Tichys Einblick
National-EU

EU-Wahl: Deutscher Sonderweg

Glaubt man deutschen Politikern, dann hat in Europa „Europa” gewonnen oder das, was sie für Demokratie halten. Schaut man sich die Zahlen, Wahlverhalten und die praktizierte Politik an, ist Deutschland in EU und Europa isoliert.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Was war das für eine „Europa”-Trubel in den vergangenen Wochen. In Deutschland. In Europa hat er nicht so gewirkt:

In Frankreich, dem nach Deutschland wichtigsten EU-Land was Einfluss und Wirtschaft ausmacht, siegt die „Europa”-Gegnerin Marine Le Pen vor dem braven Eubaguette Emmanuel Macron.

In Großbritannien, noch einige Zeit dabei, zerschießen die „Europa”feinde um Nigel Farrage die klassischen Volksparteien Tories und Labour.

In Italien triumphiert Salvini mit seinem Anti-„Europa”-Kurs.

In Belgien gewinnt eine Partei, die in Deutschland weit rechts von der AfD eingeordnet würde.

Stark sind die EU-kritischen Rechten auch in Tschechien und der Slowakei, in Polen und Ungarn  sowieso.

In Österreich verliert die SPÖ trotz der aus Deutschland gesteuerten Kampagne mit dem Strache-Video und gewinnt Sebastian Kurz, den man durchaus als realistischen Politiker verstehen kann (die FPÖ trifft es wenig).

Und in Deutschland? Wünscht sich der ARD-Kommentator einen grünen Kanzler. Eilfertig verspricht SPD-Vorsitzende Andrea Nahles die totale Übernahme des grünen Isolationskurses mit einem „Klimaschutzgesetz“ nachdem wir ja so erfolgreich wie sozialverträglich aus der Braunkohle ausgestiegen sind.

Erste Prognosen
EU-Parlament, Bremen-Wahl und Österreich: Lauter Denkzettel
Das wird zu ihrer Freude die tschechische, polnische und französische Energieexportmaschine anwerfen. Deutschland macht sich abhängig von Nachbarn, die es gleichzeitig beschimpft (wie Polen), als Kolonie betrachtet (wie Österreich) oder irrtümlich für Freunde hält, die sich allerdings wie Frankreich und Italien für einen neuen Partner entschieden haben, der nicht „Europa” heißt.
Wohin führt dieser Sonderweg?

Ja, es ist ein deutscher Sonderweg. Dass er in Deutschland nicht als Sonderweg erkannt wird, ändert nichts daran.

Aber was bedeutet das?

Dass Manfred Weber Kommissionspräsident wird, gilt als unwahrscheinlich. Gerade die kleineren Nachbarn einschließlich der Niederlande fühlen sich von der deutschen Besserwisserei und seinem Sonderweg schlicht genervt. Aber wer interessiert sich schon für Weber, an den Merkels Union ja selbst nie geglaubt hat und der ein reiner Zählkandidat war, um die CSU zum kuschen zu södern?

Die deutsche „Flüchtlingspolitik”, die nach wie vor auf einen weitgehend unkontrollierten und unbegrenzten Zuzug setzt, stößt in „Europa” mehr denn je auf Ablehnung; was allerdings keine rasend aktuelle Neuigkeit ist. Nur eine, die in Berlin nicht gesehen werden will.

Haltungsjournalismus
ARD für Grünen als Kanzler
Die von deutschen Politikern so inbrünstig geforderte Vertiefung der „Europa”politik endet nur darin, dass Deutschland sehr tiefe Taschen brauchen wird, um all diese Forderungen aus dem Süden zu befriedigen; denn Italien will ja keinen Italexit. Es will nur ein paar Gelder. Und zwar viel mehr und Salvini wurde dafür gewählt; die deutschen Politiker übrigens auch, allerdings auf der Zahler-Seite.

Geht das so unbegrenzt weiter? Wohl kaum. Was sich jetzt abzeichnet, hat der umstrittene US-Politologe Paul Kagan in einer Mischung aus Klarsichtigkeit und düsteren Zukunftsvision wie folgt beschrieben:

Zukünftig „könnten die Deutschen in einem weitgehend re-nationalisierten Europa leben, in dem Blut-und-Boden-Parteien der einen oder anderen Art die Regierungen aller führenden europäischen Staaten übernommen haben. Könnten die Deutschen unter diesen Umständen einer Rückkehr zu einem eigenen Nationalismus widerstehen? Würden deutsche Politiker nicht noch mehr als bisher unter Druck geraten, deutsche Interessen in einem Europa und einer Welt zu vertreten, in der alle anderen Staaten rücksichtslos ihre eigenen Interessen verfolgen?“

Das ist das neue „Europa”, dessen angeblicher Wahlsieg und seine Antworten auf alle Fragen so lautstark gefeiert wurde, um die Niederlage von CDU und SPD nicht allzu hässlich erscheinen zu lassen.

Die neue, alte Jugendbewegung

Außer bei den Grünen. Sie sind die Sieger und der pure Ausdruck des deutschen Sonderwegs. Sie führen in den Städten, vor allen Dingen aber bei den Jung- und Erstwählern sowie Studenten. Greta Thunberg ist ihre Ikone und Heilige, mit ihren hüpfenden Kindern hat sie den Sieg der Grünen massiv befördert, gefeiert von den öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihrem unterstützenden Trommelfeuer. Kinder und Jugendliche wollen wieder etwas glauben, sind voller Idealismus und beginnen, die Politik vor sich herzutreiben, die sich nur zu gerne treiben lässt. Die ihnen ja die Stichworte für den neuen grünen Kinderglauben geliefert hat: Dass Deutschland die Welt retten und das globale Klima gestalten könnte. Hochmut und Übermut sind wieder das neue Feldzeichen. Die Jugendbewegung, die schon in der Weimarer Republik das Land zu den Totalitarismen getrieben hat, sie ist wieder da und marschiert mit klingendem Spiel ins Morgenrot der Klimapolitik.

Mit den massiven Verlusten von SPD und CDU im EU-Parlament zu Gunsten der Grünen wurde im europäischen Maßstab eine Randbewegung gestärkt und die deutsche Position geschwächt. Er wird zur Spaltung Europas führen, der deutsche Sonderweg der Klima-Euphorie und der globalen Allmacht- und Belehrungsphantasien:  In Ost- und Südeuropa haben die Grünen z. T. nicht einen Sitz geholt; in Frankreich zwar überraschende 12 Prozent – aber in Schweden kräftig verloren.

Auch da machen die anderen nicht mit und bauen lieber Kern- und Kohlekraftwerke. Wie gesagt; verdienen kann ja jeder an den Deutschen in ihrem blinden Sonderweg namens Größenwahn. Unsere Nachbarn wissen schon, wie man damit umgehen muss.

Anzeige