Tichys Einblick
Des grünen Kaisers neue Kleider

Uniper und die Gasumlage: Klimaminister Habeck ist blamiert

Die Energiekrise und speziell der Pfusch der Gasumlage zur Uniper-Rettung entlarven das ganze Ausmaß des Scheiterns von Robert Habeck und der Energiewende. Weil die Krise politisch verursacht ist, wäre sie durch beherztes Handeln abzuwenden – wenn der Kanzler das wollte und könnte.

Klausurtagung auf Schloss Meseberg der Bundesregierung, Annalena Baerbock und Robert Habeck, 30.08.2022

IMAGO / Frank Ossenbrink

Der angeschlagene Gasversorger Uniper gestand gestern ein, dass das Unternehmen die gesamte Kreditfazilität der staatlichen Förderbank KfW in Höhe von neun Milliarden Euro „vollständig ausgeschöpft“ habe und kurzfristig vier Milliarden Euro benötige, um liquid zu bleiben. Und bei den vier Milliarden wird es nicht bleiben.

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Dass sich Robert Habeck mit seiner Gasumlage von Uniper über den Tisch ziehen ließ zum Nachteil der deutschen Bürger, ist schon mehr als ein offenes Geheimnis. Uniper gehört mehrheitlich dem finnischen Konzern Fortum, bei dem der finnische Staat Mehrheitseigner ist. Übrigens gehört zum Aufsichtsrat von Fortum der frühere FDP-Minister Philipp Rösler. Darauf können sich die Mitglieder der politischen Klasse verlassen, ganz gleich, welchen Pfusch sie auch anrichten: Wenn sie nicht aus der Reihe tanzen, findet sich immer ein lukratives Versorgungsplätzchen für sie.

Dass sich Fortum oder der finnische Staat in geeigneter Weise an der Konsolidierung von Uniper beteiligen, steht nicht in Sicht. Die finnische Regierungschefin tanzt lieber weiter, genießt ihr Leben und pfeift auf die „europäische Solidarität“, die ohnehin nur eine Fiktion darstellt, denn alle bis auf deutsche Politiker wissen, dass Staaten keine Gefühle, sondern nur Interessen haben.

Zur Rolle Finnlands weiß der Business Insider: „Einen Einstieg Deutschlands bei Uniper sahen auch die finnische Regierung und der finnische Mehrheitseigentümer Fortum kritisch. Denn beide sorgten sich um ihre bisherigen Milliardeninvestitionen.“ Ferdinand Knauss hat in einem Beitrag auf TE geschrieben:

„Habeck erscheint also als jemand, der sich von Konzern-Lobbyisten (inklusive der finnischen Regierung) hat beeinflussen lassen. So was mag man unter Grünen nicht gerne. Wohlwollend betrachtet handelt es sich um Naivität oder Pfusch des Ministers und seiner Ministerialbeamten. Habeck selbst musste das einräumen, indem er eine Korrektur des eigenen Entwurfs ankündigte, die verhindern soll, dass die falschen Unternehmen profitieren. Mit Formulierungen wie ‚deswegen muss man jetzt hart an dem Problem arbeiten‘ kann er die Blamage nicht kaschieren. Vom ‚Wortgewaltigen‘ (Spiegel-Autor Dirk Kurbjuweit über Habeck) ist da nichts mehr übrig. Wäre Habeck nicht bei den Grünen, sondern bei der FDP, würde auch der Spiegel ihm vermutlich vorwerfen, was man Finanzminister Christian Lindner unterstellt: ‚unsoziale Prioritäten‘.“

Uniper spricht davon, dass sich die Gaspreise mehr als versechsfacht haben. Dadurch schlagen bei Uniper täglich weit über 100 Millionen Euro am Tag zahlungswirksame Verluste zu Buche. Javier Blas, Energiemarktexperte bei Bloomberg, rechnet damit, dass in den kommenden 24 bis 48 Stunden mehr Staatshilfen nötig sein werden, um die Zahlungsfähigkeit der europäischen Energieversorger abzusichern. Laut Welt gesteht das Habeck-Ministerium inzwischen ein, dass „frühere Annahmen zu Liefermengen und Gaspreisen … sich inzwischen als falsch erwiesen“ hätten. Teure Beamte, die die Realität nicht sehen wollen, oder eine politische Führung, die ihren Beamten nicht rät, die Realität zu sehen? Wie führt Robert Habeck eigentlich sein Ministerium? Wie der Kaiser in Andersens Märchen?

