Tichys Einblick
Ratgeber Gefahrenabwehr: Messerangriffe

Bei Angriffen mit dem Messer hilft nur schnellstmögliche Flucht – Lehren für den neuen Alltag

Tägliche Nachrichten zeigen, es kann heute jeden im Alltag treffen, und meist ohne Vorwarnung: Bundesweit steigt die Zahl der Messerangriffe. Die kommende Verdunkelung aus Energiespargründen erhöht die Bedrohung. Steffen Meltzer über lebensnotwendige Gefahrenabwehr.

Symbolbild

IMAGO/Ralph Peters

Vergangene Woche tötete der Somalier Abdi R. mit einem Messer einen Jesiden erbarmungslos in einer Pizzeria in Neustadt am Rübenberge. In der U-Haft begründete er seine Tat wie folgt: „Der hat meine Religion beleidigt, der musste sterben.“ Im fränkischen Ansbach ist nach einem Angriff auf mehrere Passanten am Donnerstag ein Mann, in der Nähe des Bahnhofs von der Polizei niedergeschossen und dabei tödlich verletzt worden. Er hatte demnach unmittelbar südlich des Bahnhofs mehrere Passanten angegriffen und dabei auch ein Messer benutzt, bevor die Polizei ihn stellte. Er soll 2015 aus Afghanistan zugewandert sein. Die Nationalität wurde wie in anderen Fällen verschweigen, weil sie nichts mit der Tat zu tun habe. In Köln-Mülheim wird am Wiener Platz ein 41-Jähriger niedergestochen; eine genaue Täterbeschreibung wird auch in diesem Fall nicht übermittelt. Drei Fälle in einer Woche; Messerangriffe häufen sich in Deutschland seit einigen Jahren; sie gehören zum neuen Alltagsleben und zu Alltagssituationen.

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Zwei Männer streiten sich um einen Sitzplatz im Bus und einer zückt plötzlich ein Messer. Ein 17-Jähriger rammt einem 20-Jährigen ein Messer in den Bauch. Eine Tötungsabsicht wäre nicht erkennbar gewesen, so das Gericht. Der Täter bekam wegen „schwerer Körperverletzung“ lediglich vier Jahre Jugendhaft. Die Zahl der Stichwaffendelikte geht zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen in die Tausende. Auch die Angriffe auf Polizeibeamte durch gefährliche und schwere Körperverletzungen haben sich erhöht. „Dieser Anstieg könnte auch durch Messerattacken zu erklären sein“, glaubt Polizeiinspekteur Schemke.

Das Land verändert sich drastisch.  Auch in der Vergangenheit gab es Wirtshausschlägereien und Bierzeltrangeleien.

Neuerdings wurden aus halbstarken Schlägereien lebensgefährliche Auseinandersetzungen, bei denen häufig  solange auf den am Boden Liegenden eingetreten wird, bis er sich nicht mehr rührt. Und selbst dann wird noch mehrfach kräftig auf Kopf und Körper herumgesprungen. Das Mitführen von Messern gehört inzwischen zum Alltag. Nicht wie einst früher ein Taschenmesser, um damit einen Apfel zur Pause zu teilen, nein, um es gegen Kontrahenten einzusetzen. Und natürlich spielt die Sozialisation eine herausragende Rolle, wie man es gelernt hat, Konflikte zu „lösen“. „Diversität” hat deutlich zugenommen.

Jeden von uns kann es unerwartet treffen. Dann heißt es, schnell den Schalter im Kopf umzulegen. Anbei einige Hinweise von mir, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit und Perfektion. Das Thema würde ein ganzes Buch umfassen. Meine Zielgruppe ist dabei „Otto Normal“. Ich wende dabei ein, es gibt Experten, die anderes als ich empfehlen. Das will ich nicht bewerten. Jeder muss für sich seinen Weg finden, um Tipps anzunehmen oder nicht. Dafür steht eine breite Angebotspalette bereit.

