Tichys Einblick
Steuersenkungen und Rabatte

Mehrwertsteuersenkung für Benzin oder ein wenig Klassenkampf fährt mit

Was ist das eigentlich, wenn Steuern gesenkt werden: Rabatt, unsoziale Umverteilung, Entlastungsillusion, Steuererlass? Für Rotgrün und ihre Sender gilt: Etwas Klassenkampf geht immer.

IMAGO / Rene Traut

Eigentlich ist es ganz einfach: Steigen die Spritpreise, steigen die Steuern. Aber muss der Staat an steigenden Spritpreisen mitverdienen oder kann er wenigstens so nachsteuern, dass er nicht an der Preissteigerung mitverdient?

Eigentlich eine einfache Frage. Aber Politik besteht darin, das Einfache zu verwirren, um die Wähler zu täuschen. Das fängt schon bei der Frage an, wie sich der Spritpreis zusammensetzt. 

Wie der ADAC seine Mitglieder beschummelt

Denn für den hohen Preis sind weder die Ukraine noch Russland allein verantwortlich. Es ist die Steuer- und Abgabenpolitik. Über die Hälfte des an der Tankstelle abgedrückten Euro-Betrags fließt an den Staat. 

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Beim Spritpreis von 2,10 Euro, derzeit allerdings schon ein kaum mehr auffindbarer Illusionspreis, betragen die Kosten für Rohöl bis Transport zur Tankstelle 111,1 Cent; die Energiesteuer 65,4 Cent und die Mehrwertsteuer 33,4 Cent, rechnet der ADAC vor. Also rund die Hälfte geht an den Staat. Das ist schon gewaltig – aber noch zu wenig. Denn der ADAC rechnet die seit 2021 erhobene staatliche CO2-Abgabe zu den „Kosten“, also zu den 111,1 Cent, die für Wareneinsatz, Raffinerie, Transport aufgewandt werden muss.

Die allermeisten Tageszeitungen drucken diese Fake News des ADAC nach, statt genauer hinzuschauen. Die CO2-Abgabe ist aber nichts anderes als eine Steuer, eine Zwangsabgabe. Sie beträgt je Liter 8,4 Cent. Offensichtlich versucht der ADAC, die CO2-Abgabe zu verstecken. Die Kosten des staatlich verordneten Raubzugs sollen getarnt werden. Aus „knapp die Hälfte für den Staat“ wird so „mehr als die Hälfte für den Staat“. Früher war der ADAC mal eine Art Anwalt der Autofahrer. Heute eine Organisation, um sie über die wahren Kosten hinwegzutäuschen. 

Man könnte es auch brutaler formulieren: Deutschlands Finanzminister Christian Lindner ist Profiteur des Ukraine-Kriegs; denn er füllt seine Staatskasse mittels solcher inflationsbedingter Steuermehreinnahmen. Im Wahlkampf, und der ist noch keine 100 Tage her, hat er noch vollmundig die Rückgabe inflationsbedingter Steuereinnahmen versprochen. Jetzt, im Amt, eiert er herum; da den Bürgern weniger Geld für Konsum zur Verfügung steht, könne der Staat nicht auf höhere Steuersätze verzichten. Vereinfacht: Erst der Staat, dann die Bürger – oder: Hungern und frieren für den Staat ist deutsche Bürgerpflicht. 

Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht?

Der Zustand ist untragbar. Jetzt will sich Lindner, belehrt durch wachsende Proteste, auf eine Senkung der Abgaben einlassen. Aber natürlich nicht einfach dadurch, dass er die bundeseinheitliche Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent senkt. Das wäre ja zu einfach. Das würde, über den Daumen gepeilt, den Spritpreis um 20 Cent je Liter senken; immerhin. 