Jeder kennt die vielleicht genialste Parabel, die je von einem Schriftsteller ersonnen wurde, nämlich das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, von Hans Christian Andersen. Robert Habeck sollte dieses Märchen kennen. Kennen heißt jedoch noch nicht, es auch zu verstehen, denn das würde bedeuten, das Märchen als Menetekel zu lesen: gewogen und für zu leicht befunden.

Gasumlage als Rohrkrepierer
Robert Habeck: Der „Wortgewaltige“ entpuppt sich als Pfuscher
Immer deutlicher wird, dass die Habeck-Umlage nur ein Ablenkungsmanöver darstellt – und ein ziemlich dreistes obendrein. Man hatte sich schon gewundert, weshalb nur die Gaskunden belastet werden sollten, und man die anscheinend erforderlichen Mittel nicht aus dem Steueraufkommen entrichtete. Die Wahrheit lautet jedoch, dass Letzteres bereits indirekt geschehen ist über die staatliche KfW. Die Gasumlage kommt jetzt noch obendrauf in dieses Fass ohne Boden.

Um das ganze Ausmaß des Desasters zu verstehen, ist es notwendig, einen kurzen Blick auf den Regierungspfusch aus Gründen des Ideologierausches zu werfen. Die Grünen und die ihnen dienenden Medien befürworten einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Auf einen Wirtschaftskrieg kann man sich durchaus einlassen, wenn man auch genau weiß, worauf man sich einlässt und wie man ihn deshalb folglich zu führen hat.

Baerbocks kenntnisfreie Großsprecherei, die sich des Applauses grüner Parteitage und ergrünter Medien sicher sein durfte, schadete Deutschland massiv. Aber kann man ihr in letzter Konsequenz den Vorwurf machen, Adenauers weise Grundmaxime übersehen zu haben, wonach man das schmutzige Wasser nicht auskippen darf, bevor man neues hat? Schließlich hat selbst die Operettenopposition der CDU unter Friedrich Merz die Weisheit des „Alten“ so gründlich vergessen, wie sie sich als Partei vergessen hat.  

Gasumlage zur Rettung von Uniper & Co
Das Milliardengeschenk für Uniper oder planlos in die Planwirtschaft
Ohne zu wissen, womit sie die russischen Liefermengen an Erdgas, übrigens auch an Erdöl, ersetzen will, tönte Annalena Baerbock in Riga, dass sie kein russisches Erdgas und kein russisches Erdöl mehr haben wolle. Man möchte schließlich ohnehin, säuselte ihre Ideologie, aus den fossilen Energieträgern aussteigen, besser gestern als heute. Und außerdem, sekundierte der Energieminister, haben wir ja kein Strom-, sondern ein Wärmeproblem. Inzwischen droht auf dem europäischen Strommarkt ein Pleitetsunami, denn die Großhandelspreise für Elektrizität sind auf über 1000 Euro pro Megawattstunde gestiegen. Na Alter, dürfte der „wortgewaltige“ Robert Habeck (Dirk Kurbjuweit im Spiegel) gedacht haben, ein dicker Pullover und ein Waschlappen tun es auch für Dich. Man könnte ja im Entlastungspaket eine Waschlappenpauschale für Geringverdiener einrichten, damit der sozialen Gerechtigkeit genüge getan wird. Schließlich, so der Vetter aus Dingsda von der Operettenopposition CDU, könne der Staat nicht allen helfen, es ist besser, einige bekämen 1000 Euro, anstatt alle 300 Euro. Oder, um im Bild zu bleiben, einige bekommen 10 Waschlappen, anstatt alle einen. 

