In Berlin setzt sich heute eine Spielzeugeisenbahn der besonderen Art in Gang. SPD, Grüne und Linkspartei legen den Fahrplan für eine neue Etappe auf dem Weg nach „Bullerbü“ fest. Über das Ziel ist man sich alles in allem einig: Die deutsche Hauptstadt als Modell für die rot-grüne Regierung von morgen; und dieser Traum ist dann wirklich ein Abbild von „Bullerbü“, dieser Märcheninsel der Glücklichen und Entschleunigten, wie sie sich nicht nur die weltbekannte Astrid Lindgren wünschte, sondern auch die Spitzenkandidatin der Grünen Bettina Jarasch im Berliner Wahlkampf.
Wenn das Wohnen in Zukunft, also in „Bullerbü“, dann auch im Standard nicht mehr ganz so hoch ist, wie es in den meisten Räumlichkeiten heute ist, so sind die Mieten niedrig. Privates Eigentum an Wohnraum ist längst abgeschafft. Was ist dieser Luxus schon gegen die Unfähigkeit der Berliner Verwaltung, die schon heute ein Totalausfall ist, die mit der Betreuung der vielen kommunalen Wohneinheiten sehr schnell kapitulieren müsste? Die Folgen sind: Verfall, Verschmutzung – kurzum: Niedergang. Jeder, der es nicht mehr kennt oder sich nicht mehr erinnern will, sollte sich einmal die Bilder der grauen Häuserzüge in Ostberlin und den Städten der DDR nach der Wende ansehen. Aber wie heißt es doch so schön: „Wie man sich bettet, so liegt man.“ Der Wähler hat es offenbar so gewollt.
Ebenso wenig stört es offensichtlich die Berliner Bürgerschaft, dass die Wahlsiegerin und SPD-Spitzenkandidatin Giffey bis zur letzten Minute den Eindruck erweckt hat, sie werde keine Fortsetzung des rot-grün-roten Chaossenats anstreben. Wieder einmal gilt: „Gestern versprochen, heut’ schon gebrochen.“
Doch viele Jahre sind bekanntlich eine lange Zeit, in der vieles vergessen wird. Die Berliner CDU – wer ist das eigentlich, und was macht sie? – könnte ja zur Mahnung mit dem Slogan „Franziska mit dem blonden Haar, belügt Berlin ein zweites Mal“ aufwarten. Doch dafür sind die Berliner Christdemokraten zu vornehm und vor allem zu feige. In jeder Stadt mit einer Opposition, die diesen Namen verdient, würden die Bürger längst mit der Forderung nach Neuwahlen durch die Straßen ziehen – nicht in Berlin!
Hinzu kommt die Verwahrlosung immer größerer Stadtteile. So langsam erfüllt sich der Traum von Armut, Assozialität, Kriminalität bei – und das alles gehört zusammen – wachsender Gleichheit und Entindividualisierung der Gesellschaft. Darüber kann auf Ewigkeit auch nicht die nicht zu bestreitende Attraktivität Berlins in Kultur, jugendlichem Lebensgefühl und Unkonventionalität hinwegtäuschen. Studenten und hippe Typen schaffen keine materiellen Werte. So unromantisch das auch klingt; Erträge kommen nur aus Investitionen privater Unternehmer. Wer auf deren Interessen und Bedürfnisse keine Rücksicht nimmt, geht früher oder später unter der Knute von Zuschüssen in die Knie.
Wobei sich schon jetzt die Frage stellt, wie lange noch die wohlhabenden Länder, wie vor allem Bayern und Baden-Württemberg, zu diesem Aderlass für das „hippe und linke Berlin“ bereit sind – diese größer werdenden wirtschaftlichen Probleme und die finanziell kleiner werdenden Spielräume. Den Luxus rot-grüner Fantasien kann man sich dann nicht mehr leisten.