Tichys Einblick
Merkelland IV

Trotz Schlüsselfinders weiter links herum gedreht

Er druckst herum, also muss ich raten. Bei der Partei Die Linke bin ich endlich am Ziel. „Ach, die habe ich doch immer schon gewählt.“ Na ja, wenn zwei Kleine ausfallen, weil sie Juniorpartner werden wollen, dann blieben ja nur noch zwei über.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Familienvater, 49, zwei Söhne im schulpflichtigen Alter. Ein Internetspezialist. Sportlich, Trekkingradfahrer, Seat Leon für die Familie. In Kombination mit seinem Grafikerdiplom ist er für seinen Arbeitgeber, eine örtliche Agentur, schon seit Jahren ziemlich unersetzlich. Privat hat er immer neue, bisweilen, skurrile Projekte am Kochen.

Merkelland Exkursion 3
Mir würde das Abwahlrecht reichen
Neulich rief er an mit einer neuen Idee, einem Türschlossaufsatz aus Gummi, der wohl so eine Art „geniale Einfädelhilfe“ für alte Leute sein soll. Er hätte schon Zeichnungen und in China könne man diese Dinger samt „Blisterkarte“ für einen “Appel und ein Ei“ produzieren lassen, hätt er schon recherchiert. Er wäre darauf gekommen, als er gesehen hätte, wie mühsam seine alte Nachbarin versucht hätte, immer wieder mit zittrigen Händen ihre Tür aufzuschließen. Nun ist gegen so eine Einführhilfe nichts zu sagen, aber sein Anruf klingt, als suche er einen Partner, der die Sache mitfinanziert, also lenke ich schnell ab und frage ihn, was er denn wählen würde, ich selbst sei noch unentschlossen.
Schon immer links

Er druckst herum, also muss ich raten. Bei der Partei Die Linke bin ich endlich am Ziel. „Ach, die habe ich doch immer schon gewählt.“ Er hätte sogar mal in einem schwachen Moment ernsthaft in Erwägung gezogen, dieses Mal AfD zu wählen, aber er möchte nachher nicht schuld sein, wenn was schief geht. Die Linken immerhin würden meinen was sie sagen. „Ehrlichkeit!“, sagt er lauter, das wäre doch in der heutigen Zeit fast schon eine Seltenheit geworden. Dann fängt er noch einmal mit seiner Schlüssellochgummierung an, dass er noch über das Material nachdenken würde, das müsse ja elastisch sein, das müsse nachgeben, schon wegen der Schlüsseldrehbewegung, aber ich bleibe dran.

Er denkt kurz nach und meint: „Ok, ich glaube ja, dass diese Wahl wichtiger ist, als viel glauben.“, „Warum?“, hake ich nach, erzähle im auch, dass ich Interviews für TE mache, ihn aber namentlich nicht erwähne. Wichtiger, meint er, weil die Aufgaben der nahen Zukunft so groß seien. „Und Merkel wird doch eh gewählt. Entweder regiert sie mit den Grünen oder der FDP, je nach dem, mit wem es zur Mehrheit reicht.“ Möglicherweise für beide Optionen, glaubt er, würde aber darauf keine Wetten abschließen wollen.

Merkelland Exkursion 2
Die Grünen: Einsatz für alle Menschen
Was das nun mit den Linken zu tun hätte. Na ja, wenn zwei Kleine ausfallen, weil sie Juniorpartner werden wollen, dann blieben ja nur noch zwei über. Ich solle doch mal ehrlich abwägen, wen ich mit besserem Gewissen mit meiner Stimme stärken möchte. „Willst Du die, die schon in der Opposition sind oder die große Unbekannte von rechts?“ Was er von der Idee halte, einmal frischen Wind hineinzublasen in den Reichstag, frage ich nach. „Frischen Wind ausgerechnet durch die AfD? Wie konstruktiv schätzt Du ein, was die da leisten werden? Wach auf, die Landtage haben doch gezeigt, dass die hauptsächlich stören, sonst gar nichts.“ Ich interveniere, man könne ja nur so gut arbeiten, wie man gelassen wird. Das lässt er aber nicht gelten.
Links für Menschlichkeit

Wie er zum Migrationsproblem stehen würde, frage ich weiter. „Ach, ich kann diese ganze Hetze nicht mehr hören.“, erregt er sich. Das könne doch nicht sein, wie ekelhaft der Ton da umgeschlagen sei. Er hätte nicht für möglich gehalten, was er da teilweise zu lesen bekäme von Freunden. Er könne mir ja mal ein paar Memes schicken. Damit meine er diese Bilder mit kurzen Textzitaten, Aphorismen oder Sinnsprüchen, die gerne über die sozialen Medien die Runde machen, erklärt er auf Nachfrage. Er liest welche vor: „Die Indianer konnten die Einwanderung nicht stoppen. Nun leben sie in Reservaten.“, dazu gäbe es ein Bild von Sitting Bull. Oder „Vaterland oder Tod! Che Guevara würde AfD wählen.“ Er liest weitere vor, die man hier aber nicht zitieren kann. Ich verkneife mir einen Lacher.

Merkelland Exkursion 1
Angela Merkel: Mehr geht eben nicht
Ob er denn wirklich aktuell keine Probleme sehe. Rückfrage von ihm, ob ich denn eines sehe, wir würden doch in der gleichen Stadt leben. Die Probleme mit der Zuwanderung empfände er mittlerweile als weitestgehend gelöst. „Die Lager sind leer, die Leute längst untergebracht.“ Nun ginge es doch nur noch um die Qualität und den Aufwand für die Integration. „Wenn da jetzt von rechts unkontrolliert reingestochen wird, das ist doch nicht mehr kalkulierbar!“, weiß er. „Ein Wespennest!“, entfährt es ihm noch.

Außerdem hätte er die Linke bisher immer gewählt, das würde es ihm leichter machen, gibt er zu. Damit hätte er halt gute Erfahrungen gemacht. Ob seine Frau das so sehe wie er? Dazu weiß er nicht viel zu sagen. Politik sei nicht so ein Thema zu Hause. Da wolle er auch kein Fass aufmachen. „Wozu auch?“ Vielleicht wählt sie ja FDP wegen der Lindner-Plakate, lacht er ins Telefon. Im Übrigen solle ich doch mal überlegen, wo wir herkommen. Wir hätten doch eine ähnliche Sozialisation erfahren.

Wenn er sich Deutschland in fünfzehn Jahren vorstelle, wolle er sich beim besten Willen nicht ausmalen, was die AfD da Positives beigetragen hätte. Die Linke hingegen verstehe er als Regulativ. Die seien im Zweifel immer für Menschlichkeit, was er von der AfD nicht glaubt, die würden sich im Moment nur gegen Menschen aussprechen. Das wäre deren Programm. Und gegen etwas zu sein, wäre bei ihm nie im Leben gegen Menschen gerichtet gewesen, sondern wenn, dann höchstens gegen falsche Ideen. „Und die gab es doch wohl genug, oder?“

Ob er sich nicht lieber ein paar effektivere Alarmanlagen ausdenken wolle, anstatt so eines Schlüsselfinders für Rentner, frage ich abschließend etwas bissig. Im Übrigen fände ich, dass passe schlecht zusammen, eine Arbeiterpartei zu wählen, aber die Produktion seiner komischen Ideen wie selbstverständlich nach China auslagern zu wollen. Aber das lacht er einfach weg und verabredet sich auf ein Bier die nächsten Tage, er würde dann die Zeichnungen mitbringen, ich würde schon sehen. Diese Idee wäre Gold wert, weiß er genau.