Wozu führte dieser Ideologiewandel, dieser Dystopien-Somnambulismus? Man stürmte zwar in den Wirtschaftskrieg, vergaß aber nicht nur, Deutschland dafür aufzurüsten, sondern rüstete Deutschland im gleichen Moment sogar noch ab. Staatskunst vom Feinsten also. Strategisches Denken? Fehlanzeige. Die Laufzeiten der AKWs wurden nicht verlängert, geschweige denn, dass andere AKWs hochgefahren worden wären. Schließlich, so Habeck schon 2016, sind wir ein Energiewendeland, Energieendeland träfe es genauer. Die Bestimmung zum Hochfahren der Kohlekraftwerke wurde allzu kompliziert und unhandbar gestaltet, vor allem wurde sie zeitlich limitiert. Für die Betreiber von Kohlekraftwerken steht der Aufwand zum Anfahren der Kraftwerke in keinem Verhältnis zur Betriebszeit. Deshalb wurde bis jetzt auch nur ein einziges Kohlekraftwerk zusätzlich in Betrieb genommen. Stattdessen wurde im Juli mehr Gas verstromt als jemals zuvor, so viel, dass wir mit unserem teuren und letztlich raren Gas auch Strom für Frankreich herstellten. Aus europäischer Solidarität natürlich. Während die Energiepreise, Gas und Strom, in Deutschland für den Verbraucher explodieren, deckelt ab September die französische Regierung die Strompreise für die französischen Privathaushalte. 

Feixte nicht Robert Habeck noch zu Beginn seiner Regierungszeit, dass die Energiewende die Deutschen sehr viel Geld kosten wird. Wenigstens hierin hat er Wort gehalten, es wird wirklich sehr teuer, und zwar katastrophal teuer. 

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Weil Robert Habeck von Deutschland als Paradies der sogenannten erneuerbaren Energien träumt, zeigte er sich in den Verhandlungen mit Katar, mit Norwegen und mit Kanada auch nicht bereit, sich auf längere Vertragslaufzeiten einzulassen. Das Ergebnis: Deutschland wird weder aus Katar, noch aus Norwegen zusätzlich, noch aus Kanada LNG bekommen. Weder ist die deutsche Energieversorgung kurz- noch mittelfristig gesichert. Weil man außenpolitisch nicht behutsamer in Fragen der Erdgasversorgung war, weil man außerdem mehr Erdgas zur Verstromung einsetzen muss, sich weigert, die AKWs hochzufahren, und die Kohleverstromung praktisch verhindert, sind nun Strom und Gas äußerst knapp und explodieren deren Preise.

Da Putin nun die deutsche Außenministerin, die so schnell wie möglich kein Gas mehr aus Russland haben möchte und auch nie wieder welches abnehmen würde, beim Wort nimmt, hat Russland die vertraglich zugesicherte Liefermenge auf 20 Prozent reduziert. Und Russland hält überdies noch eine besonders hübsche Demütigung für Deutschlands Regierung parat, nämlich den Hinweis auf die ungenutzte Pipeline Nord Stream 2, man müsse es nur wollen, schließlich resultiere die Reduktion des Gastransfers in Nord Stream 1 nur aus technischen, nicht aus prinzipiellen Gründen. So durchsichtig Putins Poker auch ist, so wirkungsvoll ist er, und wird mit jeder Erhöhung der Gas- und Stromrechnung wirkungsvoller.

Bereits Merkel und ihre wackere CDU/SPD-Regierung haben Deutschland in Putins Falle getrieben, Baerbock und Habeck haben nur noch die Falle, in der wir sitzen, von innen verriegelt und verrammelt. Durch die Reduktion der russischen Lieferungen von Erdgas müssen nun Unternehmen wie Uniper die fehlenden Mengen kurzfristig am Spotmarkt einkaufen. Das aber treibt die Gaspreise noch höher. Die Bundesregierung setzte eine Spirale in Gang, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Jeder weiß, dass es teuer wird, wenn man aus Not und unter Zeitdruck kaufen muss. 