Eine schnelle und klare Regelung. Denn wann 7 Prozent Mehrwertsteuer kassiert werden und wann 19 Prozent, ist ohnehin so ziemlich willkürlich. Wer die Wurst beim Metzger kauft, wird mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belastet. Beim Catering „in geschlossenen Wärmebehältern“ sind es aus unerfindlichen Gründen 19 Prozent. Blumen werden mit 7 Prozent belastet, Kunstblumen mit 19 Prozent. Auf Druck von Frauengruppen hat 2020 der damalige Finanzminister Olaf Scholz die Mehrwertsteuer für Damenbinden von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Ist Mobilität kein „Grundbedarf“? Im ersten Lockdown trat zum 1. Juli 2020 die neue Mehrwertsteuerregelung in Kraft. Bis zum Jahresende 2020 wurde der Mehrwertsteuersatz auf 16 Prozent herabgesetzt. Es geht also. Es ist reine Willkür, wie hoch der Mehrwertsteuersatz ist. 

Vermutlich ist es zu einfach.

Tankrabatt umstritten
Lindners Spritpreisbremse: Jetzt droht Koalitionsstreit um die Mini-Entlastung
Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Preis für Superbenzin bei 1,58 Euro, Diesel kostete 1,40 Euro. Die auf Kraftstoffausgaben privater Haushalte erhobene Mehrwertsteuer betrug grob berechnet 10 bis 11 Milliarden Euro. Wenn man davon ausgeht, dass Superbenzin und Diesel im Jahr 2022 rund 2,20 Euro pro Liter kosten und der Verbrauch gleich bleibt, werden die Mehrwertsteuereinnahmen auf überschlägig 14,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 steigen. Die Mehreinnahmen für den Staat betragen also 4,5 Milliarden Euro. Die könnte er sofort zurückgeben, will der Staat kein Krisengewinner sein. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent würde den Fiskus knapp 9 Milliarden Euro kosten.

Das gilt bei gleichbleibendem Verbrauch.

Möglicherweise sinkt der Verbrauch, auch weil die Autofahrer immer noch weiträumiger ausweichen und in Polen, Österreich, Frankreich oder Luxemburg tanken. Damit entgeht dem Staat richtig Geld – eben die Hälfte der Tankrechnung, nicht nur die Mehrwertsteuer. Vernünftig wäre es also, die Fremdtanker wieder zurückzuholen. Aber so weit denkt keiner.

Rabatt ist schon, wenn die Steuern nicht steigen

Vor allem aber: Nur die Hälfte der 9 Milliarden Euro, die die Absenkung der Mehrwertsteuer den Fiskus kostet, wäre eine echte Steuersenkung – die andere Hälfte wäre nur ein Verzicht auf inflationsbedingte Mehreinnahmen. „Rabatt“ nennt Lindner neuerdings diese Rückgabe inflationsbedingter Mehreinnahmen; gerade so, als würde er dem Steuerzahler etwas nachlassen oder gar schenken – eine seltsame Verzerrung der Optik.

Eigentlich eine einfache Rechnung. Aber für SPD und Grüne gilt die Regel: Ein wenig Klassenkampf geht immer. Der Lösungsvorschlag sei „Unsinn“, sagt etwa SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Nur Mineralölkonzerne freuten sich über Steuersenkungen, „aber an der Zapfsäule bleibt alles wie gehabt“. Wie genau eine Mehrwertsteuersenkung zu einer „Entlastung von Konzernen“ wird, mochte er nicht näher begründen.

Seine Nachfolgerin als Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal will „bei der Spekulation ansetzen,“, um die Benzinpreisinflation zu stoppen. Welche Spekulation meint sie? Die des Finanzministers, der an steigenden Preisen mitverdient? Und die grüne Bundestagsvizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt nannte Lindners Vorstoß die „denkbar schlechteste Antwort auf die Preise“.

