Tichys Einblick
Steuern 2020

Aussichten für 2020: Von wegen Entlastung für den Steuerzahler

Die Bundesregierung rühmt sich der "größten steuerlichen Entlastungen seit zehn Jahren". Tatsächlich wird allenfalls die Einkommensteuer an die Inflation angepasst. Klima-Maßnahmen und die jüngsten Forderungen der SPD lassen eher weitere Belastungen in diesem Jahr erwarten.

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Die immer wieder versprochene Entlastung des Steuerzahlers ist so etwas wie der Running Gag der bundesdeutschen Politik. Davon ist jedenfalls im angebrochenen Jahr unterm Strich nichts bis wenig zu erwarten. 

Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Steuerzahler wird erst zu 2021 akut. Alles, was das Erstellen der Steuererklärung für 2020 ein klein wenig weniger schmerzhaft machen kann, ist die Anhebung der Einkommensgrenzen für alle Steuersätze um 1,95 Prozent, was nur die Inflation halbwegs ausgleicht. Ebenso erhöhen sich die Grenzen für Unterhaltszahlungen an Angehörige, die Steuerzahler als außergewöhnliche Belastungen abziehen können.

Der steuerliche Kinderfreibetrag, definiert als Existenzminimum des Kindes, wird um 192 Euro auf 5.172 Euro erhöht. Auch die Einkommensgrenze, ab der die so genannte „Reichensteuer“, also ein Zuschlag von drei Prozent gezahlt werden muss, steigt um 1,95 Prozent auf 270.501 Euro für Unverheiratete beziehungsweise 541.001 Euro für Verheiratete.

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Ähnliche Angleichungen gelten seit Jahresbeginn für Verpflegungspauschalen bei beruflichen Reisen. Wer mehr als acht Stunden unterwegs ist, kann nun 14 statt 12 Euro beim Finanzamt abrechnen (beziehungsweise dessen Arbeitgeber), wer 24 Stunden unterwegs ist, bekommt 28 statt 24 Euro. Auch Jobtickets von Arbeitgebern werden ab diesem Jahr pauschal mit 25 Prozent besteuert und nicht mehr auf die Entfernungspauschale des Beschäftigten angerechnet. 

Leser können – vielleicht – ein paar Euros sparen, weil für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in elektronischer Form nun ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von nur noch sieben statt 19 Prozent erhoben wird. Für Musik und Videos gilt das allerdings nicht. Ebenfalls nur noch sieben Prozent Mehrwertsteuer werden seit dem 1. Januar auf Tampons, Binden und Menstruationstassen erhoben. Ob der Handel diese Erleichterungen an die Kunden weitergibt, ist aber völlig offen. Angesichts der prekären Lage der meisten deutschen Verlage kann man es eher für unwahrscheinlich halten. 

Dass tatsächlich die vergangenen Jahre steuerpolitisch genau das Gegenteil einer Entlastung brachten, zeigt der einfache Vergleich der Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts und der Steuereinnahmen des Staates. Der Staat hat vom Aufschwung in diesen Jahren deutlich stärker profitiert als seine Bürger, so dass die Steuerquote mittlerweile den Rekordwert von knapp 23 Prozent erreicht hat. Die Sozialquote, in der auch die Beiträge der Sozialversicherungen mit einbezogen sind, liegt bei fast 30 Prozent. 

Wenn man bedenkt, wie selten die Union den wirtschafts- und steuerpolitischen Wünschen des sozialdemokratischen Koalitionspartners ernsthaften Widerstand entgegensetzte, dann muss man wohl leider davon ausgehen, dass deren gewünschte Steuerverrücktheiten von heute die Steuerwirklichkeit von morgen sein werden. Dementsprechend sollte man als Steuerbürger eher mit stärkerer als geringerer Belastung rechnen. Da geht es wohl nicht nur um die schon im Entwurf von Finanzminister Olaf Scholz vorliegende Finanztransaktionssteuer, die das SPD-Lieblingsvorhaben der Grundrente finanzieren soll und den von Minuszinsen geplagten Kleinanleger als Neu-Aktionär wohl empfindlicher treffen wird als „Spekulanten“. 

Die SPD stellt unter anderem längst auch schon wieder die verminderte Erbschaftssteuer in Frage. Und der frisch gekürte neue SPD-Chef Norbert Walter-Borjans forderte pünktlich zu Weihnachten, den Steuersatz für „Spitzenverdiener“ wieder auf 50 Prozent (statt 42 beziehungsweise 45 Prozent) anzuheben. Walter-Borjans sprach von Leuten, die 750.000 Euro im Jahr verdienen, aber man weiß ja, dass der Höchststeuersatz für den Steuerstaat schon bald nach dem Durchschnittsverdienst anfängt. 

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Und was ist mit der von jedem Steuerzahler und Steuererklärungspflichtigen sehnlichst herbeigewünschten Vereinfachung des Steuersystems? Was spricht eigentlich dagegen, grundsätzlich Steuersätze niedriger zu hängen und dafür den unendlichen Saustall von Ausnahmeregelungen auszumisten, in dem sich längst nur noch der Berufsstand der Steuerberater zurechtfindet? Nichts natürlich. Dennoch ist das kein Thema, das die Berliner Politik akut umtreibt. 

Steuerzahler zu entlasten, ihnen finanzielle Freiheiten zurückzugeben, scheint in der verwahrlosten deutschen Steuerpolitik kein durchschlagendes Argument zu sein. Ebensowenig wie die Tatsache, dass in anderen Industrieländern längst die Steuerbelastungen für Unternehmen gesenkt werden, bislang die Bundesregierung dazu verleitet, die Belastung deutscher Unternehmen zu reduzieren. Von der neuen SPD-Co-Chefin Saskia Esken und anderen SPD-Abgeordneten war jedoch gleich als Gegenforderung für jegliche Verhandlung über niedrigere Unternehmenssteuern zu hören: Dann müsse es wieder eine Vermögenssteuer oder andere Steuererhöhungen für „Besserverdiener“ geben.  

Zumal die deutschen Unternehmen, gerade die Industrie, und die Verbraucher nicht nur unverhältnismäßig schwere Steuerlasten, sondern auch die zweithöchsten Energiepreise in Europa zu stemmen haben. Tendenz weiter steigend. Die größten Belastungen nämlich, die alles Regierungsreden von „Entlastungen“ zu einem ironischen Witz werden lassen, werden nicht oder kaum in den persönlichen Einkommenssteuererklärungen der deutschen Bürger auftauchen, sondern in vielen Rechnungen und alltäglichen Zahlungen enthalten. Es sind die indirekten Steuern  mit Bezug zur großkoalitionären Energie- und Klimapolitik.

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