Tichys Einblick
Panik vernebelt den Blick

Söder versemmelt die Wahl

Mit den Grünen, mit denen man bereits einen Regierungskurs ins Auge fasste, begann die CSU zu kuscheln. Die Botschaft, die Markus Söder damit aussendet, ist verheerend: Hauptsache ich bleibe Ministerpräsident, gern auch in einer Koalition mit den Grünen.

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Wie man aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen kann, zeigt nicht nur die SPD im Bund, sondern auch die CSU in Bayern. Über die SPD in Bayern nachzudenken, lohnt sich nicht, denn die sinkt langsam unter die Wahrnehmungsgrenze. Demokratietheoretisch ist es eigentlich zu begrüßen, wenn Parteien, die lange an der Macht waren, zur Erneuerung in die Opposition geschickt werden. Das setzt allerdings ein funktionierendes Parteiensystem voraus, das auf der Unterschiedlichkeit und Unterscheidbarkeit der Parteien beruht. Doch immer häufiger erscheinen SPD und CDU als Fußnoten der Grünen.

In neun Tagen wird in Bayern gewählt und die Zustimmung zur CSU und zum Ministerpräsidenten Markus Söder scheint wie Eis in der Oktobersonne zu schmelzen. Die letzte Umfrage taxiert die CSU bei noch vor wenigen Tagen undenkbaren 33 % der Wähler, die ihre Stimme der CSU geben würden. Sicher, noch nie galt größere Skepsis Umfragen gegenüber als Heute und in Bayern.

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Erstens sind über 50 % der Wähler noch unentschlossen, wen sie wählen wollen. Das ist allerdings für die CSU und für die SPD ganz und gar nicht tröstlich, weil es die Möglichkeit eines last-minute-switch beinhaltet, dass sich nämlich Wähler der beiden Parteien in der Wahlkabine für die AfD oder die Grünen entscheiden. Zweitens scheint durch die Interpretation der Umfragen ein gewisses politisches Interesse durchzuschimmern, sollen Umfrageergebnisse Stimmungen erzeugen und verstärken. Sie werden zur Propaganda der in Teilen parteiischen Medien.

Unverkennbar ist in den letzten Monaten die Tendenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der großen Zeitungen, die Grünen hochzuschreiben. Zum einen haben die Mehrzahl der Medienschaffenden die SPD abgeschrieben und die Regierungsbeteiligung der Grünen zu ihrem Projekt erhoben. Sie wollen es dem dummen Volk geradezu bis in die Wahlkabine hineindiktieren, dass sie ihr Kreuz bei den Grünen zu machen haben, wenn sie weiterhin als anständig gelten und zu den Siegern gehören möchten.

Zum anderen besteht ein großes Interesse der rot-grünen Medien, den nur mäßigen Widerstand der CSU gegen die Merkelsche Politik ein für alle mal zu brechen. Dem bayrischen Löwen soll ein Maulkorb verpasst werden.

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Der Bundeskanzlerin Angela Merkel käme eine krachende Niederlage der CSU und eine schwarz-grüne Regierung in München ohnehin sehr gelegen und würde ihre Pläne, sich im Dezember als Parteivorsitzende wiederwählen zu lassen, befördern. Sie scheint die erste Parteivorsitzende zu sein, deren Macht das Desaster der eigenen Partei noch verstärkt. Freilich, auch hier geht der Krug nur solange zum Brunnen, bis er bricht. Nach dem erwartbaren Debakel der CSU in neun Tagen werden Merkels Getreue in den Medien unterstützt von den Grünen die Botschaft ins Land tragen, dass man nur verliert, wenn man die an sich vernünftige Politik der großen Bundeskanzlerin kritisiert oder gar gegen sie opponiert.

Dass die in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz wahlkämpfenden Guido Wolf und Julia Klöckner die Wahlen verloren haben, weil sie treu die Merkellinie verteidigt und erst kurz vor Toresschluss in einer Art Panik sich kritischer zur großen Parteichefin positioniert haben, wurde von den meisten politischen Kommentatoren wahrheitswidrig ausgeblendet. Die Wahrheit ist jedoch, dass den kritischen Schwenk in die andere Richtung die Wähler ihnen einfach nicht mehr abgenommen haben, er kam zu spät und zu inkonsequent.

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Für die CSU ist das Bild, das in den Meinungs- und Wahlumfragen von ihr gezeichnet wird, verheerend und ausgesprochen schädlich, denn selbst, wenn es nicht die Realität korrekt wiedergibt, entsteht immer stärker der Eindruck, dass die CSU sich im freien Fall in der Wählergunst befindet. Sie riecht nach Niederlage, was dazu führen kann, dass sich Wähler von ihr abwenden, weil sich Menschen nun mal von Trends beeinflussen lassen. Niemand will zu den Verlierern gehören. Der Anschein, der von der CSU erweckt wird, ist für die Partei gefährlich – und sie hat dem nichts entgegen zu setzen, sie hat weder ein Ass in der Hinterhand, noch im Ärmel. Daran trägt der bayerische Ministerpräsident die Hauptschuld, auch wenn man die nach einem Wahldebakel Horst Seehofer zuschieben wird.