ARD und ZDF sprangen zur Seite; klar, wer kein Auto hat, würde nicht davon profitieren. Tagesthemen-Moderatorin Aline Abboud brachte die Mentalität des rotgrünen Haltungsjournalismus auf den Punkt: „Warum brauchen Menschen, die mit Autos für mehr als 50.000 Euro bei 180 km/h auf der Autobahn fahren, auch noch einen Tankrabatt?“

Gesucht: Umfassende soziale Kontrolle

Da ist er wieder, der Wunsch nach Limitierung von Luxus – zumindest bei anderen. Soziale Kontrolle möglichst über PS, Geschwindigkeit und Größe statt einfacher Steuersenkung. Wie wär’s mit Trabbi für alle und Wartburg nur für Bonzen? Dann wäre der Gleichheitsgrundsatz im Stehenbleiben endlich verwirklicht. Und klar, auch dann profitiert nicht jeder. Wer nicht fährt, soll trotzdem entlastet werden, so die krude Logik.

Mehr Bürokratie statt weniger Steuern
Die einstige Steuersenkungspartei FDP weigert sich, Steuern zu senken
Aber sollen Millionen von Pendlern für jene bezahlen, die zu Hause sitzen? Und natürlich bekommt der SUV- und/oder Dienstwagenfahrer sein Fett weg. Richtig daran ist nur, dass auch Heizen teurer wird – auch hier schlägt die neue CO2-Abgabe neben den steigenden Weltmarktpreisen voll durch. Nichts spricht dagegen, diese neu eingeführte Steuer auf fossile Brennstoffe sofort wieder zu streichen; die Gasrechnung oder Wärmerechnung würde sofort sinken. Warum noch sogenannte Lenkungssteuern draufschlagen, wenn die Preise ohnehin explodieren?

Die CO2-Steuer hat ihre Schuldigkeit getan, sie kann wieder verschwinden: Noch so ein einfacher Gedanke, der an der Gier des Staates scheitert. Und daran, dass Politiker sich gerne als Wohltäter aufspielen. Unisono fordern daher Politiker von Rotgrün eine sozial gestaffelte Entlastung. Wird also in Zukunft der Preis an der Tankstelle nach Vorlage der Einkommensbescheinigung festgelegt? 

„Bundesbenzin- und Dieselsteuerrabattbehörde“

Nun will Lindner also sein „Rabattsystem“ einführen, an dem schon der Name falsch ist: Weniger zahlen an der Tanke, und der Tankwart erhält das Geld vom Staat zurück. Also kommt vermutlich eine „Bundesbenzinsteuerrabattbehörde“, die die vielen Tankrabatte abrechnet. Vermutlich wird sie irgendwo in Nordrhein-Westfalen angesiedelt; dort ist Wahlkampf und die FDP kämpft um den Wiedereinzug in Parlament und Regierung. So will Lindner das Geld produktiv umlenken: in mehr Bürokratie. Statt an der Tankstelle zahlen die Bürger dann über höhere Einkommensteuern für die neue Behörde und ihre vielen Beschäftigten.

Das passt zum volkswirtschaftlichen Verstand des Ifo-Präsidenten Clemens Fuest: Wenn der Staat die Benzinsteuern senkt, geben die privaten Haushalte zwar erst einmal weniger für Benzin aus, erklärt er unwidersprochen in der FAZ. Das schaffe aber keine wirkliche Entlastung, eher eine Entlastungsillusion.

Wieso schafft der Verzicht auf inflationsbedingte Steuererhöhung eine „Entlastungsillusion“? Gibt es ein Naturgesetz, das immer höhere Steuern erzwingt? Möglicherweise muss eben der Staat seine Ausgaben an die Einnahmen anpassen. Aber dass Bürger vielleicht einfach ihre wirtschaftliche Aktivität und damit Steuerzahlerei einfach einstellen, wenn sie von Abgaben und Preisen erdrückt werden: Dieser Gedanke fehlt völlig. Klassenkampf, neue Volkswirtschaftslehre und unbedingte Dominanz des Staates: Auf die Idee, dass Mobilität kein Lustgewinn für gelegentliche Sonntagsfahrer darstellt, sondern Voraussetzung für Mehrwert und Arbeitsplätze ist – darauf kommt kaum jemand. Es wäre ja zu einfach gedacht.

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