Nur einfache Techniken sind in Hochstresslagen anwendbar

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Prinzipiell empfehle ich meinen Lesern nur einfache Techniken, deren Grundlagen im Kopf gelegt werden müssen, damit sie in lebensbedrohlichen Hochstresslagen abgerufen werden können. Das ist weder schwarze Magie, noch sind dafür intensive Seminare erforderlich. In Gefahrensituationen heißt es, schnell den inneren Schock zu überwinden und einen hohen Überlebenswillen zu aktivieren. Nicht der Stärkere überlebt, sondern der Entschlossenere, auch die Schnelligkeit der eigenen Handlung ist dabei entscheidend. Der Schnelle frisst den Langsamen, nicht der Starke den Schwächeren. Wir wollen dabei niemanden „auffressen“, sondern unser Leben und unsere Gesundheit sichern. Wer es schafft, den Täter zu besiegen, immerzu!

Bei einer unmittelbaren Bedrohung mit einem Messer gibt es eine Generallösung, die Sie anwenden müssen, wann immer die Möglichkeit dazu besteht: Nehmen Sie Ihre Beine in die Hand und ergreifen Sie so schnell wie möglich die Flucht! Rennen Sie auf und davon. Wenn Sie daran denken, schreien Sie dabei so laut Sie können, machen Sie auf sich aufmerksam.

Mir ist völlig klar, dass viele Opfer bei einer solchen Bedrohung wie angewurzelt vor Schreck stehen bleiben. Das ermöglicht dem Täter zuzustechen. Dies kann jeder gut überwinden und verkürzen, indem Sie sich solche oder ähnliche bedrohlichen Szenarien ab und an durch den Kopf gehen lassen: schnell reagieren, wegrennen und schreien! Wer diesen „Plan“ abrufen kann, ist klar im Vorteil. Flucht wo und wie immer es geht.

„Gelassenes Gefahrenbewusstsein“

Ich nenne die vorbereitende mentale Umgangsweise mit diesem bedauerlichen Thema „gelassenes Gefahrenbewusstsein“. Die Welt ist eben, wie sie ist, und Lebensrisiken gehören dazu. Diese müssen jedoch nicht zwangsläufig unsere alltägliche Lebensqualität beeinträchtigen. Das heißt nicht, in eine 24/7-Angst oder gar Schizophrenie zu verfallen. Angst lässt erstarren, macht denk-, handlungs- und bewegungsunfähig. Überwinden Sie Ihre Angst, die völlig normal ist. Wie, habe ich soeben beschrieben. Unsere DNA lautet: Totstellen, Angriff oder Flucht. Dafür stellt Ihnen Ihr Körper eine breite Palette an Hormonen zur Verfügung, die Ihnen in einer solchen Situation ungeahnte Höchstleistungen ermöglichen. Die Natur hat Sie damit reichlich ausgestattet. Den meisten von uns sind lediglich solche Fähigkeiten durch den Anpassungsdruck, der bereits als Kind begann, abtrainiert worden. Reaktivieren Sie diese wieder. Aus Platzgründen kann ich darauf nicht weiter eingehen.

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Kommen wir auf die „neue Realität“ zurück: Sozialer Rückzug ist immer nur die zweitbeste Lösung, aber manchmal bedauerlicherweise zum Eigenschutz erforderlich geworden. Es sei denn, man rüstet gedanklich und/oder anderweitig auf. Klug beraten sind diejenigen, die einige Regeln beachten. Im Augenblick soll überall die Beleuchtung „eingespart“ werden. Die WDR-Sendung Quarks will „wissenschaftliche Studien“ gefunden haben, die „beweisen“, dass das keine negativen Auswirkungen auf die Kriminalitätsopferzahlen hätte. Das ist selbstverständlich großer Unsinn. Täter wollen nicht entdeckt werden, da es für diese ein hohes Risiko darstellt, bei Straftaten auf frischer Tat festgenommen oder durch Kameras aufgezeichnet zu werden. (Es gibt auch nicht wenige davon, denen ist das egal, weil die zu erwartenden Strafen gering sind.)