Das Stichwort für Söders Fehler lautet Unstetigkeit. Der Wähler weiß nicht, wofür Markus Söder steht. Da befindet er sich in der Gesellschaft von Guido Wolf und Julia Klöckner. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt konnte entgegen des Bundestrends sich behaupten, weil er von Anfang an seiner Merkel distanzierten Linie treu geblieben war.

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Im Frühjahr gab Markus Söder den Konservativen und führte das Kreuz in den bayerischen Amtsstuben ein. Den Migrationsplan von Horst Seehofer unterstützte die CSU mit lauten, zuweilen zu lauten Kommentaren. Als es dann zum Showdown mit der Bundeskanzlerin kam, verließ die CSU-Oberen der Mut und der Parteivorstand ließ Horst Seehofer im Regen stehen, so dass nach gesichtswahrenden Kompromissen gesucht wurde. Markus Söder wich von seiner Wahlkamplinie ab und versuchte, nun den Liberalen zu geben.

Nicht nur mit Blick auf Bayern hätte die CSU die Konfrontation mit der Bundeskanzlerin aushalten müssen, selbst um den Preis, dass die Koalition in Berlin geplatzt wäre. Was die Koalition wirklich wert, wie porös sie ist, hat man Tage später in der Causa Maaßen gesehen. Damit nicht genug, ließ man Seehofer in Berlin im Stich, auch in der Causa Maaßen, wo sich Seehofer eindeutig im Recht befand, verstieg sich sogar noch in einen Wahlkampf gegen die AfD und machte sich so zum Wadenbeißer der Grünen. Mit den Grünen, mit denen man bereits einen Regierungskurs ins Auge fasste, begann die CSU zu kuscheln. Die Botschaft, die Markus Söder damit aussendet, ist verheerend: Hauptsache ich bleibe Ministerpräsident, gern auch in einer Koalition mit den Grünen.

Wenn man soweit geht, geht man bald nicht mehr, sondern wird nur noch gestoßen. Und exakt in diesem Zustand befindet sich die CSU, sie hat sich ohne Not in die Situation begeben, getrieben zu werden.

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Eigentlich müssten alle Alarmsignale angehen, dass zum ersten Mal seriös die Verdrängung der CSU von der Macht in die Diskussion kommt. Der FDP-Chef Christian Lindner schließt eine Regenbogenkoalition von Grünen, SPD, Freien Wählern und FDP nicht aus. Die Umfragedaten geben das her. Allerdings lehnen diese Koalition die Freien Wähler ab. Dass auf die FDP in Bayern kein Verlass ist, zeigt sich, wenn die Jungen Liberalen gemeinsam auch mit der Antifa zur Großdemonstration in München aufrufen. Es geht nicht darum, dass man sich zufällig in einer Demo mit Extremisten befindet, was ja anderen vorgeworfen wird, die sogar noch ermahnt werden, genau darauf zu achten, mit wem sie „mitlaufen“, als ob das in einer großen Demo immer so eindeutig feststellbar ist. Nein, die Jungen Liberalen demonstrieren nicht nur Seite an Seite mit der Antifa, sie rufen sogar in einem gemeinsamen Aufruf mit der Antifa, mit Extremisten zur Großdemo gegen die CSU auf. Weniger Liberalismus war nie in der FDP, aber die FDP ist ohnehin keine liberale Partei.

Markus Söder und die CSU stehen allein. Allein gegen die anderen Parteien, allein gegen die Medien, allein gegen den Trend, den sie sogar noch befeuern, weil sie für den politischen Gegner Wahlkampf machen. Eine Chance, das Blatt zu wenden, haben sie eigentlich nicht mehr, weil sie in der Unzuverlässigkeitsfalle stecken. Sie haben die Wahl an dem Tag verloren, als sie ihren Parteivorsitzenden als Bundesinnenminister im Konflikt mit der Bundeskanzlerin fallen ließen. Vielleicht reicht es noch für eine Koalition mit den Freien Wählen, die von der Skepsis, die CSU-Wähler angesichts der Beliebigkeit, des Unsteten der Partei, profitieren könnten. Vielleicht geht die CSU ein Bündnis mit den Grünen ein, was Söder und Co. über die Runden rettet, aber der CSU mittelfristig extrem schaden würde, der CDU übrigens auch, denn sie nähert sich der Implosion. Vielleicht tritt tatsächlich das Unwahrscheinliche einer Regenbogenkoalition ohne CSU ein, undenkbar ist es nicht mehr. Die CSU wird unter Söders Führung zum tänzelnden Löwen. Jetzt allerdings ist er auf Glatteis geraten.