Tichys Einblick
Die Rückkehr der "Staatsbürgerkunde"

Wie aus Bildung Indoktrination wird

Die unter Schülern in der DDR berüchtigte "Staatsbürgerkunde" kehrt zurück – nicht als eigenes Schulfach, sondern unausgesprochen und fächerübergreifend. Der kritische, mündige Bürger ist für die heutigen "Interpretationseliten" nicht mehr das Bildungsziel.

imago Images/Michael Weber

Am 4. November 1989 forderte die Schauspielerin Steffi Spira auf der großen Demonstration in Ostberlin im Rahmen der Friedlichen Revolution: „Nie wieder Staatsbürgerkunde!“ Ihr Wunsch hat sich nicht erfüllt, das Fach ist zurück als fächerübergreifender Konstruktivismus im Geist totalitärer Ideologie, wie der Kommunismus dank der westdeutschen Linken und Linksliberalen und des Versagens von CDU/CSU zurück ist, diesmal in Gestalt der klimaneutralen Gesellschaft. Statt Hammer und Sichel auf rotem Untergrund Lastenrad und Windrad auf Regenbogenfahne. Nicht kritische Bürger, sondern Gläubige einer zivilreligiösen Orthodoxie sollen in der Schule herangebildet werden, lastenradfahrende Bewohner eines auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik ausgedehnten Prenzlauer Bergs oder Kreuzbergs, inklusive Görlitzer Park.

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Der Totalitarismus der Linken und Linksliberalen – wobei Linksliberalismus inzwischen Liberalismus minus Freiheit ist – zeigt sich in ihrem Menschenbild. Nicht der kritische Bürger, der mündige Bürger, der vermöge seines Verstandes urteilt und handelt, sondern das sozialstaatsabhängige Indoktrinationsobjekt, das im grenzenlosen Vertrauen zu den „Interpretationseliten“, wie der Steinmeier-Biograph Lütjen die aktivistischen Medienschaffenden, die Agitatoren und Propagandisten linker und linksliberaler Weltanschauung nennt, ist Bildungsziel der Rotgrünen. Sie brauchen den finanziell und geistig abhängigen Menschen, der jeden Unfug glaubt und mitmacht. 

Um dieses Ziel zu verwirklichen, um kritisches Denken aus den Schulen und Universitäten zu treiben, haben Linke und Linksliberale kontinuierlich den Kultur-, Medien- und Bildungssektor erobert. Die historische Schuld der CDU/CSU als ehemals starker bürgerlicher Kraft besteht darin, dass sie diese feindliche Übernahme in der Zeit vor Merkels Kanzlerschaft zugelassen und in Merkels Zeit sogar noch unterstützt hat. Selbst die einst neutrale Bundeszentrale für politische Bildung wurde inzwischen zu einer Bundeszentrale für Staatsbürgerkunde, zum rotgrünen Propagandainstrument. 

Wenn CDU und CSU am 26. September die Wahlen verlieren und Deutschland sukzessive in eine Gesinnungsdiktatur stürzen sollte, dann trug das Versagen von CDU/CSU in den Bereichen Kultur, Medien und Bildung, in den „ideologischen Staatsapparaten“, wie Louis Althusser es nannte, entscheidend dazu bei. 

Die Rotgrünen benötigen keine Bildung, im Gegenteil, Bildung stellt eine Gefahr dar, denn Bildung stellt Diktatur in Frage. 

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Die Indoktrination in den Schulen läuft indessen auf Hochtouren. Fächerübergreifendes Lernen artet beispielsweise in klimaapokalyptischer Katechese aus, wenn Klima und Energie mit deutlich politischer, nicht naturwissenschaftlicher Zielsetzung in Physik und Geographie behandelt werden. Dass auf diese Weise man Luisa Neubauer einen Abschluss in Geographie zuerkennen konnte, wundert dann niemanden mehr. 

Das Fach Geschichte wird in Themen aufgelöst und der Chronologie beraubt. Wird den Schülern aber nicht mehr gelehrt, was wann und warum woraus hervorgeht und was gleichzeitig in der Nachbarschaft sich vollzieht, also nicht mehr Diachronität und Synchronität, dann hält man den Schülern – und zwar bewusst – die Möglichkeit vor, sich in der Geschichte und in der Gesellschaft zu orientieren. Man verhindert, was für die rotgrüne Ideologie tödlich wäre, dass Schüler die Fertigkeit des Erkennens von Kausalitäten erwerben. Wenn man im Geschichtsunterricht von der Reformation zur Französischen Revolution springt, dann übergeht man bewusst die Herausbildung des europäischen Staatensystems und die Entstehung der Demokratie, die eben auf dem mündigen Bürger beruht. Es lässt tief blicken, wenn im Geschichtsunterricht bei der Behandlung des Themas Revolution anhand der Französischen Revolution so relevante Fragestellungen diskutiert werden wie die Notwendigkeit einer Klimarevolution. 

Den fachlichen Verlust, die Indoktrination und die Durchsetzung eines neuen Geschichtsrevisionismus belegt bspw. das Deutschbuch für die Oberstufe des Cornelsen Verlages „Texte, Themen und Strukturen“. Dass die Worte Literatur und Sprache, gar deutsche Literatur und deutsche Sprache im Titel nicht vorkommen und auch nicht vorkommen sollen, zeigt die revisionistische Ausrichtung des Lehrbuches.