Natürlich bevorzugen Verbrecher die Dunkelheit, räumliche Isolation oder Abgeschiedenheit. Das muss in die eigene Gedankenwelt einbezogen werden. Besonders Frauen sollten solche dunklen Gebiete zu später Stunde meiden. Männer, die das Gleiche tun, sind nicht immer schlecht beraten. Alternativ geht man in Gruppen oder nimmt sich ein Taxi. Ich würde jetzt auch gern schreiben, das wäre alles unnötig, „Deutschland ist so sicher wie noch nie!“, dazu ist mir aber zu viel an Tragik bekannt. Es nützt dabei auch nicht der Hinweis, dass die meisten Opfer Männer sind (Täter allerdings ebenso).

Der Grundsatz: Distanz, Distanz und nochmals Distanz

Weiter mit der Messerabwehr. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie versucht wurde, mir beizubringen, einen Messerangriff mit Händen und/oder Füßen abzuwehren. In der mir bekannten Praxis endete so etwas fast immer mit den typischen Abwehrverletzungen an den Innenseiten der Hände, die Sehnen der Arme werden durchtrennt und hängen dann am Körper herab, so dass es zum finalen Stich kam. Natürlich gibt es auch immer wieder Beispiele, wo es gelingt, einen Messerangriff erfolgreich mit verschiedenen Körpertechniken abzuwehren. Es gibt zum Beispiel eine Tätergruppe, die sich immer wieder die falschen Gegner aussucht. Ob man an so einen Spezi gerät, weiß man allerdings erst hinterher, falls man es noch erleben darf. Selbst hochtrainierte Spezialisten bevorzugen die Distanz und andere Mittel, um einen Messerangriff abzuwehren oder zu beenden. Siehe Schusswaffe, aber selbst das ist bei einem plötzlichen Angriff unter sieben Meter nur noch sehr schwer zu bewerkstelligen. Selbst ein Körpertreffer ist noch lange kein angriffsstoppender Wirkungstreffer.

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Der Grundsatz: Distanz, Distanz und nochmals Distanz. Falls Ihr Gehirn noch genügend Informationseinheiten zur Verfügung hat: Beobachten Sie die Hände des Gegenübers. Oftmals geht dem Messerangriff eine verbale Auseinandersetzung voran. Beispiel: Täter, die versuchen, ihr Opfer in eine Ecke zu drängen und deren Hand dabei gleichzeitig in den eigenen Rückenbereich fassen, holen garantiert eine verdeckte Waffe, meistens ein Messer hervor.

Als Laie kann man in der Not, wenn keine andere Möglichkeit besteht, versuchen, die eigene Jacke um den rechten oder linken Arm zu wickeln, um damit zu versuchen, Messerstiche abzuwehren. Noch besser sind Gegenstände, die man schnell greifen und als Distanzmittel einsetzen kann. Beispielsweise Tische, Stühle oder ein Fahrrad. Schieben Sie alles zwischen sich und den Aggressor, dessen Sie habhaft werden können. Denken Sie dabei immer an „Plan A“, die Fluchtmöglichkeit. Machen Sie laut auf sich aufmerksam, ergreifen Sie die Initiative, wie immer Sie dazu in der Lage sind.

Auf meine diesbezüglichen Zeilen würde ich gern verzichten. Sie sind auch nicht die eigentliche Lösung des Problems. Ich wünschte mir eine Politik, die die Zunahme der Messerattacken verhindert, um es freundlich auszudrücken. Zum Erträumen einer schönen Welt à la Bullerbü, in der es nur friedlich zugeht, bleibt aber keine Zeit mehr. Fakten und Tatsachen sind zu weit fortgeschritten. Keinem Schwerverletzen oder Hinterbliebenen nützt der mediale und wohlfeile Hinweis von „Risikoforschern“, dass dieses Opferrisiko als gering anzusehen ist. Die Möglichkeit, das Opfer eines Messerangriffs zu werden, ist leider alles andere als auszuschließen. Mögen Sie nie in diese Verlegenheit kommen.

Steffen Meltzer ist Autor des Buches „Ratgeber Gefahrenabwehr“ >>>