Um aus der selbstverschuldeten Not zu kommen, will Habeck die Kosten für seine illusionäre Politik auf die deutschen Familien abwälzen, die deutschen Bürger ausplündern, während die deutsche Regierung 10 Milliarden Euro nach Indien verschenkt. Da nehmen sich die 340 Millionen Euro für die PLO geradezu wie ein Klacks zur Belohnung für antisemitische Äußerungen im Beisein des Bundeskanzlers aus. Und war es nicht Scholzens Genosse Heiko Maas, der sich über Trumps Warnung, sich von Russland abhängig zu machen, einst selbstgefällig lachend rekelte? Und was ist mit den Milliarden, die der deutsche Staat letztlich für Genderkommissare, für NGOs als Hilfstruppen und für die geförderte Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsysteme ausgibt?

Nun fürchtet Robert Habeck den Zusammenbruch des deutschen Energiesystems – zurecht. Bereits 2016 hatte er öffentlich schwadroniert, aus Deutschland einen riesigen Windpark machen und russischem Erdgas und russischem Erdöl Valet sagen zu wollen, weil wir ein „Energiewendeland“ sind. Stimmt, der Wind hat sich gedreht, Energie wird zur teuren Mangelware.

So gesehen dürfte sich Robert Habeck eigentlich in der Stunde seines Triumphes wähnen, wenn nur die lästige Realität nicht wäre. Deshalb bleibt Habeck nur zu kraftmeiern: „Wir werden diejenigen Versorgungsunternehmen, die darauf angewiesen sind, auf jeden Fall mit der nötigen Liquidität versorgen. Deshalb wird es am Energiemarkt keine Kettenreaktion wie jene nach dem Untergang der Investmentbank Lehman Brothers zu Beginn der Welt-Finanzmarktkrise geben.“

Das Problem, was Habeck nicht begreift, besteht darin, dass er es hier nicht – wie damals Merkel und Steinbrück – mit einem Problem der Spekulation zu tun hat, das man mit Psychologie lösen kann. Es besteht ein fundamentaler Unterschied darin, ob man einen Ansturm der Kontoinhaber auf ihre Banken verhindern will oder man real entstehende Energieengpässe managen muss: Man kann Menschen nicht so leicht daran hindern, das Licht oder den Herd oder den Computer anzustellen, wie man Menschen überzeugen kann, ihr Geld dort zu lassen, wo es die ganze Zeit liegt, nämlich auf ihrer Bank. Habecks Vergleich mit der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahre 2008 ist eine rhetorische Luftnummer. Der schiefe Vergleich verfehlt die Wirklichkeit, weil das Tertium comparationis, der Vergleichspunkt fehlt.

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Will der Bundeskanzler seiner Verantwortung gerecht werden, kann er eigentlich nur Robert Habeck und seinen Staatsekretär Patrick Graichen, die beiden Herren des Desasters, entlassen und die Energiekrise zur Chefsache erheben. Er sollte sich von der Klimaapokalyptik verabschieden und endlich Realpolitik machen. Der Kindergarten muss aufhören, wenn das Land nicht zu Grunde gehen soll. Es ist fünf nach zwölf. Deutschland kann sich keine traumtänzerische Politik mehr leisten. Hoffnung besteht allerdings, weil die Krise subjektiv verursacht ist, also auch durch beherztes Handeln abzuwenden wäre. Doch sie erfordert wahrscheinlich Politiker von anderer Statur, als Olaf Scholz es ist. 

Die Hyperinflation von 1923 wurde durch zwei Maßnahmen behoben, erstens durch die Beendigung des „Ruhrkampfes“, durch den Realismus, den die Nationalsozialisten als „Erfüllungspolitik“ verunglimpften, und durch eine Währungsreform. Auf unsere Zeit angewendet, bedeutet das, erstens über den Wirtschaftskrieg und die Sanktionen nachzudenken und zweitens die Wende zur Energiewende einzuleiten. Drittens wird es nicht geben.