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Vorsichtig zwar noch, aber dennoch beginnt man in dem Buch in dem unsäglichen Artikel zu „Gesprächssituationen im Alltag – Kommunikationsmodelle anwenden“ zu gendern. Was da angewandt werden soll, ist klar. Orwell lässt grüßen. Insofern hat der Cornelsen Verlag recht, wenn er schon im Titel anzeigt, dass es in diesem Buch nicht um die deutsche Sprache geht. Verfolgt man diesen im Lehrbuch noch recht zaghaft begonnenen Weg weiter, hat man die deutsche Sprache durch ein rotgrünes Ideolgiewelsch ersetzt. Dabei setzt man auf eine biologische Lösung, die älteren sterben irgendwann und die jüngeren haben es nicht anders gelernt. 

Schaut man in den Literaturteil, fällt es schwer, sich vorzustellen, dass Literaturwissenschaftler und nicht nur Didaktiker des Deutschunterrichts, die so ziemlich das Gegenteil eines Germanisten darstellen, mitgewirkt haben. So wird als Musterbeispiel für expressionistische Prosa Franz Kafkas Erzählung „Ein Brudermord“  den Schülern offeriert. Das stellt einen – von übrigens mehreren – fachlichen Tiefpunkten dar, denn Franz Kafka hat mit dem Expressionismus so viel gemein wie Kaffeesatz und Satz des Pythagoras, nämlich nicht das geringstes. Statt den Text zu analysieren, sollen die Schüler „mögliche Handlungsmotive des Mörders“ „konstruieren“, also frei zusammenspinnen, wie es gerade dem Gefühl des Schülers entspricht. Das hat mit Struktur und Historizität des Textes, mit dem Werk, nicht das geringste zu tun. 

Wäre es nicht angemessen und notwendig, die Schüler zu lehren, genau den Text zu lesen und zu analysieren? Das würde aber bedeuten, dass die Schüler nicht Ideologie nachbeten lernen, sondern dass sie die Fähigkeit zur Analyse erwerben. Mit Blick allerdings auf die sprachlichen Möglichkeiten von Baerbock bis Esken versteht man, weshalb die Fähigkeit zur Analyse von Sprache staatsgefährdend werden kann. 

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Übrigens wird Analyse des Textes schon deshalb verhindert, weil sich nicht eine Frage auf die Struktur des Textes bezieht, bzw. die Struktur thematisiert – und  das, wo das Lehrbuch die in diesem Fall leeren Worte „Text“ und „Struktur“ sogar im Titel trägt. Aus Erzählperspektiven werden revisionistisch Erzählstrategien, wodurch man über das „Konstrukt“ zur Konstruktion kommt. Da der rotgrüne Totalitarismus gern die Gesellschaft konstruieren möchte entsprechend seiner Utopie, erfolgt hier bereits die Einübung in eine Utopie, die sich real als Dystopie erweisen wird. Nicht mehr die Welt, wie sie ist, in diesem Fall Text und Werk, sondern das Konstrukt, die Welt, wie ich sie konstruiere, wie ich sie gern hätte, wie sie in meinem Träumen oder in meiner Ideologie zu existieren hat, steht im Mittelpunkt. Das Ziel des Unterrichts hat dann folglich im Verlust an Wirklichkeit zu bestehen. 

Besonders deutlich wird der Revisionismus – und  damit der indoktrinäre Charakter des Lehrbuches -, wenn Heinrich Manns „Untertan“ unter der Überschrift „Demokratie ohne Demokraten – Eine Satire auf die wilhelminische Gesellschaft“ behandelt wird. Über die Triftigkeit des umstrittenen Begriffs „der Demokratie ohne Demokraten“ kann man gewiss verschiedener Auffassung sein, doch state of the art ist, dass er immer auf die Weimarer Republik angewandt wurde, um darzustellen, weshalb die Republik in die nationalsozialistische Diktatur kippte. Mit dem Kaiserreich hatte der Begriff gar nichts zu tun, doch steht hier der Versuch dahinter, das liberale Kaiserreich für diesen Sturz verantwortlich zu machen, mehr noch, wahlweise Martin Luther oder das deutsche Kaiserreich von 1871 zu Ausgangspunkten für den Sturz in den Nationalsozialismus zu stilisieren, um auf diese Weise die deutsche Geschichte als langen Vorlauf zum Nationalsozialismus hin zu interpretieren. Und wie schon bei Kafka zu beobachten stand, wird auch hier auf eine Analyse des Textes verzichtet. Statt dessen soll der Schüler „sich in die Lage eines Zeitungsreporters, der Heßlings Verhalten während des Staatsbesuches beobachtet hat“ versetzen und diese Verhalten in einer „Reportage“ „beschreiben“ und „kommentieren“.

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Doch als Reporter welcher Zeitung im Kaiserreich weilt der Schüler in Rom,  aus welcher Haltung heraus beobachtet und kommentiert er? Mit welcher Ausrichtung: Berliner Tageblatt oder Simplicissimus? Oder soll der Schüler sich anachronistisch als Reporter der WELT, der taz, der FAZ oder des Neuen Deutschlands empfinden? Soll er nur wieder fühlen? Fühlen, was die herrschende Meinung von ihm verlangt? Kenntnisse über das Kaiserreich benötigt er nicht, denn ihm hat die Klippschule der Ideologie aus dem Cornelsen Verlag bereits mitgeteilt, dass er es hier mit einer Demokratie ohne Demokraten zu tun hat. Doch wie, wenn es eben nicht die Figur eines Diedrich Heßlings ist, die zum Nationalsozialismus führt, wie man bspw. aus der Erzählung „Der Vater eines Mörders“ von Alfred Andersch lernen kann? Aus der deutschen Literatur eben – und nicht aus Konstruktionen fragwürdiger Didaktiker?

Rotgrüne Bildungspolitik leistet zur Realisierung einer Gemeinwohldystopie ihren Beitrag, indem sie Inhalte aus der Schulbildung entfernt und an einem einzigen Fach namens Staatsbürgerkunde arbeitet, wie man an dem Buch des Cornelsen Verlages besichtigen kann. 

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