht zu kurz kommen. Berliner Sportvereine und -verbände, die von den Folgen der Corona-Krise betroffen sind, können Mittel aus dem Rettungsschirm Sport beantragen. Sechs Millionen Euro für gemeinnützige Vereine und Verbände, die in Zahlungsschwierigkeiten steckten und deren Existenz gefährdet sei, stellt das Land Berlin zur Verfügung. Zusätzlich 2,2 Millionen Euro gibt es für einzelne Profiklubs, wie Alba, die Füchse, die BR Volleys und den SCC sowie das Internationale Stadionfest Berlin (ISTAF). 

Diese Art „Rettungsschirm“ dürfte nicht nur in Berlin für den Sport aufgespannt worden sein. Zuletzt hatten auch Profivereine wie Borussia Dortmund oder Werder Bremen darüber nachgedacht, möglicherweise staatliche Kredithilfen in Anspruch zu nehmen.  

Handwerksbetriebe, ebenfalls mit „Sofort-Hilfen“ bedacht, haben trotz Corona-Krise im ersten Quartal insgesamt gute Geschäfte gemacht. Den stärksten Rückgang gab es im Handwerk jedoch für den privaten Bedarf. Die Erlöse aus den sieben Gewerbegruppen stiegen im ersten Quartal in Summe um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

In Berlin machen Programmkinos trotz verordneter Schließung derzeit höhere Umsätze denn je. Staatliche Kunst- und Kulturfördertöpfe sind seit jeher üppig bestückt. Darüber hinaus unterstützt der rot-rot-grüne Senat 210.000 Soloselbstständige im Kulturbereich, Berlins Ex-Finanzminister Ulrich Nußbaum schätzt dagegen die tatsächlichen Antragsberechtigten auf 170.000 Personen. Es gehe um dreistellige Millionenbeträge, die zu Unrecht ausbezahlt wurden. 

Corona-Subventionsbetrug gibt es aber nicht nur in der Hauptstadt, sondern im gesamten Bundesgebiet. Ende Mai gab es Ermittlungen in mindestens 2200 Fällen wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug, Geldwäsche, Fälschung beweiserheblicher Daten oder dem Ausspähen von Daten. Täglich kommen neue Ermittlungsverfahren hinzu, wie Polizei und Justiz aus vielen Ländern berichteten. In Berlin täglich etwa 40, hieß es von der Generalstaatsanwaltschaft. In Niedersachsen sind es laut Polizeiangaben täglich 10 neue Fälle. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat in mehr als 30 Fällen Verfahren wegen der unberechtigten Inanspruchnahme sogenannter Corona-Soforthilfen eingeleitet. 

Berlins Staatsanwaltschaft registriert seit Ende April eine Verdopplung des Schadens bei Soforthilfebetrug. Stand Anfang Mai bestand bereits 1,5 Millionen Euro Schaden in Berlin – offenbar nicht mit inbegriffen die dreistelligen Millionenbeträge aus dem Subventionstopf für Berliner Solo-Künstler, die sich, wie man allenthalben hören kann, jetzt verzweifelt bemühen, fingierte Rechnungen aus ihrem privaten Umfeld zu organisieren, um die nötigen Betriebsausgaben nachzuweisen, weil ansonsten Rückforderungen des Staates drohen.

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